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TA 1679, Metamorphosis, S. 30

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habe/ daß man ihn überall in hohen Ehren gehalten. Und dieweil er auch die Wunden/ mit einer glücklichen Hand/ geheilt/ habe er von dem Was Chiron bedeute. Worte Cheir, welches eine Hand bedeutet/ den Namen Chiron empfangen. Ihme wird auch sonsten/ zu seinem Lobe/ nachgerühmet/ daß er der erste gewest/ der die Menschen Gerechtigkeit gelehrt/ und die Art oder Weise des Gerichts/ die Form des Eydschwerens/ wie auch die Zeit der Opffer- und Festtäge angewiesen. Diana lehrte ihn auch/ als er in der Wildnus wohnte/ die Jägerkunst. So konte er auch dermassen künstlich auf der Harffen spielen/ daß Staphylus sagt/ er habe verschiedene Krancke dardurch wiederum zur Gesundheit bracht. Ebenmässig hatte er auch/ mit der Nymphen Chariclo/ eine Tochter/ welche er/ an dem Ufer des Flusses Caicus/ gezeuget/ und sie/ nach desselben schnellem Lauffe/ Ocyrrhoen genennet. Von Occyrrhoe des Chirons Tochter. Von dieser finden wir/ in unserm vorhabenden Texte/ daß sie prophezeyen oder weissagen können: und weil sie den Gott Aesculapius/ bey ihrem Vatter/ auferziehen sahe/ verkündigte sie ihm zuvor/ daß er/ durch seine Artzney/ Todten auferwecken/ von seinem Großvatter aber/ wegen eines wiederauferweckten Leibes/ durch den Blitz gerührt werden/ und hiedurch die Krafft solches weiter zu thun/ verlieren solte. Nun hatte er/ als bereits erwähnt worden/ des Minos Sohn erweckt: Auch bracht er/ wie/ in unsern 15ten Buch/ zu lesen seyn wird/ den Hippolytus wieder ins Leben: worüber/ als Virgilius/ im 7ten Buch Aeneidos/ sagt/ Jupiter ergrimmet/ daß ihm jemand in sein Amt eingreiffen/ und solche Macht haben solte/ ihn durch einen Donnerstrahl umgebracht. Wiewol einige sagen/ daß dieses Todtenauswecken allein dahin zuverstehen sey/ daß/ er solche Leute und Kranckheiten gesund gemacht und curirt habe/ da man aller Dings keine Hoffnung zum Leben mehr gehabt: weswegen Des Aesculapius Tod wie und warum? sich Pluto beym Jupiter beklagt habe/ daß er seine Nahrung verliere/ und sein Reich zu Grunde ginge; darauf Aesculapius von einem Donnerstrahl gerührt worden seye: und dieses solte/ kurtz vor dem Trojanischen Kriege geschehen seyn. Als nun Apollo/ über dieses seines Sohns Tod betrübt gewesen/ und deswegen viel Thränen vergossen/ wären dieselben/ nach Erzehlung des Apollonius/ in seinem 4. Buch von der guldnen Vließreise/ alle in Agtstein verwandeln worden. Ferner prophezeyte Ocyrrhoe ihres Vatters Chirons Tod/ und daß er/ da er doch unsterblich war/ sterblich zu seyn/ wünschen würde. Zugleich verfluchte sie auch die Wahrsagerey/ wormit sie die Götter dermassen erzörnte/ daß sie/ durch den ergrimmten Jupiter/ in ein Mutterpferd verwandelt wurde; Wofür des Chirons Gebet zu dem Apollo nichts helffen mögen. Damit wir aber diese Fabel zu Ende bringen/ so soll nachgehends diese Prophezeihung über den Chiron erfüllt worden seyn. Und schreibet man/ daß Hercules bey ihm die Sternkunst gelernet/ und als er einige Zeit hernach/ in Durchreisung des Landes/ bey ihm zur Herberge gelegen/ habe Chiron seines Gasts Pfeile/ so mit Gifft/ und mit dem Blute der Lernäischen Wasserschlange bestrichen gewesen/ besehen/ und sich unversehens einen darvon in den Fluß fallen lassen/ der

