TA 1675, I, Buch 2 (Skulptur), S. 40
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Die Ausführungen zu antiken Kunstwerken in Rom und in anderen Orten stammen von Sandrart selbst (vgl. Sponsel 1896, S. 6).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 127
Anläuffe zu stellen. Oben auf dem Sturmhut/ rastet eine Sphynx: zur Warnung der vergangenen und noch zukünftigen Dinge. Ihr Untergewand mit kleinen Falten/ ist die Art eines Unterrocks von einer Vestalischen Jungfrauen: zu Bezeugung der Reinlichkeit und Keuschheit. Auf der Brust/ ist sie mit einem Schild versehen: worauf das Haupt Medusae und die Schlangen/ wider die böse Mäuler/ gestaltet zu sehen. Ihr umgelegter großer Purpurner Mantel oder Röm. Burgermeister-Habit, bedeutet/ daß alle Tugenden vermittels eines weisen Rahts bestehen müßen; wie dann auch die Schlange eine verschmitzte Klug- und Weisheit andeutet. Durch den Spieß wird/ sich zu wehren/ und das böse von sich zu halten/ angemerket.
In diesem Palaste/ stehen auch zwey schöne Brust-Bilder von Faunen. In des Zwey Faunen-Brust-Bilder. Prinzen Lustgarten al populo, sihet man gleichfalls/ ein großes Brun-Stuck von Marmor/ mit Figuren in basso rilievo: Im Lust-Garten ein Brunnstuck/ in basso rilievo. als nämlich eine Diana, welche/ nach halbvollendtem Nacht-Himmelslauf/ von einem Cupido geleitet/ auf dem Berg Lathmus, von ihrem Wagen/ zu dem alda schlaffenden Schäfer Endymion, sich begibet/ und desselben schöne Gestalt betrachtet/ der dann ganz holdseelig in seinem ausgebreiteten Mantel eingewickelt liget. Sie ist vergesellschaftet mit vielen Liebes-Kindern/ und mit den geflügelten Nacht-Stunden/ deren eine das Liecht verfinstert/ die andere/ die vor dem Wagen gespannte Pferde aufhält/ darbey die Mutter der Nacht/ mit Mohn bekränzt/ noch ruhet/ auch die Hirten mit den Hunden im Feld das Vieh hüten. Ist alles hierbey zu sehen. Es sind folgends/ in allen Zimmern/ zur Seiten und zwischen den kostbaren Gemählen/ womit eine unvergleichliche Majestätische Ordnung gehalten worden/ von den allerberühmtesten alten und neuen Meistern der ganzen Welt/ auf Piedestalen/ theils ganze Statuen/ theils Brust-Bilder aufgerichtet/ wie auch auf den Tischen schöne Marmelsteinerne Gefäße/ und also alles rund herum mit Kunst und Zier angefüllet/ zu sehen. Verwunderlich aber über alles ist der große Saal oder das Antiquarium: Herrliches reiches Antiquarium daselbst. darinn/ zur Seiten rund herum/ ganze Statuen gegen der Mauer/ mit Brust-Bildern untermenget/ äng auf einander stehen. Ferner sind auf der Erden/ viel Brust-Bilder und Köpfe/ zu 6 und 8 hinter einander/ gestellet.
Wie ich dann in währender Zeit/ da ich nämlich Der Autor hat diesem Fürsten viel Jahr lang aufgedienet. diesem hochberühmten Fürsten Justiniano viel Jahr lang aufgedienet/ und alle Gnad von ihm empfangen/ in die 270 Stucke an antichen Statuen von Marmornen ganzen und halben/ auch Brust-Bildern/ samt basse rilieve, erkaufft/ und hin und wieder in diesem Palast und Lustgarten al populo, Große Mänge der antiche-Statuen, daselbst. vertheilet habe/ also daß über die 500 Stucke/ allein in diesem Antiquario oder großen Saal/ zu sehen waren. Von diesen habe ich die allerberühmteste in folio, bis auf 160 Stucke nachgezeichnet: Wovon der Autor die Galeria Justiniana zu Kupfer gefördert. wovon dann/ durch damalige fürtrefflichste Kupferstechere/ als Melan/ Blomart/ Natalis/ Mattham/ Persein und andere/ die Galeria Justiniana, verfärtiget worden/ damit der ganzen Welt/ eine Lehrschule der Bildhauerey-Kunst/ vor den Tag geleget würde.
