TA 1679, II (Skulptur), S. 47
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Die Nero-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Nero, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 929
hatte/ ließe er die Dille in der Schlaaffkammer über ihrem Bette ledig machen/ daß sie davon im Schlaff erschlagen würde. Als sie von diesem Unglück/ durch Warnung/ errettet worden/ ließe er ein Lust-Schiff zurichten/ das sich voneinander löste/ sie zu erseuffen vermeinend: aber sie sprange ins Meer/ und entschwamme auf das Land. Darauf schickte er alsofort den Hauptman Anicetum, der muste neben andern in dem Mairhofe sie hinrichten/ dahin sie vom Meer entflohen war. Als der sie auf ihrem Ruhbette angetroffen/ entblößte sie ihren Unterleib/ und sagte: Hieher stosse/ und straffe den Leib/ der ein solches Unthier gebohren hat. Als man ihm sagte/ daß sie hingewürgt wäre/ wolte er es nicht glauben/ und gienge selber/ den Augenschein einzunehmen/ beschauete und betrachtete sie noch über das ganz nacket/ und sagte: Ich habe nicht vermeint/ daß ich eine so schöne Mutter hatte. Diß geschahe A. C 60/ den 21 Aug. des Monats Martii . Sie hatte ja diesen Lohn verdienet/ indem sie einen Erzbösewicht auf den Kaiser-Thron gefördert/ seinetwegen ihrem Gemahl vergeben/ und sonst soviel Ubel gestiftet. Aber der Sonne vergienge das Gesicht über dieser unerhörten That: welche zu entschuldigen/ er in Rom wiederkehrend vorgabe/ seine Mutter hätte ihm nach dem Leben gestanden. Es wurde in folgender Nacht bey seiner Statua ein lederner Sack/ (darein man die Eltern- Mörder/ mit einer Otter/ Hund/ Han und Affen/ zu stecken/ und also ins Wasser zu senken pflegte) und diese Schrifft auf einer Tafel gefunden: Ego quid potui? sed tu culeum meruisti.
an dem Bruder Britannico, an der Vatters Schwester/ an dem Stief-sohn.Er hatte vorher auch/ A. C. 16/ seinen Bruder Britannicum, der 14 Jahre alt gewesen/ ingleichen seines Vatters Schwester/ Domitiam, um ihre reiche Mittel zu sich zu nehmen/ hinrichten lassen. Er liesse auch seine Stief-Schwester Antoniam, weil sie ihn nicht heuraten wollen/ mit Gift tödten/ und seinen Stief-Sohn von der Poppaea, Crispinum, weil er mit andren Knaben der Herrschaft gespielet/ und sich heroisch zeigte/ bey einer Fischerey ins Meer werffen und erseuffen. Also hat er der Vermahnung seines Belehrers Senecae wenig nachgedacht/ welcher/ als die Eingeweidschauer ihm den Untergang verkündet/ und gerahten/ er solte durch anderer ihr Unglück/ seinem eigenen vorkommen/ ihn davon abgehalten mit diesem Klug-Spruch: Ob ihr schon eine große Anzahl hinrichten lasset/ werdet ihr doch euren Reichs-Nachfolger nicht tödten.