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ihme einen unglaublichen Schmertzen verursachet; weiln er aber von einem unsterblichen Vatter gezeugt Von Chirons Tod oder Veränderung. war/ habe er nicht ersterben konnen; dannenhero er endlich die Götter gebeten/ daß sie ihm die Gnade thun wolten/ daß er seyn Leben möchte enden können. Und dieweiln er solches/ von dem Jupiter/ erlangt hätte/ wäre er/ als Hyginus/ in seinem Buch von den Sternen/ zeuget/ an den Himmel unter die Sterne gestellt; und also in eines der zwölff Himmlischen Zeichen verwandelt worden: wie er dann annoch den Namen dieses Pfeils behalten/ indem er mit einem/ aus der Wunde gezogenen/ und gleichsam vorgezeigtem Pfeile/ abgebildet wird. Wiewol auch sonsten noch andere Erzehlungen von seinem Tode vorkommen; als/ daß er die Wunde/ mit Kräutern und Aschen/ geheilet/ etc. welches alles wir aber alhier willig übergehen/ und nur sehen wollen/ was uns/ durch diesen Chiron/ vorgehalten werde.

Natürliche Auslegung über Chiron und Phylira Erstlich ist Chiron ein Sohn des Saturns und der Philyra/ und wird gehalten für einen Erfinder der Leibs- und Wund-Artzney/ welche Erkäntnus von der Zeit und der Erfahrung ihren Ursprung hat. Dann Saturnus anders nichts ist/ als die Zeit. Der Mutter Namen kan man/ aus zweyen Griechischen Wörtern/ ziehen; deren erstes ist Philé, und bedeutet eine Freundin; das andre Peîra, die Erfahrung. Also daß der Wund-Heilkunst Mutter sey/ Philyra oder Phileira/ wann man nun einen Buchstaben wegnimmet/ und/ aus Ursprung oder Anfang der Medicin zweyen einfachen/ einen doppelten machet/ hat man Phileira. Die Ocyrrhoe war seine Tochter/ weil die Heilkunst der schädlichen Feuchtigkeit gemeiniglich den Weg und Ausgang öffnet/ wordurch das unreine Eiter desto leichter und geschwinder sich ablösen und ausfliessen kan: Dann das Wort Ocyrrhoe ein schnelles fliessen bemerket/ welches zur Heilung der Wunden sehr dienlich und behülflich ist. Dann der vornemste Theil der Wundheilung oder Genesung ist/ daß man die böse feuchte Materie wol auslöse und beyseits raume. So ist auch nöhtig/ zur Gesundheits-Beständigkeit/ daß unsere Leiber/ durch Mässigkeit/ und ein gut ordentlich Leben/ von aller unreiner/ überflüssiger Feuchtigkeit befreyet werden: Da dann der Lauff unsers Lebens/ desto leichter fallen wird. Und dafern die Leiber inwendig darmit überladen sind/ muß man/ durch gehörige Mittel/ eine Oeffnung zum Ausgange machen. Daß Chiron/ halb ein Mensch/ und halb ein Pferd/ zeiget theils an/ daß er das Volck/ so um ihn her wohnete/ die Pferde bereiten gelehrt; theils auch/ weil er/ als oben erwähnt/ so wol Menschen/ als Pferde und ander Vieh zu heilen pflegen/ und also beyden geholffen. Daß man sagt/ sein Vatter und Mutter wären unsterblich gewesen/ mag darum geschehen seyn/ weil die Erkäntnus dieser Kunst unendlich ist/ und/ von des Menschen Geiste/ zur Vollkommenheit noch niemaln gebracht werden können. Daß er endlich/ nach einer grossen Anzahl Jahren/ zu sterben gewünscht/ hat vermuthlich diesen geheimen Verstand/ daß alle Wissenschafften und Künste/ in dieser Welt/ mit verlauffender Zeit/ abnehmen/ veralten/ und zu Grunde gehen/ oder zum wenigsten sich verringern und verändern. Zu