TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 196
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Diese Vita ist von Sandrart verfasst; die Daten entnimmt Sandrart der Bildunterschrift des Vitenporträts in de Bies Gulden Cabinet (vgl. De Bie, Gulden Cabinet, überprüft anhand der Ausgabe 1661, S. 51); s. Sponsel 1896, S. 15.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 409
und dardurch so ein fürtreflicher Zeichner worden/ worauf er auch nachmalen nicht weniger die Farben mit Oel und auf nassen Kalk/ samt all übrigen Theilen der Mahl-Kunst/ so sein ergriffen/ daß er den Berg dieser Kunst sonder grosse Mühe gar bald erstiegen/ und dermassen in den schwäresten Theilen alle Zierde/ Holdseligkeit und gratia Sandrart ergänzt das italienische Wort (das er nicht mit Grazie übersetzt) durch zwei deutsche Entsprechungen. Damit wird diese, ursprünglich der Rhetorik entlehnte, Qualität als kunsttheoretische Kategorie gekennzeichnet. Die Darstellung bzw. der Eindruck von Grazie gilt als besonders schwieriger Teil der Kunst, da er nicht erlernbar ist; vgl. Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 843, Anm. 467,30 f. beobachtet/ daß er den höchsten Gipfel der Vollkommenheit erreicht/ und ein recht folgbares Exemplar und Modell der Kunst worden ist.
Wie nun dieses fürtreflichen Manns Jugend in seiner Geburts-Stadt Bolognien/ und noch vielmehr zu Rom beschaffen war Guido Reni ist in Rom erstmals 1601 dokumentiert, bis 1615 war er abwechselnd in Rom und Bologna tätig; vgl. Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 843, Anm. 468,1./ so eine gleiche Bewandnis hatte es auch mit der lezten Zeit/ die er mit solcher seiner Kunst zugebracht/ und worinnen/ nebenst grosser Ehre/ auch sein Nutzen stetigs gewachsen. Er beflisse sich aber je länger je mehr/ seine Werke mit aller Gedult zu machen/ und nichts zu übereilen/ auch seine Gemählde je länger je mehr auszubässern; und hielte sich sonsten gegen jederman ganz freundlich/ sittsam und tugendhaft/ liesse alle unnöthige Gesellschaften fahren/ und sanne immerzu seiner Kunst nach/ weswegen er auch die Antichen in Vollkommenheit der nackenden/ als deren Wolstand auch Raphael in der Zeichnung nachgekommen/ wol observiret. Und weil über all erzehltes Michael Angelo da Caravaggio, gleich als an seinem Ort gedacht worden/ in dem Mahlen die Natürlichkeit aller Ding überaus genau wahrgenommen/ und künstlich vorgestellt/ daß seines Gleichen in der Erhebung/ Rundirung oder Stärke der Farben/ mit Fürtreflichkeit der Harmonia, vorhin nicht wol jemands gewest/ als hat es gleichfalls unser Guido ersehen/ und dieser Kunst Art auch aufs allernatürlichste sich beflissen/ darinnen Seine Werke. er auch gar bald vollkommen worden/ gestalten dann viel von seiner Hand/ sonderlich der büssende Petrus zu Bolognien/ Marsyas und Apollo in Lebens-Grösse/ etliche Thaten Herculis, wie ingleichen auch Titius, den der Geyer die Leber ausgebissen/ und wie Apollo den Marsyam schindet/ in des Königes in Engel. Palasts Galeria zu sehen sind. Nicht minder hatte er auch S. Antonio und S. Paul Primo Eremita ein grosses Blat/ bey unserm Kunst-Vatter Prinz Justinian zu Rom/ als in dessen Palast er etliche Jahr lang gewohnt/ verfärtiget/ und noch weiters viel herrliche Werke gemahlt/ als die heilige Caeciliam, so bey einer Orgel über sich sihet/ und bey S.Gregorio zu Rom die Ausführung S. Andreae; welche in Kupfer geäzt ans Liecht kommen/ und eines seiner grösten Stuck von einer Mänge Bilder/ so ein vortreflich herrliches Werk ist. Er hatte vorher/ und zu Folg seiner ersten Manier/ etwas schwächer von Farben Bellori berichtet hingegen bei diesem Werk von »il tutto di colorito forte e ben condotto« (vgl. Bellori, Vite 1672 (Ed. Borea/Previtali 1976), Bd. II, S. 493 f.), verschweigt aber ebensowenig die technischen Probleme, die beim Auftragen der Ölfarben auf einen Leim von Ziegelpulver und Eiklar zu einem baldigen Abbröckeln der Farbe führten. Obwohl Reni bereits 1632 Ausbesserungen vornahm, konnten die Schäden nicht aufgehalten werden. zu Bolognien bey S. Michaël in Bosco dem Benedictiner-Kloster in einen runden Creutzgang/ allwo die Caraccen meist andere Historien gemahlt/ auf nassen Kalk oder fresco, ein fürtrefliches Werk/ wie nämlichen die Unterthanen dem heiligen Benedicto in sein Eremitorium Geschenk bringen/verfärtiget/ wie er dann auch sehr viel andere halbe Bildere von heiligen auch profan-subjecten hinterlassen/ und wurde bey allen Potentaten/ Käisern und Königen/ auch andern Liebhabern des
Guido edle Hand sehr hoch verlangt und reichlich bezahlt/ so/ daß in Ansehung seines fleissigen laborirens/ er in allen Ländern eine grosse Baarschaft verdient/ und zuwegen gebracht.
