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TA 1679, II (Skulptur), S. 4

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21. Mercurius, Götter-Bot und Kaufleut-Gott. 22. Pan und die Natur. 23. Aurelius und L. Verus. Der Christen Gebet/ erbittet Regen und Donner. 24. Gladiatores, oder die Schauplatz-Fechter. 25. Corydon. 26. Von der Verschwiegenheit. Poenitentia, oder die Reue/ folget auf Schwatzhaftigkeit. 27. Pferd- und Löwens-Streit. 28. Dirce, Zethus und Amphion: ihre Geschichte. 29. Antinous, Käys. Adriani Liebling. 30. Latona, die Mutter von Apollo und Diana. 31. Der Schäfer Endymion. 32. Eine Nympha und Faunus. 33. Minerva und Paris. 34. Die Vestal-Jungfrau. 35. Flora, die Blum-Göttin. 36. Hygiaea, die Artzney-Göttin. 37. Nilus, der Haupt-Strom in Egypten. 38. Marforius, oder der Rhein-Strom : Jenes Inscription-Rede. 39. Nilus. 40. Silenus. 41. Ein Satyrus, und Silenus. 42. Atalanta und Faunus: Jener ihre Geschichte. 43. Ruin von Rom.

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NAchdem/ im vorhergehenden Theile von der Architectura oder Baukunst/ alles das/ was über voriges noch zu wissen nötig gewesen/ weitläufftig erzehlet/ und daneben die vortreflichste so wol Antiche als Moderne Gebäue in Kupffer vorgestellet worden: So erinnere ich mich nun auch meines dem Edlen Leser im ersten Haupt-Theil dieses Wercks gethanen Versprechens/ und bereite mich/Ihme/ in diesem zweyten Theil des andern Haupt-Theils von derScultura, oder Bildkunst/ auch diejenige Statuen und Bassirelieven, welche gleichsam dieser Kunst Hertz und Seele sind/ so damals nicht haben mit einkommen können/ ich aber mit grossem Fleiß habe nachgezeichnet/ und durch die ruhmwürdigste Hände in Kupffer stechen lassen/ vor Augen zu stellen. Und wird man/ so wol aus diesen Bildern selber/ als aus dem beygefügten Bericht/ die darihn verborgene Kunst 1. Ein Bildhauer mus ihm vorher wol einbilden/ was er ausbilden will. nützlich zu ergreiffen haben.

Ich erinnere aber vorher/ zu mehrer Belehrung des Kunst-übenden Lesers/ daß ein Bildhauer/ der ihme ein wol-förmiges Bild/ in Stein/Holtz/ Bein oder Metall zu machen vorgenommen/ zuvor in seinem Verstand ihme wol ein-und vorbilden solle/ was er aus zu bilden gedencket: damit an demselben/ so wol die Sinne und Affecten/ als die äusserliche Leibes-stellung/ wol zusammen stimmen/ und einander nicht widerstreben/ und man gleich erstes Anblicks warnehme/ was es seyn soll. Dann anders zeiget sich eine Heroische als eine demütige niederträchtige/ eine alte als eine Junge/ eine fröliche als eine traurige Person/ ein Herr als ein Knecht. An einem jungen Menschen/ muß das Angesicht völlig und angenehm/ der gantze Leib mit seiner Gebärdung vigoros und lebhafft erscheinen: da hingegen ein alter Mann das Antlitz/ samt dem Leibe/ moros und schmächtig zeiget.

2. Ein stehendes nacketes Bild macht die gröste Arbeit: Die vornemste und gröste Arbeit hat er/ wann er wil bilden einen stehenden nacketen Menschen: worinn auch die fütreflichste Künstler sich insonderheit exercirt/ aber meist nicht gefunden/ was sie gesuchet. Dann ein einiges Bild machet sich allein durch die Vollkommenheit gepriesen/ und wirft bald auch den geringsten Fehler/ in die Augen des Anschauenden/ indem es in gerader Proportion da stehet/ und dem Bildhauer durch die gestûs keine Hülffe oder Zier an die Hand giebet: Da

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hingegen etliche beysammen sitzende oder ligende Bilder/ durch ihre verschiedene Stellungen/ nicht Worinn man durch das Nachzeichnen der Natur und des Lebens/ zur perfection gelanget. allein sich selber zieren/ sondern auch die Fehler mehr verstecken. Damit er nun hierin perfect werde/ so dient ihm wol die Natur und das Leben/ wann er aus den Academien ämsig nachzeichnet/ oder auch grosse Bilder in Erde oder Wachs bossiret: massen er/ durch solche Ubung/ die Gestalten seinem Gedächtnus imprimirt und eindrucket. Es dienet auch hierzu/ die Erkäntnus der Anatomie und der Musculen.

3. Auch der Bilder Kleidung/ braucht Aussicht. Doch erfordert nicht minder Vernunfft und Erfahrenheit/ die Kleidung der Bilder: da die grosse erhabene oder quär-Falten/ entweder zuviel bedecken die Glieder/ die notwendig in die Augen fallen solten/ oder zu Entstellung des Bildes zuviel Schatten machen/ daß dann etwan wol auf einer Seite dienet/ aber auf der andern Unform giebet. Dieses zu vermeiden/ haben die Antichen die Leiber dergestalt zart und zierlich mit Gewändern umgeben/ daß die Blösse immer erkenntlich mit hervor gespielet/ und die linde lange Falten dasjenige/ was darunter sich verheelet/ vernünfftig gezeiget/ auch den Augen vergnügliche Ersehung der Gliedmassen gegönnet.

Gute Exempel hiervon. Dieses nun zu erlernen/ dienen die hernach folgende Antiche Statuen, als wahre Lehrsätze und Vorbilder/ von denen man sich sicher kan führen lassen: dann ihre Werckmeister reden aus ihnen als Lehrmeistere/ bey denen alle unsre Vorfahren zur Schul gegangen. Die Sibylla zu Rom im Palazzo de Medices, und hierbey im Blat H, stehet/ als ein vortreffliches Bild/ im Unter- und Obergewand/ und hat in sich reichlich alle Theile besagter Observanz. Die Ceres auf der Platten O stehet in ringfertiger Kleidung/ und mit Vernunft reichlich gezieret. Die Minerva/ von Justiniano, in den Titel-Plat N Hier kann Sandrart nur den Titelkupfer zum Buch über die Malerei der Ausgabe von 1679 meinen. Warum er ihn als »Plat N« bezeichnet ist unklar.Carolin Ott, 09/03/2009 zeigt sich gantz majestätisch/pompos und unverbesserlich. Hingegen ist die Flora/ von Farnese, ein zierlich-und freudiges Feld-bild/ oder Nymfe/ gleichwie auch die Cleopatra in aller Zierlichkeit erscheinet. Also machet die Sibylla Cumana / eine modeste Person vorstellig/ die doch vernünfftig bekleidet ist. In der Ausgabe der »Teutschen Academie« von 1679 befinden sich keine Kupferstiche, die die drei zuletzt erwähnten Skulpturen zeigen. Abbildungen von ihnen waren bereits dem 2. Buch über die Skulptur in der TA-Ausgabe von 1675 beigefügt worden.Carolin Ott, 09/03/2009

4. Regeln von Maß und Proportion der Leiber. Die rechte natürliche Maß und Proportion in des Menschen Gliedmassen/ als einer höchften Notdurfft/ wol war zu nehmen/ dienen nachfolgende Regeln.

Die Antichen/ so wol als die Moderne, haben für einen allgemeinen Lehrsatz gehalten/ daß