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TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 70

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XX. PHILIPPO LIPPI, Mahler von Florenz/ Carmelitaner-MönichManderInformat. zur Quellenmarkierung:
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 12): Mander, Schilderboek, Het leven van Broer Philippo Lippi, Florentijnsch Schilder, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 103r–104r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631GS6qsC]. Sandrart verändert die Binnenstruktur von van Manders Vita leicht.Christina Posselt, 21.07.2010
PHILIPPO LIPPI, war gebohren zu Florenz/ und weil er durch frühzeitigen Hintritt seines Vatters und seiner Mutter/ im zweyten Jahr seines Alters/ ein armer Waiß worden ist/ hat ihn eine seiner Freundinnen/ biß ins achte Jahr fleißig erzogen/ hernach aber ins Carmeliten-Kloster gethan/ alda er (weil er keine Lust zum studieren hatte) in der Capell/ so kurz vorher von Masaccio verfärtiget worden/ anfangen zu zeichnen/ und weil ihm seine Natur darzu beförderlich war/ als übertraff er in kurzem alle/ die gleichsfals/ etwas daselbst zu lehrnen/ hinkommen waren/ und zeigte in dem Früling seiner Jahre/ daß ein sehr fruchtbarer Sommer darauf erfolgen würde Bei van Mander heißt es an dieser Stelle schlicht: »die daer oock quamen hun beginsel nemen, soo datmen sagh en verhopen mocht, dat hy in toecomenden tijdt wonder dinghen doen soude« (vgl. Mander, Schilderboek, T’leven van Leon Baptista Alberti, Florentijnsch Schilder, en Bouwmeester, hier zitiert nach der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 103r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631GM603P]).Christina Posselt, 07.07.2011/ indem er schon damals auf nassen Kalk/ unterschiedliche Historien/ so seltsam und zierlich machte/ daß er gedachtes Carmeliter-Kloster (in dem er sich als ein Novitius aufhielte) und sich in demselben bewunderlich machte; absonderlich wuste er des Masaccio Sachen so artlich nachzumachen/ daß etliche der seinen/ jenen gleich geschätzet worden seyn.

Verläßt die Mönichs-Kappe/ Da ihm nun/ durch das große erlangte Lob/ der Muht/ und mit demselben die Begierde zum weltlichen Leben/ je länger je mehr wuchse/ verließ er im 17ten Jahr die Mönichs-Kappe/ und begabe sich in die Marca d’ Ancona, und zugleich in die Gewalt eines ihme ausstoßenden Unglüks: Dann als er einsmal/ mit etlichen seinen Freunden/ auf das Meer spatzieren gefahren/ wurden sie von den Barbarischen Raub-Schiffen erdappet/ zu Sclaven gemacht/ und in den Feßeln in Barbarien gebracht/ allwo er 18. Monat lang/ großes Angemach erleiden müßen. Als er aber/ seinen Herrn/ durch oftmaliges Anschauen/ wol in Sinn gefaßet/ contrefätete er ihn Lebens-größe/ mit einer Kohle auf eine weise Mauer: Seine Mit-Sclaven solches ersehend/ zeigten es ihrem Herrn an/ der sich dann/ Erlediget sich durch seine Kunst aus der Barbarn Leibeigenschaft. neben allen andern/ höchlich über solche Kunst verwundert (als welche von der Zeichen-Kunst ihr Lebtag nichts gehöret noch gesehen) und diesen Künstler seiner Feßeln entbürdet/ auch/ nachdem er ihm zuvor unterschiedliche Stucke mit Farben mahlen müssen/ mit freyem Geleit wieder nach Neapoli geschicket hat/ allwo er auch eine Tafel von Eyerfarben dem König Alphonso gemahlet/ bliebe aber nicht lang daselbst/ weil ihn die Lust wieder nach Florenz zu kehren ankame.

Seine Werke zu Florenz In diesem seinem Vatterland/ hat er sehr viel künstliche/ und von jedermann gelobte Arbeit verrichtet. Absonderlich machte er eine sehr zierliche Altar-Tafel/ die/ weil sie dem Groß-Herzog Cosmo de Medicis wol gefiele/ ihm dieses Herrn Gunst erworben hat/ so/ daß er hernach für ihne noch viele Gemälde verfärtigen müßen: und weilen etliche davon Papst Eugenio IV. verehret/ und von ihme geliebet worden/ als kam er auch in desselben große Gnad.

