TA 1679, Metamorphosis, S. 7
Eben dieses unterweiset auch den Menschen/ wie er seine Sinne und Gedancken von allem sündlichen Ankleben/ verächtlicher/ lasterhaffter/ schnöder/ ungerechter/ unbeständig- und vergänglicher Dinge abwenden/ und zu dem/ was tugendhafft/ löblich und ehrlich ist/ empor schwingen müsse/ damit er einem so herrlichen Bilde und edlen Natur/ durch die bestialische Verstellung sein selbst in ein unvernünftiges Wesen/ keine Unehre noch Gewalt anthue. Dann ob er wol mit Eitelkeit umfangen/ als ein Pilgrim oder Wandersmann/ oder unter wandelbaren/ veränderlichen und verächtlichen Dingen/ als wie ein Gefangner/ und zwar eine sehr schnelle und flüchtige Zeit/ wandelt: soll doch unterdessen sein höchstes Anligen und Verlangen nach derjenigen Freude stehen/ daß er dermaleins mit dem innwendigen Menschen/ durch die unwandelbare Thür/ zu der ewig-ruhigen Wohnung des süssen Olympus (oder Himmels) eingehen möge: auf daß/ gleichwie er das Himmlische/ das ist/ die verständige Seele/ in die Erde getragen; er auch die Erde nun wiederum in den Himmel tragen und aufführen möge.
Gemeldter unser Poet führet/ in seinen Gedichten/ den Prometheus ein/ welcher den Menschen von Thon oder Erde/ mit Fließ-Wasser vermischt/ gebildet haben solte: dannenhero uns denn allhier vonnöthen zu wissen/ wer dieser Prometheus gewest seye ?
Von dem Prometheus.
PRometheus war einer von den Titanen/ (worvon wir hernach reden werden) und ein Sohn des alten Japetus/ seine Mutter ist annoch ungewiß/ und unter den heidnischen Scribenten disfals keine Einhälligkeit/ ob es die Nymphe Asia/ Asope/ oder Themis/ oder (nach des Hesiodus Vorgeben) Climene/ eine Tochter des Oceans/ gewest sey. Seine Brüder waren Epimetheus/ Atlas und Menoetus. Unter andern Kindern/ hatte er auch den Deucalion. In dieser Formir- oder Bildung der Menschen/ soll er/ wie etliche sagen/ von jedweder Haupt-Materi einen Theil genommen/ unter sein Werck gemengt/ und dem Menschen beygefügt haben die Eigenschafften einiger Thiere; als die Furcht von dem Haasen/ die Schalckheit vom Fuchs/ den Ehrgeitz vom Pfauen/ die Grausamkeit von dem Tiger/ den Zorn und Mutigkeit von dem Löwen. Propertius tadelt und bestrafft/ in seinem driten Buch/ den Promotheus/ daß er so viel Müh und Arbeit angewandt/ dem menschlichen Leibe auswendig eine schöne Gestalt zu geben/ und doch nicht bedacht/ noch seinen Fleiß gethan habe/ des Menschen Geist mit löblichen guten Sitten auszuzieren. Einige sagen/ weil Minerva an seinem Werck ein groß Belieben und Wolgefallen gehabt/ sey er/ durch ihre Hülffe/ in den Himmel gekommen/ und nachdem er darinnen alles mit Feuer-Flammen beseelt gesehen/ habe er auch sein Werck gern also beleben wollen/ dahero er heimlich hinzugetretten/ eine Rute/ oder Reißlein am Rade des feurigen Sonnen-Wagens angezündet/ also das Feuer mit
auf die Erde herunter gebracht/ und die Seele seines Fabel. Warum die Menschen alt werden/ die Schlange aber jährlich ihre Haut ablege und verjüngt werde. Bildes darmit angefeurt. Nicander/ ein Griechischer Poet/ dichtet/ die Menschen hätten dem Jupiter (damit sie ihme sich gefällig machen möchten) des Prometheus Feuer-Dieberey ent- entdeckt/ und von ihm eine stetwährende Jugend/ oder daß sie allezeit sonder veralten leben möchten/ zu Lohn begehrt; welcher Bitte sie Jupiter auch gewährt: weil sie aber diese stetwährende Jugend auf einen Esel geladen/ und nach Hause führen wollen/ hätte das Thier auf dem Wege unleidlichen Durst erlitten/ und als es endlich an einen Brunnen kommen/ und trincken wollen/ seye es durch eine Schlange daran verhindert und abgehalten worden; Und ob schon der Esel gebeten/ mit seinem grossen Durst Mitleiden zu haben/ habe sie ihn dannoch nicht zulassen wollen/ bis so lange er mit ihr deswegen einen Vergleich getroffen/ vermittelst dessen er versprochen hätte/ lieber alles zu geben/ was er habe/ als so elendiglich Durstes zu sterben; bey welchen Worten ihn die Schlange gefasst/ und also die stetswährende Jugend darvon getragen habe: also müsten nunmehro die Menschen alt werden/ die Schlange aber legte alle Jahr ihren alten Balg ab/ und lebte in immerwährender Jugend.
Prometheus ein Erfinder des Feuers und allerlei Künste. Prometheus soll der erste Erfinder des Feuers gewest seyn/ und selbiges in den Brauch gebracht/ auch/ vermittelst des Feuers/ ohne welches schwerlich eine Kunst ausgeübt werden kan/ viellerley Künste/ erfunden haben. Nicht weniger soll er auch die Menschen/ aus den Gepüschen und Bergen/ darinnen sie/ gleich unvernünftigen Thieren/ sich aufgehalten/ gebracht/ dieselben Häuser bauen/ Sterne und Zeiten zu unterscheiden/ Sprache und Buchstaben zu gebrauchen/ ingleichen zu opfferen und den Gottesdienst zu üben/ gelehrt und unterwiesen haben. Jedoch melden auch einige/ daß er den Jupiter betrogen/ oder betriegen wollen/ mit zwey Ochsen-Häuten/ in deren einer er die Beine/ in der andern aber das Fleisch verborgen/ und dem Jupiter/ um für sich eine darvon zu erwehlen/ vorgelegt; weil aber Jupiter/ entweder gutwillig/ oder aus Irrthum/ die Haut mit den Beinern ergriffen/ habe er ihn so wol um dieses/ als des Feuers-Diebstahls willen/ an den Berg Caucasus binden lassen/ allda ihm die Leber (so des Nachts jederzeit wiederum gewachsen) von einem Adler/ der des Typhons und der Echidna Tochter gewest/ täglich aus dem Leibe gehackt/ und aufgefressen worden. Endlich sey er/ weil er den Jupiter/ durch den Mercurius/ warnen lassen/ daß er sich von der Liebe der Thetis frey machen möchte/ weil die Fata und Verhängnüssen vermöchten/ daß sie einen Sohn gebähren solte/ welcher seinen Vatter in Würdigkeit übertreffen würde/ (durch den abgefertigten Hercules) Diese Information ergänzt Sandrart, van Mander erwähnt Herkules nicht (vgl. Mander, Schilderboek, Van Prometheus, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 2v [Accessed: 2012-03-15. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/66BBrF6Lg]. wiederum erlöst und auf freyen Fuß gestellet worden.
Wann man allhier nun auf diese der Poeten Gedichte genaue Acht haben/ und darinnen viel Warheit suchen wolte/ würde man deroselben öfters wenig finden; angesehen/ man wol weiß/ daß die Welt nit unbewohnt/ noch ohne Menschen gewest/ bis auf die Zeit der feindlichen Titanen des Jupiters/ da dieser Prometheus im Flor war/ welcher sie dann allererst