TA 1679, III (Malerei), S. 12
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Nach der historischen Betrachtung stehen in diesem Kapitel stärker die praktischen Richtlinien im Fokus. Es klingt der Grundgedanke von Sandrarts Akademieverständnis an, die reflektierte zeichnerische Praxis nach Regeln und Naturstudium. Große inhaltliche Übereinstimmungen zeigen sich zum Malerei-Kapitel im Ersten Teil (vgl. TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 59 ff.).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 1000
Geschäfften. Da hingegen/ sehr selten etwas Besonders zu hoffen/ von denen/ welche die Lehrsatz- und die Theoriam, aus Ungedult/ oder Trägkeit/ vorbey gehen/ und nur/ durch einen einfältigen Gebrauch/ oder flüchtige Practic, auf die Treue Warnung wider den bösen Irrweg. Kunst blind und unbedachtsam zuplatzen. Welcher verderblicher Irrweg/ sonderlich bey uns Teutschen/ viel mehr/ als einiger andern Nation/ bewandlet wird. Diesem nach habe ich eine hohe Nothdurfft erachtet/ alle solche Irrende/ wieder zuruck zuruffen/ vermittels kurtzer/ doch treuer Anweisung des nächsten Weges/ und gründlicher Bedeutung/ wie man zuvorderst/ durch die theoretische Lehr-Fassung/ zu der Ubung tretten müsse; und wann solche Ubung mit dem unermütedem Fleiß vermählet wird/ als denn endlich/ zu der Vollkommenheit der edlen Mahler-Kunst ohnzweiflich gelangen könne. Allermassen ich/ allen dieser edlen Kunst Wolgönnern/ Liebhabern/ und Beflissenen/ zu vermeintem Gefallen/ wie auch der ruhmwürdigen Kunst selbsten zu Ehren/ und grösserem Flor/ mich entschlossen/ einen ordentlichen Aufsatz zu machen; auch zu diesem/ in unserm ersten Buch der Teutschen Academie/ bereits den Anfang gemacht habe. Des Absehens/ muß allhie zuvörderst wiederholet werden/ daßSandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Nach der historischen Betrachtung stehen in diesem Kapitel stärker die praktischen Richtlinien im Fokus. Es klingt der Grundgedanke von Sandrarts Akademieverständnis an, die reflektierte zeichnerische Praxis nach Regeln und Naturstudium. Große inhaltliche Übereinstimmungen zeigen sich zum Malerei-Kapitel im Ersten Teil (vgl. TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 59 ff.).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 1000 VasariInformat. zur Quellenmarkierung:
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde:
Vasari, Le Vite 1568, Introduzzione di Giorgio Vasari alle tre arti del disegno, Della pittura, Kap. XXV, Che cosa sia disegno, e come si fanno e si conoscono le buone pitture, überprüft anhand der Ed. Bettarini/Barocchi, vgl. Online-Ausgabe SNS, Bd. I, S. 111 f. [Accessed: 2011-12-16. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/63yHMDNbR].
Aus dem disegno als Vater wird bei Sandrart die Mutter der Zeichenkunst.die Zeichenkunst/ die Zeichen-Kunst ist die Seugamme aller dieser dreyer freyen Künste. (als die bey den Alten/ Reissen genandt war) die rechte und einige Mutter und Nährerin unserer dreyer Künsten ist/ und aus der Vernunfft/ durch gewisse imagination, oder Einbildung/ in dem Verstand/ zuvorderst alles formirt, was hernacher durch die Hand zu Papier gebracht wird. Dieser erkenntliche Entwurff/ und concept unserer Ideae, oder Sinn-Musters/ welches wir/ im Gemüt
Einer sauberen Manier zu Anfangs sich befleissen/ und die raue Wildigkeit meiden. gleichsam ausgebreitet vor Augen stellen/ soll vor allem befördert werden/ also; daß man gleich anfangs einer zierlichen saubern Zeichen-Manir und Handlung/ es sey gleich mit der Feder/ Kreiden/ oder Pensel/ zu dieser edlen Zeichenkunst/ sich An den nackenden Bilderen sol man anfangen/ erstlich nach Kupferstichen/ Handrissen und stilstehenden Bildern. Hernacher zu den lebendigen Dingen/ auch der Academie schreiten. befleisse und gewöhne/ dardurch vor allem erlerne/ die Bilder als allerhöchste Schul/erkennen/ den Anfang machen nach guten Kupferstichen und Handrissen/ ferner nach erhabenen runden und stillstehenden Bildern/ oder Statuen von Marmel/ Gyps und folgends nach dem Leben selbst/ so wol der nackenden als bekleidten Leiber.
