TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 190
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Die Vita Caravaggios ist weitesgehend von Sandrart selbst verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 14), einzelne Einschübe nach van Mander sind im Text gekennzeichnet.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 403
Nova, die Grablegung Christi/ worvon ich eine gute Copia zeigen kan: Al Santo Augustino, unser liebe Frau mit dem Kindlein JEsus/ das von zweyen knienden Pilgramen angebetet wird; Zu Antorf ist in der Dominicaner-Kirch ein großes Blat/ wie S.Domenico den Andächtigen den Rosen-Kranz austheilet/ und ferner eben daselbst unser lieben Frauen Verscheidung in beyseyn der meisten Aposteln/ so gleichfalls ein sehr großes Werk ist.
Ein sehr guter Cupido von seiner Hand. Nachmalen mahlte er für unserer Kunst Vatter/ Marches Justinian, einen Cupido in Lebens-Grösse/ nach Gestalt eines ohngefehr zwölffjährigen Jünglings/ sitzend auf der Welt-Kugel/ und in der Rechten seinen Bogen übersich haltend/ zur Linken allerley Kunst-Instrumenta In der lateinischen Ausgabe sind es bei der Beschreibung des »Amor als Sieger« nicht künstlerische, sondern mathematische Instrumente (»instrumentis mathematicis«, vgl. Sandrart, Academia 1683, Kap. XIX, S. 181)./ auch Bücher zu Studien und ein Lorber-Kranz auf den Büchern/ Cupido hatte nach seiner Gestalt grosse braune Adlers-Flügel/ alles zusammen in Corectura gezeichnet/ mit starker colorit, Sauberheit und solcher Rundirung/ daß es dem Leben wenig nachgegeben. Dieses Stuck ware/ neben andern hundert und zwanzigen von den fürtreflichsten Künstlern gemacht/ in einem Zimmer und offentlich zu sehen/ aber es wurde auf mein Einrahten mit einem dunkelgrün seidenen Vorhang bedeket/ und erst/ wann alles andere zu Genüge gesehen worden/ zu lezt gezeigt/ weil es sonsten alle andere Raritäten unansehentlich gemacht/ so daß es mit guten Fug eine Verfinsterung aller Gemälden mag genennet werden/ dernthalben beliebte es auch einem fürnehmen Cavallier so wol/ daß er/ in Beyseyn unserer vieler/ 1000. Pistoleten dafür offerirt; aber unser Patron, welcher jährlich in die 80. biß 90000. Cronen mehr Einkommens gehabt/ als was er jährlich (da doch an Kunst-Sachen grosse Summa aufgegangen) verzehrt hat/ wie ich ihme dieses Erbieten/ in deme er am Podagra krank gelegen/ vorgetragen/ und eine Antwort begehrt/ darüber gelächelt und gesprochen/ Dite â questo Corteggio Cavallier che se egli mi puol Far acquistar un altro quadro di questa sostanza, gli ne pagerò il doppia Cio è 2000. Pistole, blieb also der Kauf zuruck; und das Lob der verlangten Kunst-Volkommenheit/ bey diesem so hoch berühmten Cupido des Marchesen Justinian, er brachte auch durch dieses Werk zuwegen/ daß ihme wieder erlaubt wurde/ frey auf den Strassen zu handeln und zu wandeln/ dessen er sich dann gleich mit seinen jungen Leuten/ meist keker herzhafter Gesellen/ Mahler und Fechter/ die sich wol des Sprichworts/ nec spe, nec metu, ohne Hoffnung und Furcht/ bedient Diese Devise verweist auf eine neostoizistische Grundhaltung und mag deshalb von Sandrart hier eigens angeführt worden zu sein. Der Ausspruch wird von Justus Lipsius in seiner Schrift De Constantia (Antwerpen 1584) verwendet und im Zusammenhang mit der notwendigen Freiheit der Herrscher von Affekten zum Leitsatz einer standhaften und damit vorbildlichen Herrschaft erklärt; vgl. Müller Hofstede 1992, S. 383..
