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TA 1675, Lebenslauf, S. 3

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SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Der Lebenslauf, den Sandrart entgegen seiner auf Bescheidenheit zielenden Aussage wohl selbst verfasst hat (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 4), erfuhr durch Sigmund von Birken deutliche sprachliche Eingriffe wie aus dessen Korrespondenz und Tagebucheintragungen ersichtlich wird (vgl. Klemm 1995; Laufhütte 1998, S. 25–29; Möseneder 2000, S. 163; Laufhütte 2011). Die im Lebenslauf vertretenen Leitmotive von Geburts- und Kunstadel, von Tugendidealen, den Kontakten mit Herrschern und Gelehrten sowie der Idee einer neuen deutschen Kunst vor dem Hintergrund eines europäischen Lebenswandels stilisieren Sandrart zu einem würdigen Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (vgl. Meier 2004, S. 223–227). Besonders die Qualitäten von Sandrarts Malerei werden durch Georg Philipp Harsdörffer bezeugt (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 19 f.), vgl. dazu Schreurs 2010(c), S. 128–132.Christina Posselt, 16.01.2012Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 631
Ohne Weißheit und Kunst-forschung/ wäre die Erde ein Wald voll wilder unvernünftiger Thiere.WAnn die hoch-erleuchtete Geister sich nicht jederzeit beflissen hätten/ solche Wissenschaften und Künste zu erfinden/ welche nicht allein zu einem wol-geordneten Wandel und tugendlichem Leben erbaulich/ sondern auch zur edlen Ergetzung des Menschlichen Gemütes dienen/ und dadurch sie/ ihren Himmel-ähnlichen Verstand und die mit Göttlicher Weißheit erfüllte Seele hervorlegend/ von der Tummheit des unvernünftigen wilden Viehes unterschieden werden: was würde dieses breite große Erd-Rund anders seyn/ als eine ungeheure struttichte Wildfuhr/ darinn soviel Thiere herumliefen/ als Menschen zur Welt kommen? Und was hätte der Mensch/ das Göttliche Ebenbild/ sich dessen zu berühmen/ daß ihn Gott über Pflanzen und Thiere gesetzet/ wann er dieselben nicht erkennen lernte/ mit seiner ihme von Gott eingehauchten Vernunft die geheimste Oerter der Natur durchwanderte/ und deren verborgenste Sachen aufforschete ausforschete und entdeckte?

Die Kunst-Erfindere/ wurden vor alters vergöttert. Um des willen/ wurden allemal die jenigen/ so etwas solches erfunden/ nicht allein in ihrer Lebens-Zeit/ sondern auch nach dem Tod/ verehret: sogar/ daß die von dem geoffenbarten Göttlichen Wort nicht-erleuchtete Heiden/ solche Erfindere zu Göttern gemacht und angebetet. Dergleichen Götzen waren/ Ceres, Bacchus, Pan, Apollo, Mercurius, Minerva, Diana, Vulcanus, Aeolus, weil sie den Getreid- und Wein-bau/ die Viehzucht/ die Arzney-Kunst/ die Kaufmanschaft und Rede-Kunst/ die Neh-Stick- und Web-Künste/ die Jagt/ das Schmied-Werk/ das Segel- und Meer-fahren/ und mehr anderes/ erfunden haben.

Lob der Mahlerey-Kunst Die gröste Kunst bestehet darinn/ wann man/ gleichwie mit dem Gemüte/ also auch mit der von der Vernunft geführten Hand/ Gott und der Natur nachahmet/ und deren Geschöpfe nachbildet. Dieses verrichtet vor andern/ die Edle Mahlerey-Kunst: und ist darum wol würdig/ daß sie andren Künsten an die Seite gesetzet/ oder wol gar vorgezogen/ werde. Dann/ sie besaet ihr Feld ja so vielfärbig/ als die Natur mit Blumen die Erde. Sie bepflanzet eine Tafel/ mit den schönsten Gewächsen. Alle Thiere/ aller Pracht des Himmels/ der Erde und des Meeres/ muß aus dem Schopf ihres Pinsels/ wie Minerva aus Jovis Gehirne/ hervortretten. Ja sie verschönert alle Dinge/ durch ihr buntes Farb-mängen und angenehmes schattiren. Sie bildet den Menschen in seiner Vollkommenheit/ träget in ein Bild zusammen/ was die Natur unter viele vertheilet/ und verbirget die Mängel/ die diese mit hervor zu bringen pfleget: also wird sie gleichsam ein neuer Schöpfer desselben. Sie gibt

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ihm auch eine wolständige Stellung/ und mahlet ihm das Gemüte an die Stirne. Billig wird sie demnach/ in den Schriften der Weißen/ genennet/ ein Begriff aller Dinge/ eine Schwester der Natur und Folge-Magd der himmlischen Weißheit.