Wofern er nun selbige Gelder anderster vernünftig und gesparsam anzulegen gewüst/ er ihme wol einen grossen Schatz zusammen samlen mögen; weiln aber sein Gemüth sehr liberal sich bezeugte/ lebte er höflich/ geschikt und unverheyrathet/ und bediente sich zulezt guter fürnehmer Gesellschaft bey köstlichen Musicen/ als mit der er sich in Discursen/ Kartenspielen und andern recreationen/ frölich gemacht. Da dann nicht fehl schlagen wird/ Verderbt sich mit Kartenspiel.was eine gewisse Person vermeldet/ daß Guido durch sein Kartenspielen bey Lebzeiten über hundert tausend Cronen wehrt verloren habe/ sintemalen sich deren etliche/ welche mit ihm umgangen/ mit Weib und Kindern allein von dem Gut/ so sie von ihm gewonnen/ ernähret haben; in welches Spielen er sich endlichen dergestalt vertieft/ daß kein Potentat oder Liebhaber/ so er ihme gleich grosse Summa Gelds auf die Hand gegeben/ und mit mehrerm baar auszuzahlen begehrt/ das wenigste mehr von ihm überkommen können/ sondern seine Gemählde nur durch Mittel der Karten abgewinnen und erhalten müssen. Wordurch er dann zulezt in seiner Geburts-Stadt Bolognien/ allwo er/ wie einer seines Gleichen/ hochgeehrt und geliebet worden/ viel Jahr ohne einigen Herrn herumgewandelt/ und mit den Fürnehmsten täglich in die Gärten und Paläste spatzieren gegangen/ mit denselben conversation gehalten/ und also sein Alterthum damit zubringen wollen. Worauf er aber/ wegen schlecht geführter Wirthschaft/ (dabey er doch wenig verbanchetirt/ oder zu der vanität und Hoffart angewendet/ noch sonst auch durch Schaden zuruck gekommen/ sondern einig und allein/ wie erzehlt/ die Heiligen in dem Kartenspiel/ als die ihm gar disfavorabel gewesen/ besucht) sich ganz und gar ausgezehrt/ daß endlich an empfangenem Geld auf Arbeit/ auch sonst an Schulden/ er in die 25000.Cronen schuldig verblieben; Er hinterliesse endlichen nichts/ als in etlichen Zimmern viel grosse und mittelmässig angefangene Gemählde seiner Hand/ mit wenig Mobilien und Zeichnungen/ auch andern zu seiner Kunst nöhtigen Curiositäten/ aber an Haus/Hof/ Renten und Zinsen/ wiewol selbiges am bästen hätte seyn können/ im geringsten nichts.Dieses nun wird allein andern zur Warnung hie angeregt/ ohn einige Gedanken/ Guidons Lob zu ringern/ indem er sonst niemals ungeschikt/ sondern jederzeit von fürtreflichen Leuten geliebt und geehret worden/ als der in der Tugend seines Berufs mit gerechtem Titul das allerhöchste Lob in grossen Mahlen verdient/ dann vor ihme keiner solche untadelhafte Werke hinterlassen/ darum billich die Zeichen- und Mahlkunst/ samt denen dreyen Gratien/ ihn mit unverwelktem Lorbeer-Kranz gezieret. Er verschiede zu grosser Betrübnis männiglichs zu Bolognien Anno 1642. seines Alters im 68. Jahr: Sein Contrafät ist in der Kupferblatte II. zu finden.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Diese Vita ist von Sandrart verfasst; die Daten entnimmt Sandrart der Bildunterschrift des Vitenporträts in de Bies Gulden Cabinet (vgl. De Bie, Gulden Cabinet, überprüft anhand der Ausgabe 1661, S. 51); s. Sponsel 1896, S. 15.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 409