Zu Pratolin mahlet er den Leichnam S. Bernardi Zu Pratolin bey Florenz/ wo er Freunde hatte/ machte er ein überaus herrliches Stuck/ nämlich den Leichnam S. Bernardi, dessen Bahr allerley Krippel anrühren/ und dardurch wieder ihre Gesundheit erlangen. Nebenzu sind seine ihn beweinende Mit-Brüder/ sehr verwunderlich anzusehen/ als welche in treflich schönen Stellungen und kunstmäßigen

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proportionen/ ihre innerliche Traurigkeit jedermann entdecken/ absonderlich aber sind daran die Falten ihrer Kappen sehr nett gebildet/ alles vollkommen gezeichnet/ und künstlich coloriret. Die Historie von S. Stephano. An einem andern Ort dieses Castells mahlte er die Historie von S. Stephano, nämlich wie er mit den Juden über ihre Hartnäckigkeit disputiret/ und sie zur Bekehrung aufmuntern will: Sein Angesicht weiset einen ganz Göttlichen Ernst/ da hingegen die Juden/ ihren Neid und Grimmigkeit/ aus den Augen stralen lassen/ zugleich auch den Verdruß entdecken/ welchen sie darüber haben/ daß Stephanus sie mit seinen Gründen convinciret und überwunden. Diese Verdruß-Ausbildung hat er in der darneben gemahlten Steinigung/ in einen ganz loßgelassenen Zorn verwandelt/ den große und kleine/ mit zusammen gebissenen Zähnen offenbahren/ und/ wie grimmig sie seyen/ in allen Geberden zeigen/ da hingegen Stephanus in der mitte kniet/ mit erhebtem Angesicht/ sein Gott ganz gelassenes Gemüht vorbildend/ als der/ von heißer Liebe zu seinen Feinden getrieben/ für seine Mörder bittet. Nicht mindere Kunst hat er auch in der Begräbnis S. Stephani erwiesen/ da er mit seinem Pinsel so traurige Geberden/ und die Angesichter für Betrübnis so erschlagen fürgebildet/ daß das Stuck ohne sonderbare Herzensbewegung nicht mag angesehen werden.

Die Historie von S. Johannes/ dem Tauffer. Auf der andern Seiten hat er eben so zierlich die Historie von S. Johannes dem Tauffer gemahlet/ und in derselben die Geburt/ Predigt/ Tauff/ Gasterey des Königs Herodes/ und die Enthauptung des S. Johannes vorgestellet: Wobey in des Predigers Angesicht ein Göttlicher Eyfer/ an den Zuhörern aber mancherley Geberden/ nachdem je ein jeder die Predigt angenommen/ zu merken: Bey der Tauff siehet man schöne/ und nach der rechten proportion vollkommen-zierliche nackende Leiber. Bey der Gasterey siehet man einen recht Königlichen Pracht/ die Hurtigkeit der tanzenden Herodias, und den großen Abscheuen/ welchen andere Gäste über den schreklichen Anblick/ des in einer Schüßel liegenden Haupts S. Johannis/ haben. In welchen Werken unterschiedliche Contrefäte nach dem Leben/ und unter andern sein eignes/ Ist ein Meister/ die affecten wol auszubilden. und seines Lehrjüngers Damiani, zu sehen. Gleichwie er aber in allen seinen Werken/ also hat er absonderlich in diesen/ genugsam dargethan/ daß er ein vollkommener Meister/ die affecten und Gemühtsbewegungen auszubilden/ gewesen seye/ allen Mahlern damit ein löblich Beyspiel hinterlassend/ was für großen Ruhm eine gute invention, mit wolgebildeten affecten/ geben könne: Wie man dann mit Warheit von jezterzehlten Stucken rühmen kan/ daß die mehr als Lebens-große Figuren sehr herzlich/ die affecten unvergleichlich/ die Kleider und Gewänder ganz ungemein/ und in Summa alles zum künstlichsten gemahlet seye/ so/ daß er damit alle andere Meister/ in kleinen Bildern aber sich selbsten übertroffen habe/ weil diese gar unmöglich bässer zu machen gewesen.

Ist sehr unkeusch. Diesen seinen großen Ruhm hat er sehr verfinstert mit seiner unmäßigen Unkeuschheit/ indem er den unzüchtigen Begierden den Zaum so lang gelassen/ManderInformat. zur Quellenmarkierung
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 12): Mander, Schilderboek, Het leven van Broer Philippo Lippi, Florentijnsch Schilder, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 103r–104r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631GS6qsC]. Sandrart verändert die Binnenstruktur von van Manders Vita leicht.Christina Posselt, 21.07.2010