TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 197
SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Diese Vita wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 15).CV. DOMINICO ZAMPIERI von Bolognen.WIr haben bey vorgehenden Guido Rhem mit mehrerm erzehlt die große Frucht der Caraccischen Schul/ als welche in Warheit eine hoch-geprisene allgemeine Academie aller Lehr-Jugend gewesen/ und deren auch fürnemlich dieser Dominico sich beflissen/ und darinn herfürgethan/ auch deswegen gleich in Zeichnung der Bilder/ Ausbildung der affecten/passionen/ oder Begierden/ in geistlich und weltlichen Historien/ wie auch in der Poësia, ganz verwunderlich sich sehen lassen/ darum er dann auch mit Guido Rhem stetigs einen Kunst-Streit gehabt/ worbey aber beede/ in der Wissenschaft/ hoch gestiegen/ weiln ein jeder die Fürtreflichkeit der Natur zu einem Vortheil hatte/ und damit den Vorzug erhalten wolte; Gleichwie aber die Mutter die Natur allezeit in ihren Verrichtungen eine Veränderung sucht/ also verharret auch unsere Ist gut in Ausbildung der Historien. Inclination oder angewohnte Manier nicht auf einem Wege/ massen des Dominico hochfliegender Geist sich zu der Ausbildung der Historien eifrig bequemen wollen/ so daß er in demselben/ obwol sehr schwerem Stuck ein fast berühmter Meister worden; wie dessen Zeugnus ganz Rom und Neapolis/ geben kan/ als darinnen er viel Ruhm und Lob-würdige Werke gelassen.
Im Buch zur Malerei trägt Sandrart nach, dass er sich während seiner Zeit in Rom Domenichino zum Lehrer erwählt hatte (TA 1679, III (Malerei), S. 70); vgl. Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 844, Anm. 470,31.
Seine Geburt und Herkommen ist von belobten Leuten 1581. in Bolognien/ sein progress aber in der Kunst beschahe/ nach wolgelegtem Fundament/ in der Caraccischen Schul/ als worinnen er in Geschicklichkeit und Tugend aufgewachsen/ bis er sich endlich nach solch ergriffener Kunst mit einer tugendsamen Jungfrauen vermählet/ und darauf in die Oeconomie In der lateinischen Ausgabe wird dieser Begriff durch das Idiom »res familiaris« (Hauswesen, Vermögen) ersetzt (vgl. Sandrart, Academia 1683, S. 186). sehr wol geschicket/ auch durch einen guten Wandel allen Göttlichen mildreichen Segen für sich und die Seinigen erhalten. Eines seiner ersten Werke war eine Capelle/ zu grota Ferrata 6. Meilen von Rom In der lateinischen Ausgabe wird diese Ortsangabe noch zusätzlich präzisiert: »in agro Tusculano, in cenobio, quod Grotta ferrata dicitur« (vgl. Sandrart, Academia 1683, S. 186)./ fur den Cardinal Odoardo Farnese, wozu Annibal Carac ihn Dominico expressè darzu vorgeschlagen/ und er sich wunder-wol verhalten auch dadurch seinen Verstand treflich verspüren lassen; also zeigte er in der Architectura seine grosse Erfahrenheit Als deutlichstes offizielles Zeichen zeugt Domenichinos Ernennung zum Architetto Generale della Camera Apostolica durch Papst Gregor XV. am 11. April 1621 von dessen Karriere als Architekt (vgl. Antonio Bertolotti: Artisti bolognesi, ferraresi ed alcuni altri del già Stato pontifico in Roma, Bologna 1885, S. 127 f.)./ in dem Bau des Cardinals Aguchi Gemeint ist wohl das Grabmal für Kardinal Girolamo Agucchi (1605–1606). Um dieselbe Zeit dürfte auch die Darstellung des Triumphbogens entstanden sein, die das gemeinsame Interesse von Agucchi und Domenichino an der Formensprache der antiken Architektur bezeugt (vgl. Silvia Ginzburg Carignani: Domenichino e Giovanni Battista Agucchi, in: Kat. Rom 1996-97, S. 121–137, S. 122). Von Domenichinos Beschäftigung mit der Architektur, die sich vor allem in Entwürfen und theoretischen Ideen manifestierte, zeugen diverse Zeichnungen in Windsor Castle (vgl. Pope-Hennessy 1948, Nr. 1735–1754). Sowohl von seinen Zeitgenossen Bellori, Passeri u.a. als auch noch im 18. Jh. wurde Domenichino als Architekt verstanden (siehe auch Giovanna Curcio: Le contraddizioni del metodo. II. L’architettura esatta di Domenichino, in: Kat. Rom 1996-97, S. 151–161)., wie ingleichen des Cardinals Lancellotti Pallaz zu Rom/ nach seinem Abriß erhoben/ fürtreflich gelobet worden. Meistens sonsten hielte er sich zu Rom auf/ biß daß er nach Neapoli zu Bekommt 20000. Cronen für eine Cupel