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TA 1680, Iconologia Deorum, S. 87

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seyn pflegen: haben Nasenlöcher wie ein Mensch/ Kiefen unter den Ohren/ ein verschnitten breit Maul/ Thier-Zähne/ graue Augen/ Gelencke an den Händen gleich den Menschen/ Nägel so den Auster-Muscheln gleich; am übrigen gantzen Leibe sind sie mit kleinen Schuppen bedeckt/ und am Ende wie ein Fisch gestaltet/ denen Hintertheilen der Meer-Schweine nicht ungleich. Von diesen/ wie auch denen Wasser- und Brunnen-Göttinnen/ Sirenen. sind die Sirenen nicht viel unterschieden: dann Selbige haben/ wie die Poeten dichten/ biß an den Nabel eine Weibs-Gestalt, unterhalb deß Leibs aber sind sie den Fischen gleich. Einige setzen noch hinzu/ daß sie mit Flügeln und Hüner-Füssen sind deß Acheolus Achelous und der Calliope Töchter gewesen. versehen seyen. Man schreibet/ sie seyen deß Achelous und der Calliope drey Töchter gewesen/ deren eine sang/ die andere auf der Flöte pfiffe/ die dritte auf der Viole spielte/ welches zusammen eine solche Harmonie gab/ daß sie die armen Schiffleute leichtlich an sich lockten/ und an eine Klippen in Sicilien/ allda sie sich aufhielten/ anschlugen: Als sie sich aber vom Ulysses verachtet gesehen/ indem er daselbst vorbey reisend sich an den Mastbaum binden lassen/ und seinen Geferten die Ohren mit Wachse verstopfft/ daß sie ihren Gesang nicht hören möchten/ haben sie sich Augenblicklich in das Meer gestürtzt. Und daher mag vielleicht auch geschehen seyn/ daß man von ihnen gesagt/ sie seyen unterhalb deß Leibs in Fische verwandelt worden. Servius Sirenen sollen Vögel gewesen seyn. will/ sie seyen keine Fische/ sondern Vögel gewesen: wie auch Ovidius sie vor der Proserpina Gefertinnen ausgegeben/ die/ nachdem sie Pluto entführt hatte/ in dergleichen Unthiere sollen verwandelt worden seyn/ also daß sie zwar weibliche Angesichter und Brüste behalten/ im übrigen Theilen aber denen Vögeln gleich gesehen. Svidas erzehlet/ daß die Sirenen/ nach Ausweisung der Gedichte oder Fabeln/ Vögel gewesen/ mit schönen weiblichen Angesichtern/ die hätten überaus lieblich singen können; es seyen aber auch in Warheit einige Klippen gefunden worden/ welche/ wann das Wasser an sie gestossen/ ein solch lieblich Geräusch und Sausen von sich gegeben/ daß die Schiffleute/ durch solche Lieblichkeit gereitzt und bethört/ die Schiffe dahin gelencket/ und also an dem Felsen scheidern und zu Grunde gehen müssen. So sagt auch Plinius/ wann er von dergleichen erdichteten Vögeln redet/ man habe davor gehalten/ es seyen einige Vögel in Indien gewesen/ welche durch ihren lieblichen Gesang die Menschen in einen Schlaf gebracht/ und sie alsdann zu fressen gepfleget. Es mögen aber gleich diese Sirenen Was die Sirenen bedeuten. Fische/ oder Vögel/ oder etwas anders gewesen seyn/ so ist doch gewiß/ daß es ein erdichtetes Wesen sey/ wordurch einige die Hürische Schönheit und alles unziemliche Anreitzen andeuten wollen/ welche durch ihr liebliches Singen die Verliebte fangen/ und endlich verschlingen: Dann die/ so sich unbehutsam halten/

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und von der Huren schmeichelhafften Geberden deß Verstandes und der Gesundheit berauben lassen/ werden endlich/ nachdem sie alles das ihrige verzehrt/ in die eusserste Armut gestürtzet. Dannenhero Buccatius erzehlt/ daß die Alten von den Sirenen gedichtet/ als ob sie in sehr annehmlichen/ iedoch mit Todtenbeinen bestreueten Wiesen sich aufhielten/ dardurch das eusserste Verderben/ so auf ein leichtfertig Klippen der Sirenen. Leben zu erfolgen pfleget/ anzudeuten. Beym Virgilius werden der Sirenen Klippen ebenmässig von vielen Menschen-Gebeinen weiß/ und sehr hoch und gefährlich beschrieben: Aber Xenophon hat hiervon eine andere Meinung: dann er im Buch von den Reden und Thaten deß Socrates dahin gehet/ daß die Sirenen deren Lob auzusbreiten pflegen/ die am würdigsten sind/ ihrer Tugend halber gepriesen zu werden; und deswegen werde beym Homerus von ihnen gedichtet/ daß sie vom Ulysses gerühmet haben/ er sey in Warheit deß gantzen Griechenlandes Zierde; und dieses sey das Band der Bezauberung und Verblendung/ wordurch sie deren Liebhaber an sich zu locken pflegten; dann wann dieselben das Lob der jenigen Tugend/ in welche sie verliebt sind/ vernehmen/ so werden sie hefftiger auf sie erpicht/ streben ihr weit ernstlicher nach/ und folgen daher der angenehmen Stimme ihres Lob-Ausruffers desto embsiger. Aus dieser Ursach mag vielleicht geschehen seyn/ daß sie/ Sirenen-Insuln. wie Aristoteles im Buch von wunderbaren Dingen bezeuget/ in einigen Insuln/ die Sirenen genannt/ welche an den Gräntzen der Landschafft Italien gelegen/ Tempel und Altäre Namen der Sirenen. verdient/ und von den Innwohnern Göttlich verehret worden: deren Namen sind gewesen Parthenope/ Leucosia und Ligia.

Nunmehr wenden wir uns auch zu andern Scylla. Göttern oder Meer-Wundern. Homerus dichtet/ daß die Scylla in einer finstern und furchtsamen Höhle wohne/ pflege auf Art der Hunde ein erschreckliches Gebelle zu machen/ habe zwölff Beine/ sechs lange Hälse/ sechs Köpffe und drey Reigen Zähne/ aus welchen der ärgste Gifft zu tropffen scheine; die Köpffe strecke sie immer übers Meer/ und sehe sich von den Felsen umb/ ob nicht ein Schiff daher komme/ daß sie aus demselben nur so viel möge zum Raube bekommen/ als sie Köpffe habe; und eben so viel habe sie von deß Ulysses Geferten bekommen. Wann Helenus beym Virgilius/ im III. Buch Aeneidos, dem Aeneas den Lauff zeiget/ welchen er halten solle/ erinnert er ihn/ die zwey greuliche Unthiere/ die Scylla nämlich und Charybdis/ ernstlich zu vermeiden/ indem er saget:

Dextrum Scylla latus, laevum impli- cata Charybdis
Obsidet: atque imo barathri ter gur- gite vastos