Seine Erben werben/ über diesen Kupfern/ Recht-strittig: Es wolte aber die Mutter aller Dinge/ die Natur/ diesem 85 jährigen lieben Herrn/ bis zu Ausgang des Buchs/ das Leben nicht fristen/ und sind hernach seine beyderley Erben/ dieser Kupferplatten halber/ strittig worden/ indem jeder Theil solche haben wollen. Der eine praetendirte sie/ unter dem Titul eines Erb-Fürstens/ und gabe vor: weil ihme der Palast zustünde/ als gebührten ihm auch diese Kupfer der Galeria Justiniana. Mit »Erb-Fürst« ist wohl Andrea Giustiniani gemeint, der laut Testament der Erbe Vincenzos war, vgl. Assini 2001, S. 81. Die andere/ als Erben von einem Mönchen Closter/ wendeten ein: weil ihnen die mobilien vermachet/ und die Kupfer unter die mobilien zu rechnen seyen/ so folge/ daß auch diese Platten ihnen zustünden. Hieraus entstunde nun ein hefftiger Rechts Process, da immittels/ bis zu Austrag der Sachen/ die Kupfer im Richt-Hause des Campidolio verpetschiret und verwahret ligend die inzwischen verrosten und verderben. blieben: welche nun/ wie wir vernommen/ verrosten/ verderben/ und fast völlig zu grunde gehen. Ist also höchlich zu betrauren/ daß ein dermaßen nötiges/ unvergleichliches und nutzliches Werk/ sovielen verlangenden Kunst- Liebhabern bishero vorenthalten geblieben/ und vielleicht noch länger wird bleiben müßen: welches weit von dieses glorwürdigen Prinzens geführter guten Meinung abgewichen Sein Kupferbildnis. heiset. Sandrart deutet hier den langwierigen juristischen Streit um das Erbe Vincenzo Giustinianis an, der erst im 20. Jahrhundert endgültig beigelegt werden konnte. Die wesentliche Ursache der Auseinandersetzung lag in der Verteilung des Erbes auf den Zweig der Familie Giustiniani in Genua, woher Vincenzo stammte, und auf seinen römischen Erben Andrea Giustiniani. Letzterer sollte laut Testament von 1631 den Besitz Vincenzos übernehmen, wobei er den Genuesern innerhalb von 40 Jahren insgesamt 100.000 Scudi zukommen lassen sollte. In einem Brief Vincenzos, den er etwa ein Jahr vor seinem Tod schrieb, bat er darum, dass die Druckplatten der »Galleria Giustiniani« an die »albergo Giustiniani« in Genua übergeben würden. Bei der »albergo« handelt es sich um ein Konsortium, in dem die Mitglieder der weitverzweigten Familie zusammengefasst sind, um gemeinsame ökonomische Ziele zu verfolgen. Aus dem Brief geht hervor, dass der Erlös, der aus nachfolgenden Auflagen der »Galleria Giustiniani« gewonnen würde, an die ärmsten Familienmitglieder verteilt werden sollte. Doch erst für das Jahr 1678 ist belegt, dass die Platten sich wirklich in Genua befanden, vgl. Assini 2001. Ihr Verbleib in der Zwischenzeit ist noch unklar. Dass die Tafeln im Senatorenpalast aufbewahrt wurden, ist nicht belegt. Indessen bleibt aber sein Lob und Ruhm verewigt: und ist hierbey/ auf der Kupferplatten S, sein Bildnis zu sehen. Das Bildnis Vincenzo Giustinianis befindet sich auf Tafel T der Teutschen Academie und nicht wie hier fälschlicherweise angegeben auf Tafel S.
Fünf bassi rilievi: Vespasianus und Domitilla, in der Barbarinischen Bibliothec Auf der folgenden Platten/ sind fünf Stucke/ von basso rilievo, nachgebildet. Das erste ist/ die Bildnisen von Vespasianus und Domitilla, welche/ auf einer Smaragd-Platte/ zu Rom in der Barbarinischen Bibliothec befindlich. Die Dame/ ist wie ein Ceres bekleidet/ mit Gersten-Aehren in der Hand: bedeutet die dem Gemein-Wesen Zween Faunen mit einem Geisbock. gegebene Ruhe. Die 2 Figur/ sind 2 Faunen/ mit einem Geisbock/ den sie dem Baccho aufopfern. Dieses geschahe darum bey den Heiden/ wie Pausanias berichtet/ weil die Böcke pflegen die Weinreben zu benagen/ und die Weinstöcke damit zu verderben. In diesem Verstand hat Ovidius geschrieben:
in tua quod spargi cornua possit, erit.
Die drey andere Stucke/ werden unter meinen antich-Sachen aufbehalten. Jacob und Rahel. Das erste/ zeiget den Patriarchen Jacob/ wie er/ in Haran ankommend/ seine Base die Rahel/ Labans Tochter/ umfänget/ die hernach sein Weib worden. Dieses Stuck ist in Metall gegossen/ und rar: weil man bey den antichen/ aus H. Schrifft/ sonderlich aus dem Alten Testament/ wenig Historien gebildet findet. Es ist auch eine Hebräische Schrifft/ darauf befindlich. Das Vestal-Opfer/ Das zweyte ist eine Vorstellung/ wie die Ordens-Jungfrauen zu Rom ihrer Vorsteherin und Göttin Vesta zu opfern pflegten: ist gleichfalls von den bästen antichen/ und in Metall gegossen. und zwey Streit-Rosse. Das letzte/ sind zwey Roße/ wie die Römische Reuter solche vor Alters in der Schlacht zu gebrauchen pflegten/ indem sie auf dem einen gesessen/ und das andere an der Hand geführet/ also daß sie/ wann eines geschwitzet/ im vollen Lauff sich auf
Die Ausführungen zu antiken Kunstwerken in Rom und in anderen Orten stammen von Sandrart selbst (vgl. Sponsel 1896, S. 6).Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 129