TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Trotz mancher thematischer Übereinstimmungen zu van Manders Kap. VII (Mander, Schilderboek, Van de Reflecty, Reverberaty, teghen-glans oft weerschijn. Het sevende Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 29r–34r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6310loVq3]) fallen deutliche inhaltliche und sprachliche Veränderungen auf. Zudem fügt Sandrart einen Hinweis auf Honthorsts Nachtstücke ein, die bei van Mander nicht erwähnt werden. Dieser beschäftigt sich vor allem gemäß des Kapitel-Titels mit unterschiedlichen Arten von Reflektionen und Widerschein (z. B. durch Wolken, Regenbogen, nächtliche Brände, vom Wasser, etc.), behandelt aber nicht die Ateliersituation wie dies Sandrart ausführlich tut; vgl. Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 80.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 167
vielem Liecht geschehen/ man zu dem obern auch etwas vom untern eröffnen könne. Dieses Liecht/ soll das mus von Norden herscheinen. von Nord oder Septentrion, weil von dannen der Sonnen-Glanz am wenigsten bescheinet/ genommen werden. Vgl. Leonardo, Trattato (1651), Kap. XXVII, Come deve essere alto il lume da ritrar dal naturale, überprüft anhand der Ausgabe Leonardo, Trattato 1651 (ital. Editio princeps Du Fresne), S. 6; siehe Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81. Ein gerechtes Zimmer zu unserer Kunst ist/ wann darinn alles/ was von Modellen hinein kommt/ auch die Gemälde selbst/ ein vollkommen-schönes Liecht haben/ und jedem Ding den Wolstand/ Schatten und Widerschein geben kan.
Wie ein Modell soll gestellt und die Distanz beobachtet werden. Wann nun das Leben oder Modell, L’édition latine est plus explicite : vivum exemplar sive idea muta vel Archetypa (modèle vivant ou idée silencieuse ou archétype). es sey auf einer niedrigen oder hohen Tafel/ (nach Erforderung des Horizonts/ wie das Stuck/ wann es vollbracht/ soll aufgestellet werden/ Die Berücksichtigung der Höhe des Horizonts, der vom Betrachterstandort abhängig ist, findet sich auch bei Leonardo (vgl. Leonardo, Trattato (1651), Kap. XXXVII, Del ritrar figure per l’historie, überprüft anhand der Ausgabe Leonardo, Trattato 1651 (ital. Editio princeps Du Fresne), S. 9; siehe Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81). Die Position des Modells wird von Leonardo auch in Kap. XXV berücksichtigt (vgl. Leonardo, Trattato (1651), Kap. XXV, Del ritrare al naturale, überprüft anhand der Ausgabe Leonardo, Trattato 1651 (ital. Editio princeps Du Fresne), S. 6; s. Heck 2009(c), S. 393).) also im bästen Liecht vor Augen stehet/ daß es solch Liecht und Schatten nach Verlangen hat: alsdann setze sich der Mahler/ etwan 8 oder mehr Schuh davon. Also Der Mahler/ mus das Werk von weitem examiniren können. hat er überall das gerechte Liecht/ und bleibet ihm noch Platz genug/ davon hintan zu gehen: welches dann hochnötig ist/ wann er sein Werk will von weitem besehen/ auch ein großes Werk hin und wider schieben/ erniedrigen und erhöhen. Auch die jenige/ welche nur kleine Werke machen/ sonderlich wann sie das Leben wollen gebrauchen Dans l’édition latine : vivis exemplaribus (modèles vivants)./ müßen/ wegen Auch kleine Sachen/ erfordern Raum und gut Liecht. nötiger Distanz, und das Liecht von oben herab zu nehmen/ nicht in allzukleinen Zimmern ihre Arbeit verrichten/ sondern Raum und Liecht suchen: da dann alles einen mehrern Wolstand/ gewißere Maaß und mehr Lebhaftigkeit/ erzeigen wird.