Bald darauf geschahe es/ daß Joseph d’Arpin zu Pferd nach Hof geritten/ und ihme Michael Angelo da Caravaggio begegnet/ der ihn dann alsobald anredte und zuschrie: Es wäre nun eben die rechte Zeit/ ihren alten Streit mit dem Degen gegeneinander auszumachen/ weil sie beede mit Gewehr versehen/ er solte nur fein bald von Pferd herunter steigen/ und machte sich also zum rauffen färtig. Joseph aber antwortete/ daß ihme/ als vom Papst gemachten Cavalier nicht gezieme/ sich in Streit einzulassen
gegen einem/ der kein Cavalier seye/ mit welchem höflichen Streich und Antwort er den Caravaggio mehrer verwundt/ als mit seinem Degen hätte geschehen mögen/ indeme solche Rede Caravaggio also bestürzt und verirzt gemacht/ daß er alsobald (weil er nicht auszusetzen gedacht) alles das Seinige den Juden um paar Geld verkaufft/ Wird Ritter von Malta. und sich nacher Malta zu dem Großmeister begeben/ mit dem Vornehmen/ auch bald Ritter und Cavalier zu werden
Caravaggio wurde in Neapel nach seiner Flucht aus Rom wegen der Ermordung Ranuccio Tomassonis am 14. Juli 1608 als Ritter in den Malteserorden aufgenommen. Bereits im Dezember desselben Jahres wurde er jedoch wieder aus dem Orden ausgeschlossen, nachdem er aus dem Gefängnis (wo er aufgrund einer erneuten Tätlichkeit einsaß) geflohen war; vgl. Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 841, Anm. 461,26.; massen er generos wider den Türken seine Caracannen vollbracht/ auch allda die Enthauptung des H. Johannis Baptistae/ die daselbst zu Malta in der Kirche steht/ und sehr verwunderlich ist/ weil selbige die wahre Natürlichkeit scheint/ mit noch wenig andern Gemälden gemacht. Als er nun zum Ritter geschlagen worden/ hat er gleich darauf nacher Rom stark zugeeilt/ um vorhabenden seinen Rauffhandel mit dem von Arpin auszumachen; diese Eile aber hat ihm ein hitziges Fieber verursacht/ und ist er eben zu Arpin, wo sein Widersacher geboren/ der sich auch deshalben von selbigem Ort schreibet/ erkranket ankommen und gestorben; sein End wurde von allen fürnehmen Häuptern in Rom beklaget/ weil er noch viel Gutes in dieser Kunst hätte mögen an Tag bringen. Sein Contrafät ist in der Kupferblatte S. zu finden
In der lateinischen Fassung ergänzt Sandrart: »in debitum ipsius honorem, quod in totam artem pictoriam majorem introduxerit veritatem« (vgl. Sandrart, Academia 1683, Kap. XIX, S. 181)./ und hat er von Discipeln/ die in unserer Beschreibung nachfolgende hinterlassen.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Die Vita Caravaggios ist weitesgehend von Sandrart selbst verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 14), einzelne Einschübe nach van Mander sind im Text gekennzeichnet.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 403
SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Die Vita Manfredis wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 14).LXXXIII. BARTHOLOMEO MANFREDI, Mahler.DEs Caravaggio guter Manier hat sehr fleissig nachgefolgt und angenommen ein Mantuaner/ genannt BARTHOLOMEO MANFREDI, so daß wenig Unterschied erschienen; Er imitirte das Leben mit großer Warheit
In der lateinischen Ausgabe »sehr lebendig« (»viventium magnitudine«, vgl. Sandrart, Academia 1683, S. 181)./ und mahlte meist halbe Figuren in Lebens-Größe/ begabe sich auch absonderlich auf Ausbildungen der Conversationen Spielen/Gastungen/ Soldaten und dergleichen vollkommenen Werken/ deren viel zu sehen gewesen/ aber meist nacher Holland zu den Kunst-liebenden Koymann in Amsterdam/ wie Leget sich auf grosse Stuck. auch in Frankreich und hin und wieder durch Italien verführt worden/ welche alle mit großen Fleiß und wol gemahlt/ auch dem Leben nach gleich geendet seyn/ von diesen waren zu Rom bey unserm Patron Justiniano zu meiner Zeit zwey Stuck
Von den Werken Manfredis, die sich in der Sammlung Giustiniani befanden, ist die heute in Cremona befindliche Darstellung Christus erscheint Maria identifiziert worden (vgl. Danesi Squarzina 2003, Bd. I, Nr. 135, S. 318 f.; Kat. Berlin/Rom 2001, S. 318. Kat.-Nr. D17; Hartje 2004, S. 367–369, Kat.-Nr. A36). Fraglich ist hingegen die Identifikation des im Giustiniani-Inventar genannten Heiligen Hieronymus mit der Fassung in der Galleria Nazionale d’Arte Antica di Palazzo Corsini (vgl. Hartje 2004, S. 374 f., Kat.-Nr. C1)./ und andere bey dem Cardinal Verrospe, diese letzte drey waren spielende Conversationen/ darinn zwey Zigeinerinnen einer Courtisana aus der Hand Le Bonne auventure, oder zukünftiges Glück wahrsagen/ da immittelst ein junger Zigeiner den Geld-Beutel hinterwerts aus dem Sack eines Spielers gar artig heraus ziehet. In einem andern Gemähl sind ganze Bilder/ wie Hercules in der Hölle dem auf der Erden an Ketten geschmidten/ und in Verkürzung ligenden/Titio seine eiserne Bänder zerreisset und ihn erlediget/ zu Trutz des dabey gebildten Cerberus, welches alles mit grosser Verwunderung zu sehen/ und billich hoch gelobt und gepriesen wird/ sonst ist mir von seiner Geburt/ Leben und Wandel nichts mehrers bewust/ als daß sein Lebens-Wandel sehr mundano gewesen/ so ihn auch zu dem frühzeitigen Tod befördert.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Die Vita Manfredis wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 14).