Wir überlassen andern die Bemühung/ daß sie diese Edle Kunst/ aus Africa und Egypten/ auch Assyrien und Babylon/ (deren Mauren/ die große Semiramis, mit schönen Jagten vermahlen lassen) ferner durch Griechenland in Italien/ und von dar in Hoch- und Nieder-Teutschland/ führen. Wir sagen dißorts allein/ daß unser Hoch-Teutschland/ In Teutschland/ ward dieses Kunst-Liecht durch Martis Pulverdampf verdunklet. zwar vorlängst mit seinem fürtrefflichen Albrecht Dürer und dessen Nachfolgern gepranget/ aber nachmals/ durch die leidige Kriegsläufte/ gleichwie fast aller anderer/ also auch dieser Zierde beraubet worden. Adam Elzheimer/ von Frankfurt bürtig/ wolte zwar diese fluchtfärtige Göttin bey dem Rock ergreifen/ an- und aufhalten: er ward aber bald durch den Tod hinweg gerissen/ und sahe man also/ gleichwie die Ubung/ also auch die Liebe dieser Kunst/ bey uns verathemen und verleschen. Die Königin Germania sahe ihre mit herrlichen Gemälden gezierte Paläste und Kirchen hin und wieder in der Lohe auffliegen/ und ihre Augen wurden von Rauch und Weinen dermaßen verdunkelt/ daß ihr keine Begierde oder Kraft übrig bleiben konte/ nach dieser Kunst zu sehen: von welcher nun schiene/ daß sie in eine lange und ewige Nacht wolte schlaffen gehen. Also geriethe solche in vergessenheit/ und die jenige/ so hiervon Beruff macheten/ in Armut und Verachtung: daher sie das Pollet fallen ließen/ und an statt des Pinsels/ den Spiß oder Bettelstab ergreiffen musten/ auch vornehme Personen sich schämeten/ ihre Kinder zu so verachteten Leuten in die Lehre zu schicken.

welches H. Joachim von Sandrart/ wieder hervorgestellet. Das gnädige Schicksel erbarmete sich dieser Finsternis/ und ließe der Teutschen Kunst-Welt eine neue Sonne aufgehen: die die schlummerende Freulin Pictura wieder aufweckte/ die Nacht zertriebe und ihr den Tag anbrechen machte. Dieser ist/ der Wol-Edle und Gestrenge Herr Joachim von Sandrart/ auf Stockau/ Hoch-Fürstl. Pfalz-Neuburgischer Raht: welchen die Natur mit einem solchen Geist begabet/ der nicht anders als leuchten konte/ und/ durch seine Liecht-volle Vernunft-Strahlen/ die der Edlen Mahlerey-Kunst entgegenstehende schwarze Gewölke/ auszuheitern vermochte. Dieser erleuchtete Geist/ nahme wol recht an sich die eigenschaft der Sonne: welche nicht allein leuchtet/ sondern auch mit unverdrossenem Lauf die Häuser des Himmels durchkutschet/ und dieselben erleuchtet. Also Er/ nachdem Er diese Kunst aus dem Grund ergriffen/ durchzoge er ein großes Theil des Welt-Kreises von Europa, setzte/ beydes durch sein herrliches Kunstvermögen und durch seinen

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Der Lebenslauf, den Sandrart entgegen seiner auf Bescheidenheit zielenden Aussage wohl selbst verfasst hat (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 4), erfuhr durch Sigmund von Birken deutliche sprachliche Eingriffe wie aus dessen Korrespondenz und Tagebucheintragungen ersichtlich wird (vgl. Klemm 1995; Laufhütte 1998, S. 25–29; Möseneder 2000, S. 163; Laufhütte 2011). Die im Lebenslauf vertretenen Leitmotive von Geburts- und Kunstadel, von Tugendidealen, den Kontakten mit Herrschern und Gelehrten sowie der Idee einer neuen deutschen Kunst vor dem Hintergrund eines europäischen Lebenswandels stilisieren Sandrart zu einem würdigen Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (vgl. Meier 2004, S. 223–227). Besonders die Qualitäten von Sandrarts Malerei werden durch Georg Philipp Harsdörffer bezeugt (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 19 f.), vgl. dazu Schreurs 2010(c), S. 128–132.Christina Posselt, 16.01.2012Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 631