Dafern man aber das Liecht/ aus Mangel bässerer Hülfe vom Papierfenster. accommodation, von Mittag nehmen mus/ so kan man die Fenster versehen mit Plafeturi, En italien dans le texte. L’édition latine précise charta imbuta oleo (papier huilé). von Oelgetrenktem Papier gemacht: damit die Sonne keine falsche Liecht-Veränderung mache. Höhe des Liechtes. Ingemein/ soll des Liechts Höhe seyn/ daß jedes bescheinte corpus soviel Schatten in die Länge von sich auf die Erde gebe/ als viel Größe es selber hat. Vgl. Leonardo, Trattato (1651), Kap. XXVII, Come deve essere alto il lume da ritrar dal naturale, überprüft anhand der Ausgabe Leonardo, Trattato 1651 (ital. Editio princeps Du Fresne), S. 6; siehe Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81.
Wann man eine Historie bey Nacht vorstellen Process mit den Nacht Stucken/ bey Feuer und Liecht. will Da Vinci, éd. 1651, chap. 41; Heck 2009 (c), pp. 392-395./ so mache man ein großes hell-brennendes Feuer/ dessen Schein weit um sich leuchte/ und sehe von denen umstehenden Sachen ab/ wie sie natürlich von der Feuerfarbe/ je näher je röhter/ participiren und sich gestalten. Dann das Feuer ist ganz Farbe des Feuers. rötlich/ als von Liecht-BleyGelb/ Weiß und Mennig gemischet An dieser Stelle kommt Sandrart van Manders Aussage ganz nahe, dass die Reflexe im Kolorit dem Feuer gleichen müssen (vgl. Mander, Schilderboek, Van de Reflecty, Reverberaty, teghen-glans oft weerschijn. Het sevende Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 31v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6310loVq3] und Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81).: und also müßen auch die Dinge/ die dasselbe beleuchtet/ entbildet werden. Je weiter aber die Sachen von dem Feuer sich entfernen/ je mehr müßen sie von dessen Schein/ und nach und nach sich in schwarz- und finsterer Nacht-Farbe verlieren.
Die Figuren/ so vor dem Feuer stehen/ sollen Wie den Nacht-Figuren/ die Farbe dunkel und schwarz aus dessen Liechte herfür spielen: weil sie vom Dunkel der Nacht/ und nicht vom Feuer/ ihren Ursprung bekommen. Die Bilder aber/ so zur Seiten stehen/ sollen halb dunkel und halb feurig oder rötlich seyn. Welche aber von dem Feuer gesehen werden/ die müßen ganz rötlich/
von der Flammen reflexion oder Gegenspielung/ und action oder Gebärden/ zu geben. auf einem braunen dunklen Feld/ erleuchtet stehen.
Was aber ihre actiones, Gestalt und Stellung betrifft/ so können die/ so in der Nähe beym Feuer sind/ also vorgestellet werden/ daß sie die Mäntel vorschlagen/ die Hände vor das Angesicht halten/ oder solche abwenden/ als wann sie die Hitze des Feuers vermeiden wolten. Die aber in der Ferne stehen/ können ihre Augen mit den Händen reiben/ als ob ihnen der Rauch oder Flammen-Schein überlästig wäre. Vgl. Leonardo, Trattato (1651), Kap. LXV, Come si deve figurar una notte, überprüft anhand der Ausgabe Leonardo, Trattato 1651 (ital. Editio princeps Du Fresne), S. 15; siehe Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81. Andere mehr Stellungen/ wird dem vernünftigen Mahler die Natur und das Leben Vivorum exemplorum dans l’édition latine. an die hand geben.