zu mahlen. Ausfärtigung der Cupula, einer schönen Kirchen / beruffen worden/ worinnen ohne meiner Feder Vermeldung das Werk selbst den Meister loben und rühmen wird/ wie ihme dann 20000. Cronen darfür bezahlt/ auch er darauf wieder nach Rom gar reputirlich begleitet worden.Aus welchem Werk dann nun sein Ruhm allenthalben erschollen/ so/ daß er beständig hernach zu Rom verblieben; vor solcher Zeit aber ist sein Ruff meistens in folgendem Seine Werke zu Rom. bestanden. Anfangs mahlete er mit Guido Bolognes in der Capellen des heiligen Gregorii zu Rom/ und deren ein jeder eine grosse Historie in fresco. Guido zwar machte die Ausführung des heiligen Andreae, wie er von weitem das Creutz/ an dem er leiden solte/ erblickete/ niederkniete/ und Gott/ daß er ihn würdig vor sich und ihm zu Ehren zu leiden/ hielte/ dankete/ so dann eines von seinen
gröst-und berühmtesten Werken/ gleichwie an seinem Orte gemeldet worden/ gewesen. Unser Dominico aber bildete dagegen in selbiger Größe/ bedüttenen H. Apostels Andreae Marter/ wie er nämlich von denen Kriegs-Knechten auf eine Folter-Bank gespannt/ und zu Verläugnung der Christlichen Religion angehalten wird. An welchem Heiligen dann die große Gedult und mannbare Beständigkeit/ wie hingegen auch der Henkersknechte und anderer losen Schälk Fleiß und Emsigkeit in Marterung dieses alten Heiligen sehr wol erscheint und zu Gesicht komt/ und zwar weiters auch sonderlich ihre grausame Boßheit/ Betrohungen und Streiche/ mit eigentlicher Gewaltthätigkeit ganz abscheulich und schreckhaft recht nach dem Leben gebildet/ wie nicht weniger der Zuseher bewegliches Mitleiden sehr wol sich ergibet/ alles mit so gebührlicher Ordnung und furtreflicher Zeichnung/ daß es nicht bäßer möchte zu wünschen gewesen seyn/ wie es dann aus den Kupfferstichen der Genüge nach kan vermerkt und abgenommen werden; Dannenhero auch dieses sein erstes fürnehmes Stuck gleich die Hoffnung zu größerem Ausnehmen und Wachsthum erwecket hat.
Andere seine Werke. Ferner mahlte er noch ein so großes Werk von der Verwundeten und im Blut Wallenden/ auch wiederum belebten/ heiligen Jungfrauen Caecilia, als die für todt von dem Papst und andern Christen angesehen/ besucht und bedauret worden/ so auch mit sehr tiefsinnigen Gedanken gemahlt und ausgezieret ist. In einem andern großen Werk/ zu Rom/ hat er vorgestellt/ wie der heilige Hieronymus in Gesegnung dieser Welt zuvor die heilige Communion empfähet/ worinnen dann viel umstehende hierzu dienliche Bilder/ deßgleichen ein Chor Engel und schöne Landschaften zu finden und anzutreffen/ so Caesar Testa hernach in Kupfer ausgehen lassen; Und welches fast über alle zu Rom das unter andern in des Cardinal Borgese Lustgarten oder Palast stehende große Werk von Diana, welche ihren Nymfen/ zum Streit/ Bögen/ Köcher und Pfeile austheilet/ um sich in dem Schiessen zu üben; wieder in S. Peters Kirche ein großer Altar/ wie der heilige Sebastian angebunden/ und mit Pfeilen durch Diocletiani Kriegs-Knechte gemartert wird/ bey S. Andrea della Valle auch die 4. große ins Gewölb gemahlte Evangelisten; deßgleichen in einer andern Kirchen Caroli Borromaei vier vornehmste Tugenden/ als Glaub/ Lieb/ Hoffnung und Mässigkeit über zweymal in Lebens-Größe in fresco; bleibet also bey aller Kunst-Verständigen Gezeugnus/ daß Dominico mit gutem Grund und Fug höchst zu preisen/ und in sonderlichen Ehren zu halten seye/ als welcher der edlen Mahlerey ein schönes Lob durch sein exemplarisches Sitten-Leben hinterlassen/ und einen rühmlichen Abschied im 59. Jahr seines Alters aus dieser Welt genommen; er hinterließ eine reiche/ schön und tugendsame Tochter/ welche zu Neapoli an eine vornehm-titulirte Person verheurahtet worden. Sein Contrafät wird der günstige Leser in der Kupferblatte S. findenSandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Diese Vita wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 15).
Das Vitenporträt Domenichinos befindet sich nicht auf Tafel S, wo sich ein leeres Oval befindet, sondern auf Tafel 4. Sandrart berichtigt seine Angaben auf TA 1679, III (Malerei), S. 70 und schreibt auch im Bericht an den Buchbinder, dass er das hier versprochene Bildnis erst 1679 im dritten Teil einfügen konnte..