TA 1679, II (Skulptur), S. 86
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Dies ist ein selbständiger Bericht Sandrarts (vgl. Sponsel 1896, S. 35).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 978
Solchen Ornat, samt andern Reliquien/ hatte weiland Kaiser Carol IV. in dem Böhmischen Alb. Cranzius lib. X. Vandal. cap. ult. Schloß Carlstein/ als an einem sehr vesten Ort/ lange Zeit verwahrt; bis dessen jüngster Sohn/ Kaiser Sigismundus, aus Furcht der Hussiten/ die lang davor gelegen/ und endlich wieder abgetrieben wurden/ länger daselbst nicht getraut: Sondern auf des Pabsts Martini V. Verwilligung und Gutheissen/ von dannen nach Nürnberg/ um mehrerer Sicherheit willen/ zu werden von Prag/ auf Kaiserl Befehl/ dahin gebracht. bringen fernere Anstalt gemacht. Weswegen denn/ auf Kaiserlichen Befehl/ Herr Sigmund Stromer/ und Herr Georg Pfintzing/ Sebalds Sohn/ von hiesiger Stadt nach Prag/ im Jahr 1424. abgeordnet worden:welche die besagten Kleinodien eben am Tag Benedicti, desselbigen Jahrs/ mit grossem Frolocken der gantzen Burgerschafft/ anhero gebracht. Da sie nachmals in St. Sebalds Kirche so lang beygesetzt worden/ bis man in der Spital-Kirche zum H. Geist einen besondern Ort darzu ausersehen; allwo diejenigen Kostbarkeiten/ als ein hochschätzbares Privilegium dieser Stadt/ ewig aufbehalten werden möchten. Dannenhero pflegt der Kaiserliche Ornat, bey bevorstehender Crönung/ unter andern/ mit diesen Formalien überbracht zu werden: Weil Eure Kaiserliche Majestät/ nebenst denen Hochwürdigsten/ Durchläuchtigsten des H. Römischen Reichs Churfürsten/ an unsere Liebe Obern allergnädigst gesonnen/ daß die Ihnen und gemeiner Stadt von denen Glorwürdigsten Kaisern/ und dem gantzen Reich auf ewiganvertraute Reichs-Insignien anhero sollen geliefert werden. etc.
Der Kais. Ornat von Albr. Dürer gezeichnet. Solchen oftbesagten Ornat nun hat Albrecht Dürer mit der Feder/ auf Papier/ sehr sauber und rein nachgezeichnet/ und mit Farben getuscht; wie dieselbige Zeichnung bey dem kunstliebenden Herrn Johann Christoph Harsdörfer/ in seinen Kunstbüchern/ neben vielen andern auch vortrefflichen Kupferstücken/ von den allerberühmtesten/ so alten als neuen Meistern/ in ungemeiner guter Ordnung/ zu seiner Ergetzlichkeit/ zusammen gebracht/ nicht ohne sonderbare Belüstigung annoch zu sehen. Benebenst etlichen andern Büchern/ so mit Handrissen angefüllt; absonderlich aber eines von denen vortrefflichsten alten Italiänern/ Teutschen und Niederländischen/ herrlichsten Stücken/ wol versehen. Aus welchem gebrauchten/ grossen Fleiß/ des Herrn Innhabers wahre Liebe und Gewogenheit zu den Edlen Künsten/ und dero Ubungen/ vortreffliche Blumen Mahlerey Hn. Harsdörfers. gar leicht zu erkennen: Zumal so wir dessen wolbekante Blumen-Mahlerey zugleich an das Liecht stellen/ welche der Natur so ähnlich komt/ daß jedermänniglich seinem Blumwerck das Leben/ mit Loben/ freywillig und gerne gibt. Zugeschweigen so vieler/ natürlicher Blumen/ welche Er/ durch vielmalige Versetzung/ und unverdrossene Pflegung/ dermassen zu vergrössern weiß; daß dergleichen sonst nirgend gefunden/ noch gesehen werden.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Dies ist ein selbständiger Bericht Sandrarts (vgl. Sponsel 1896, S. 35).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 978
Statuen der Griechischen Venus und Rotator, zerbrechen.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Der Bericht über die antiken Statuen gilt als ein selbständiger Bericht Sandrarts (vgl. Sponsel 1896, S. 35). Allein gleichwie an den allerherrlichsten Blumen; also ist auch an denen vortrefflichsten Kunststücken nichts mehrers/ als dero beeden unbeständige Vergänglichkeit fürnemlich zu beklagen: denn nachdem wir oben in der Bildhauer-Kunst/ Cap. I. Bl. 9. von dem Italiänischen Schleiffer oder Rotator, und dessen Figur/ so Mich. Angelo Buonarotti in weissem Marmel ausgebildet/ historischen Bericht erstattet; hat es sich im vorigen Jahre begeben/ daß eben dieser Rotator, samt dem Weltberühmten Venus-Bild/ welches Phidias in Griechischen Marmel gehauen/ von Rom/ aus des Gros-Hertzogen Palast/ de Medices genannt/ abgefodert worden; beede in desselben Kunst-Saal zu Florentz aufzurichten: Allein da diejenigen Statuen angekommen/ befand sichs/ daß die Venus in neun/ der Rotator in vier/ oder fünf Stücke zerbrochen und zerfallen waren.