Herrliche Nacht Stücke/Raphaëls/ Die letzten beiden Absätze dieses Kapitels sind auch bei Peltzer abgedruckt (Teutsche Academie 1675/ Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 418), der jedoch nur diese als Zusatz von Sandrart zu Mander, Schilderboek 1604, Kap. VII »Van de Reflecty, Reverberaty, teghen-glans oft weerschijn.« angibt.Von dergleichen Kunst-Mahlerey/ ist vor andern preiswürdig Raphaëls Nacht: da der Engel S. Petrus aus der Gefängnus führet/ und mit dessen Glanz alles nach bäster Art beschienen Bassans/ wird. Van Mander geht hier ausführlicher auf die Qualitäten von Raffaels »Befreiung Petri aus dem Kerker« in der Stanza die Eliodoro ein: vgl. Mander, Schilderboek, Van de Reflecty, Reverberaty, teghen-glans oft weerschijn. Het sevende Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 32r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6310loVq3]; Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 81. Es hat auch Bassan viel Nacht-Stücke gemacht/ Gerhards von Hundhorst/ die gut sind. Gerhard von Hundhorst war fürtrefflich in den Nachten/ bey wiederscheinenden Liechtern; wie von ihme/ zu Rom/ alla Madonna della scala, zu sehen: deren er noch viele/ und zur Zeit/ da ich in Utrecht sein Discipul gewesen/ allesamt in Lebens-Größe gemahlt/ auch hiermit überall Ehre eingelegt. Wieviel wäre zu sagen/ von Adam Elzheimers/ des berühmten Frankfurters/ Adam Elzheimers/ in klein repraesentirten Nachten: wie Jupiter und Mercurius, in der Baucis und Philemons Bauer-Haus/ bey einer Nacht-Lampen am Tische sitzen; wie die Ceres, bey dem Wind-Liecht/ von einem alten Weib zu trinken begehret; Die Flucht der Christ-Eltern in Egypten beym Mondschein/ da Joseph einen brennenden Span in Händen trägt/ und mehr andere. Ein sonderbares Stuck ist Antonii de Corregio, auch/ des Antonio de Corregio Geburt Christi/ da die Hirten erscheinen/ und alles Liecht von dem Christkindlein empfangen: welches er übernatürlich-wol und verwunderbar-verständig exprimiret hat.
Dergleichen Stucke sind auch hin und wieder/ und des Autoris. von der Hand des Autoris, zu sehen: als zu Rom/ wie Käyser Nero den nacketen Seneca, bey einem brennenden Windliecht/ in Gegenwart des geharnischten Hauptmanns und der Kriegsknechte/ auch seines Weibs/ seiner Freunde und Discipeln/ durch Eröffnung seiner Adern/ zum Tod bringen lässet/ welches bey dem Fürsten Justinian zu finden; also auch der Cato von Utica, wie er/ beym Kerzen-Liecht/ ihm selber das Leben nimmet; ferner das H. Abendmahl zu Linz/ und H. Josephs Hinscheiden aus dieser Welt; S. Sebastians Verwundung mit den Pfeilen/ bey eines Windliechtes Brand/ in den Altären zu Lampach; die Enthauptung S. Johannis Baptistae, im Thum-Stifft zu Bamberg; und anderswo andere/ von denen man/ Eitelkeit zu vermeiden/ lieber den Augenschein/ als dieses Blat/ reden lässet.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Trotz mancher thematischer Übereinstimmungen zu van Manders Kap. VII (Mander, Schilderboek, Van de Reflecty, Reverberaty, teghen-glans oft weerschijn. Het sevende Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 29r–34r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6310loVq3]) fallen deutliche inhaltliche und sprachliche Veränderungen auf. Zudem fügt Sandrart einen Hinweis auf Honthorsts Nachtstücke ein, die bei van Mander nicht erwähnt werden. Dieser beschäftigt sich vor allem gemäß des Kapitel-Titels mit unterschiedlichen Arten von Reflektionen und Widerschein (z. B. durch Wolken, Regenbogen, nächtliche Brände, vom Wasser, etc.), behandelt aber nicht die Ateliersituation wie dies Sandrart ausführlich tut; vgl. Klemm, Notizen zu TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 80.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 167