Seine unerhörte Unzucht.Mit gleicher Ausgelassenheit war er auch der Unzucht ergeben/ die er/ mit Manns- und Weibspersonen/ wol auch ganz unerhört/ verübet. Er notzüchtigte Rubriam, eine Vestalische oder Kloster-Jungfrau: welches/ die vorige Vorsteher der Römer/ mit lebendiger Begrabung zu straffen pflegten. Mit seiner Mutter ward er so vertreulich/ daß er sie/ im Anfang seiner Regirung/ stäts bey sich auf der Sänfte hatte/ und man oft an seinen Kleidern warnahme/ daß er sich beflecket. Es wäre auch ihr nicht zuwider gewesen/ daß er sie/ wie er vorhatte/ geheuratet. Aber er liesse sich
hiervon abhalten/ durch die Besorgung/ sie möchte alsdann noch heroischer werden/ und ihn gar zu ihrem Slaven machen. Er ließe ihm auch eine Weibsperson aussuchen/ die ihr gantz gleich sahe: die er nach Hof genommen/ und der Octavia nicht achtend/ mit ihr gebuhlet. Er hängte sich auch an eine Slavin aus Asia/ Acte genannt/ die er so brünstig geliebet/ daß er seiner Mutter und Gemahlin dabey vergessen. Im Knaben-schänden geriehte er endlich zu solcher Unsinnigkeit/ daß er einem/ Namens Sporus, ausschneiden und ihn also zurichten ließe/ daß er mit ihm/ als wie mit einem Weibe/ buhlen konte/ auch offentlich mit ihm Hochzeit hielte/ da einer von ihm gesagt: Es wäre der Welt gut/ wann sein Vatter Domitius auch so eine Frau genommen hätte. Hinwiederum muste Doryphorus, sein Freygelassener/ mit ihme/ dem unflätigen Nero, auch also/ wie er mit dem Sporo, Hochzeit machen. Lezlich erfande er ein Spiel/ ließe Manns- und Weibspersonen an Pfäle binden/ und er/ in eine Thierhaut verkleidet/ fuhre aus einer Stall-höle in Thiersgestalt auf sie los/ da er ihre Zeug-Glieder betastet.
Er lässt Rom anzünden. Es kame so weit mit seinem Frefel/ daß er den 19 Julii A. C. 64 die Stadt Rom/ deren Gebäue ihm zu schlecht und altvettelisch waren/ und weil er gern das brennende Troja hätte sehen mögen/ an etlichen Orten bey Nacht anzünden liße/ die dann ganzer acht Tage gebrennet/ und sich meist in die Asche gesezet: da er entzwischen/ in einem Sängerkleid/ mit der Leyer oder Cyther/ auf einem Thurn gesessen/ der Brunst mit Freuden zugesehen/ und die Verstörung von Troja darzu gesungen. Wie er dann so durchteufelt gewesen/ daß er gewünschet/ Feuer und Erde miteinander vermängt zu sehen: welches dismal zum theil eingetroffen. Er hat zwar die Stadt viel schöner und ordentlicher wieder erbauen lassen: er konte aber damit nicht verschaffen/ daß er nicht ein Mordbrenner seines Vatterlandes wäre gescholten worden.
Er wird der erste Christen-Verfolger. Diese Nachrede nun von sich abzuleinen/ und damit ja keine Bosheit von ihm unbegangen bliebe liesse er aussprengen/ die Christen hätten diese Brunst angerichtet: die er auch sofort/ durch unterschiedliche Ausschreiben/ in allen Provinzen zu verfolgen und hinzurichten befahle. Er liesse es nicht bey dem bloßen Hinrichten beruhen/ sondern sie musten ihm gekreutzigt/ oder in Thierhäuten von Hunden zu todt gehetzet werden. Er er fande auch sonst/ für sie/ eine sonderbare Marter. Er ließe sie/ mit Papier und Wachs bekleidet/ an Pfäle schliessen/ alsdann/ wann es Nacht wurde/ brennend Pech und Oel oben auf sie giessen/ daß sie also jämmerlich verbrannten/ und wie Fakeln leuchten musten: und verdurben ihrer auf diese Weise soviele/ daß auf dem Schauplatz gantze Bäche von Menschen-Fett flossen. Diese erste Christen-Verfolgung/ hat A. C. 65 angefangen: und sind damals drey Apostel/ als in Rom Petrus und Paulus/ der Evangelist Marcus aber in Alexandria/ zu Märterern worden.
Sein Stolz Bey aller solcher Bosheit/ war diese Bestie gleichwol noch trotzig/ und ließe sich einen Herrn/ ja
Die Nero-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Nero, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 934