Welcher grosser Schade um so viel mehr zu beklagen/ weiln es die allerberümteste Statua der Göttin Venus, die Phidias selbst mit grossem Lob zu Athen in dem Tempel bereits dreyhundert Jahr nach Erbauung der Stadt Rom aufgericht/ von allen Monarchen in hohen Ehren gehalten worden/ wie die alte Scribenten davon viel gedacht haben/ nach vielfältig ausgestandenen Kriegen/ Feinden und Feuers-Gefahr in zweytausend Jahren ohne Schaden erhalten blieben. Erst nun bey Friedens-Zeit in Handen deren Eigner solches Kleinod zum Verderben kommen müssen/ auch darum zu bedauren/ weil sonst kein einige recht vollommene vollkommene Statua von dieser Göttin mehr übergeblieben.
Es hat bey meiner Zeit ein Gärtner oder Weinhauer auf dem Weinberg/ genannt Monto Mario bey Rom/ im Graben eine alte Statua von Marmor-Stein/ eines nacketen und stehenden Weibsbildes/ ob wäre es eine Venus, davon das Haupt/ die beeden Arme und Schenckel abgebrochen/ auch nicht mehr zu finden waren/ gefunden/ dieser nacketer Leib war in der Vollkommenheit also vortrefflich/ daß er der obigen Venus das wenig sie nicht nachgeben/ vom Männiglichen höchst gepriesen/ und auf Befelch des Cardinal Richelieu, welcher solchen truncum erkauffen/ durch einen guten Bildhauer völlig restauriren/ von dannen nacher Richelieu und alda in dessen Cabinet neben anderen Raritäten aufrichten lassen/ wie noch alda zu sehen. Sandrarts Bericht über die Auffindung einer antiken Venus weist bemerkenswerte Parallelen zu einer Passage im Tagebuch des Paul Fréart de Chantelou über den Aufenthalt Gianlorenzo Berninis am Hof Ludwig XIV. auf. Im Eintrag des 13. September 1665 lautet es: »Ich erzählte dem Cavaliere, wir besitzen in der Sammlung Richelieu eine Figur von wunderbarer Schönheit, eine Venus, von der allerdings nur der Torso antik sei. Er antwortete prompt, daß er sie gesehen habe, bevor sie nach Frankreich überführt wurde. Sie sei in Puzzolo ausgegraben worden und schöner als die Venus aus der Sammlung Medici. Derartige Meisterwerke müßten in Rom bleiben und er würde ihre Ausfuhr verbieten«; vgl. Chantelou, Bernini in Paris 2006 (Ed. Schneider/Zitzlsperger), S. 153. Bedauerlicherweise kann auch die Venus, die in Chantelous Tagebuch erwähnt wird, nicht eindeutig identifiziert werden; vgl. Montembault/Schloder 1988, Kat.-Nr. 10, S. 173 f.
Sonsten seyn zwar die Päbstliche Mandaten scharff wider diejenige/ welche einige antiche-Statuen aus Rom zu verführen sich unterstehen/ weil anderst um Geld das meiste verkaufft würde/ wordurch diese Stadt ob dem allerruhmwürdigsten entblöst gemacht wurde/ und kan anderst nicht geschehen/ als durch expressè Erlaubnus von Hof.
Der römische Kunstagent Pompeo Frangipani war spätestens ab dem Jahr 1629 mit dem Erwerb antiker Skulpturen für die Sammlung des Kardinals Richelieu beauftragt (vgl. Montembault/Schloder 1988, S. 40–42). Am 3. März 1633 autorisierte die päpstliche Regierung die Ausfuhr von 60 Statuen, zwei Köpfen, 60 Büsten und fünf Vasen, die im Laufe des Jahres in Richelieu ankamen (Montembault/Schloder 1988, S. 33).
Vermutlich erfuhr Sandrart von dem umfangreichen Erwerb antiker Skulpturen für Kardinal Richelieu und der päpstlichen Ausfuhrgenehmigung, als er sich in den Jahren 1629–35 in Rom aufhielt. Ein Besuch Sandrarts in Richelieu ist jedenfalls nicht belegt.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Der Bericht über die antiken Statuen gilt als ein selbständiger Bericht Sandrarts (vgl. Sponsel 1896, S. 35).