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TA 1679, II (Skulptur), S. 5

Linke Spalte

Länge. ein Bild haben soll 9 Kopffslänge: welche sie also austheilen/ daß der Hals von der Gurgel anfange/ und des Fusses Höhe ein Theil/ das übrige Bild aber acht Theile machen/ darvon den Beinen zweye zukommen/ der Raum vom Knie bis zum Zeug-oder Geburtsglied auch so viel/ und von dar über den Leib hinauf bis an das Halsgrüblein drey Theile/ und endlich vom Kinn bis auf die Haarwachse der Stirn der neunte/ sey.Solcher gestalt ist/ die Länge des stehenden Bildes/ abzumessen.

Wann ein Mensch beyde Arme ausstrecket/ kan er soweit reichen/ als lang er ist. Die Arme sind/ bis zur Faltung an der Hand/ drey Köpffe Breite. lang. Die Breite des Leibes aber ist/ von der lincken bis zur rechten Achsel/ zween Köpffe/ und von einer Hüffte zur andern zwo Angesichts-Länge. Aber an den Frauenbildern/ wollen ingemein die Achseln etwas schmäler/ und die Hüffte etwas breiter seyn/ auch deren Leiber völliger und rundgewölbter. An den Kindern/ sind die Grüblein und Falten auf den Armen/ Knien und Elnbogen/ zu beobachten. Unserer drey Frauen/ der Gratien/ schönste und zierlichste Gestalt/ kan allem diesem zum Exempel dienen.

Es werden aber auch kürtzere und längere Bilder gemessen/ und soll/ den vornehmsten in einem Werck/ iedesmal etwas mehrers in der Länge zugelegt werden. Viele haben zuweilen/ wol zehn bis ellf und zwölf Kopff-länge/ einem Bild zugemessen. Unser arbeitsamer Albrecht Dürer hat hiervon in etlichen seinen Büchern Meldung gethan/ aber sehr weitläufftig und mit sehr viel kleiner Maß seine Gedancken eröffnet.

5. Vernünftiges Augenmaß/ ist das beste. Ein vernünftiges Urtheil und gutes Augenmaß/ mus hiebey das beste thun und angewohnet werden. Dann wann schon ein Bild am gerechtsten in der Maß bestehet/ und aber den Augen misfället/ bleibet es doch verworffen: So wenig ein Mensch angenehm ist/ der keine Gratie hervor scheinen lässet. Das Messen ist zwar der Weg/ wodurch man zur rechten Proportion und Gestalt der Figuren gelanget. Aber das Aug und des Verstandes Urtheil hat den Ausschlag zu machen/ daß die Annehmlichkeit der Zierde und Vollkommenheit erfolge. Oftmals grosse Figuren aus Lehmen/ Gips/ oder Wachs/ nach den Regeln bilden und possiren/ das leitet zur Vollkommenheit/ Man muß auch ein gelehrter Bildhauer seyn. neben Lesung guter Autoren: Das dann die Gedächtnis mehret und den Verstand schärffet. So muß man dann sich befleissen viel in guten Autoren zu Lesen/ um nicht allein ein guter/ sondern auch ein gelehrter/ Bildhauer zu werden.

SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Die Ausführungen zu den antiken Skulpturen, die in den beigefügten Kupferstichtafeln A–Qq zur Darstellung kommen, wurden von Sandrart verfasst. Oftmals enthalten sie Angaben über Sandrarts persönliche Kenntnis der Stücke sowie Erklärungen für die Aufnahme in das Stichwerk. Für die Deutung der dargestellten Personen und weiterführende Informationen zu diesen griff Sandrart zweifellos auch auf andere Autoren zurück (vgl. Sponsel 1896, S. 33).Carolin Ott, 10.07.2012Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 882
Wir wollen nun mit den Augen und Gedancken/ wir im ersten Haupt Theil dieser Academie, durch Rom spatziren/ und/ worzu damals die Zeit zu kurtz worden/ die Kunst-Bilder der alten fürtrefflichsten Griechen und Römer von dieser Profession, beschauen und bewundern.