Gleichwie einer nun/ durch die Academische Ubung/ die Wolerfahrenheit hierinne suchen muß: also wird hierzu sonderlich erfordert daß man alle Stellungen/ Maß/ und Ordnung eines gerechten Bildes erfahre/ auch das grosse und mittelere Liecht/ samt dem Schatten und Wiederschein/ vernünfftig ergreiffe: Als vermittelst dessen sich der Verstand mehret; Wann zumal solche Erfahrung/ bey Beobachtung mehr gedachter Regeln/ durch vielfältiges nach dem Leben-Zeichnen/ gestärcket wird. Denn auf solche Weise stellet allein ein wahrer Progreß zu hoffen. Wobey doch gleichwol auch die Erkänntnüs der Zergliederungs- (oder Anatomie.) Kunst/ Wohnung und Form/ der Mäuse (oder Musculen) Maß und Gestalt des Gebeins/ oder Sceletons/ mit in Betrachtung kommt. Solcher Gestalt muß der Verstand immer mit im Spiel seyn/ um alle vor Augen kommende natürliche Dinge wol zu überlegen/ und zu beurtheilen: Damit man sich hernach/ zu selbsteigener Invention/ beqvem machen könne. Gestaltsam dieses ohngezweiffelt der rechte Weg ist.VasariInformat. zur Quellenmarkierung
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde:
Vasari, Le Vite 1568, Introduzzione di Giorgio Vasari alle tre arti del disegno, Della pittura, Kap. XXV, Che cosa sia disegno, e come si fanno e si conoscono le buone pitture, überprüft anhand der Ed. Bettarini/Barocchi, vgl. Online-Ausgabe SNS, Bd. I, S. 111 f. [Accessed: 2011-12-16. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/63yHMDNbR].
Aus dem disegno als Vater wird bei Sandrart die Mutter der Zeichenkunst.
Darinn die Kunst-Regeln/ nebenst behö-
riger Proportion menschlichen Leibes/ und dessen
Glieder/ wie sie in der Mahlerey zu beobach-
ten/ gezeiget werden.
Kunst-Regeln/ von Proportion des Menschen Leibs. Nach den Angesichtern abzumessen. Der Hand und Kopffs. Stirn/ Nasen und Kinn/ des Fusses/ der Brust. Der Nabel ist der Mittel-Punct. Die Antichen bestättigen also des Menschen Maß. Allzuviel messen ist schädlich. Ein gerechtes Augenmaß ist der beste Zirckel. Wie nach des Haupts-Länge der Leib abzumessen sey. Proportion der weiblichen Leiber/ und der Kinder. Merckliche Ursachen warum in der proportion viel zu veränderen sey. Dessen Exempel in den Armen/ Füssen/ wie auch im Leibe. Alle Unform ist zu vermeiden. Diese Gratie ist eine sonderbare Gabe Gottes.
Kunst-Regeln von Proportion.ManderInformat. zur Quellenmarkierung:
Sandrart wiederholt hier zusammenfassend die Ausführungen zur Proportion, die er bereits im Ersten Teil dargelegt hat (vgl. TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 67 f.; s. Sponsel 1896, S. 35); er folgt dabei weitestgehend den Aussagen van Manders (vgl. Mander, Schilderboek, Analogie Proportie, oft maet der Lidtmaten eens Menschen Beeldts. Het derde Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 10v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/630zCddoC].).DEn Anfang der Lehrsätze/ oder Regeln/ worauf diese Kunst hauptsächlich gegründet/ und die ihr zur Richtschnur dienen müssen/ wann und Regeln des Menschen Leibs/ und dessen Proportion. sie einem verständigem Auge gnug thun soll/ machen wir hochnöthiger Massen/ in der Proportion eines wolgestalten Menschen/dessen
Gestalt an Gliedern/ Maß und Form zier- und vollkömmlich ausgebildet sey/ und für das rechte Meisterstuck zu halten/ weil/ aus dieser Wissenschafft/ alles andere gar leicht einen offenen Weg Nach den Angesichtern abzumessen. findet. Es bestehet aber diese Maaß- Ordnung in folgendem. Man misset/ von dem Ort/ wo des Haupts/ oder Stirns Haar zu wachsen anfängt/ ab/ bis unter das Kinn: dieses ist die Masse desManderInformat. zur Quellenmarkierung
Sandrart wiederholt hier zusammenfassend die Ausführungen zur Proportion, die er bereits im Ersten Teil dargelegt hat (vgl. TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 67 f.; s. Sponsel 1896, S. 35); er folgt dabei weitestgehend den Aussagen van Manders (vgl. Mander, Schilderboek, Analogie Proportie, oft maet der Lidtmaten eens Menschen Beeldts. Het derde Capittel, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 10v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/630zCddoC].).