A. Marcus Aurelius.

Kais. Marc Aurelii Ritter-Bild auf dem Tittel DIe Bildnus Marci Aurelii zu Pferd/ ist von einem alten vortrefflichen Meister/ in mehr als Lebens-Grösse/ aus Metall gegossen worden/

Rechte Spalte

und wird der Zeit zu Rom/ mitten auf dem Platz des Capidoglio, prächtigst auf einen schönen piedestile gesehen. Dieses Pferd und Bildnus ist von so sonderbarer Arbeit/ daß dergleichen gar wenig weder von alten/ noch von neuen Meistern vorhanden: und mag es in Warheit/ vor ein rechtes Muster eines schönen wol-proportionirten Pferdes gehalten werden. Dannenhero zu der Gothen Zeiten/ als selbige die Stadt Rom/ neben allem dem/ was an Kunst-Sachen von Marmor und andern Steinen darinn zu finden gewesen/ verheeret und zu boden gerissen/ die metalline Kunst-Stucke aber in den Tiegel geworffen und zerschmeltzet: hat doch ihrem König dem Totilae, dieser Marcus Aurelius zu Pferde/ dermassen wolgefallen/ daß er solches nacher Sweden zu übersenden eingeschiffet/ und bereits in den Seehafen Ostia gebracht hatte. Als aber Käis. Justiniani bekandter Feld-Obrister Belisarius, die Gothen wieder aus Italien und Rom vertrieben/ und ihnen die Beute theils wieder abgenommen/ hat er auch diesen Marcum Aurelium zuruck nach Rom bringen/ und auf den Platz S. Johann von Lateran bringen lassen. Pabst Paulus III ließ ihn nachgehends auf dem Capidoglio aufrichten/ allwo er noch bis auf diesen Tag stehet/ und zu sehen ist. Als/ zu meiner Zeit/ bey gehaltener Academia in Rom/ von gutem und künstlichem Metall-giessen einige Reden gefallen/ und gegenwärtigeStatua für ein Wunder-Exempel dessen angezogen worden/ hat solches den kunstreichen Des Autoris curiosität in dessen Abzeichnung. Francesco du Quesnoy und Mich dahin bewogen/ das wir selbst hinauf gestiegen/ und durch genaues Nachforschen so viel befunden/ daß das gantze Werck vom Guß dermassen nett und sauber hervorgekommen/ daß an demselben nichts (ausser der Nägel/ welche im Giessen die Sehl gehalten) überfeilet/ auch sonst das gantze Bild/ samt dem Pferd/ alles in gleicher Dünne/ und nicht über einen Reichsthaler dick gewesen: Welches wir dann mit Verwunderung gesehen/ und daher billich diese Statue für ein vortreffliches Stuck der Bildhauerkunst gehalten.

B. L. Annaeus Seneca.

L. Annaeus Seneca. L. Annaeus Seneca, war ein Hispanier aus der Stadt Corduba gebürtig/ und des tyrannischen Käysers Neronis Praeceptor. Was er für ein hochberühmter und vortrefflicher Mann und Philosophus gewesen/ das zeigen seine hocherleuchtete sehr gelehrte hinterlassene Schrifften/ welche er zum Theil diesem Wütrich zur Lehre/ daß er sich daraus bessern möchte/ geschrieben. Von Käys. Claudio ward er nach Corsica bannisirt, da man ihn mit Julia , des Germanici Gemahlin/ verargwähnet: Da er acht Jahre gesessen/ und sein Exilium auf die Studia wol verwendet. Als er nach Rom wiedergekehrt/ ward er alsobald Praetor, da er vorher auch Quaestor gewesen. Er war und wurde auch sehr reich. Doch hat ihn Ehre und Reichthum nicht hohfärtig/ und der Hof nicht zum Schmeichler gemacht. Sonst war er ein Stoicus, lebte genüglich und unsträfflich.

Sandrart (Fortsetzung auf einer folgenden Seite)Informat. zur Quellenmarkierung
Die Ausführungen zu den antiken Skulpturen, die in den beigefügten Kupferstichtafeln A–Qq zur Darstellung kommen, wurden von Sandrart verfasst. Oftmals enthalten sie Angaben über Sandrarts persönliche Kenntnis der Stücke sowie Erklärungen für die Aufnahme in das Stichwerk. Für die Deutung der dargestellten Personen und weiterführende Informationen zu diesen griff Sandrart zweifellos auch auf andere Autoren zurück (vgl. Sponsel 1896, S. 33).Carolin Ott, 10.07.2012Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 882