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TA 1679, II (Skulptur), S. 67

Sandrart (Continued from previous page)Informat. on source text markers:
Die Domitian-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Domitian, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Carolin Ott, 08/06/2012The beginning of this part of the text is on page 957
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und Bruder: welcher letzere/ mit so vielen Liebesdiensten und Thren- gemängten Bitten/ ihm keine Milde abgewinnen können. Es wäre zu bewundern/ daß von so frommen Eltern eine so böse Blatter gezeugt worden/ und zween so ungleiche Brüder in einer Mutter Leibe gelegen: wann wir nicht/ an den ersten zweyen Brudern der Welt/ ein gleiches Beyspiel hätten/ welches auch an dem Cham/ Esau und Absalom erschienen. Es zeiget sich auch hieraus/ daß von dem Geblüt wenig Adels herkomme. Man muß nicht allein von edlen Geblüte/ sondern auch selbst edel am Gemüte seyn: dann das ist nicht mehr unser/ was vor uns gewesen.

Seine Jugend. Die Studia waren ihme von Jugend auf wenig angelegen/ auser daß er Kais. Tiberii Lebensgeschicht lase/ und unterweilen im Verse-machen sich geübet/ oder eine gute Rede setzen gelernet/ und die Sprüche der Weisen zu Gedächtnis gefasset. Hierdurch gelangte er zu einer ziemlichen Redseeligkeit/ und konte oft gar zierlich von einer Sache reden: wie er dann/ unter andern/ den Kopf eines Kerls/ der zugleich grau und rothärig gewesen/ einen Meet-gemengten Schnee genennet. Sonsten hatte er so gut mit dem Bogen schiessen gelernet/ daß er einem ferne von ihm stehenden Knaben/ (der gleichen man auch von K. Cambyse in Persien aufgeschrieben) durch aufgereckte zween Finger/ unverletzt mit dem Pfeil hindurch schiessen können.

Seine Gemahlin. Seine Gemahlin war Domitia Longina, eine wunder-schöne Dame/ die er ihrem Eheherrn dem Aelio Lamiae abgenommen/ und zwey Jahre lang für eine Beyschläfferin gebrauchet: aber nach diesem ließe er ihren Mann heimlich hinrichten/ und hielte mit ihr ein offentliches Beylager. Er ließe sie auch Kaiserin nennen/ als sie ihm einen Sohn gebohren. Er hat sie zwar nachgehends verstossen/ als sie in den Paris, einen Comoedianten/ sich verliebet: aber bald darauf/ aus häfftiger Liebe/ unter dem Schein als wann er vom Römischen Volk hierzu gezwungen würde/ sie wieder zu sich genommen. Man hat ihm zwar Juliam, seines Bruders Titi Tochter/ zur Braut angebotten: die er aber/ in der Domitiae Liebe verwickelt/ durchaus nicht haben wollen. Aber/ nachdem sie an einen andern verheuratet worden/ hat er/ noch bey lebzeiten ihres Vatters/ sie in Unehren beschlaffen/ und nach ihres Vatters und Mannes Tod sie öffentlich geliebet: da er auch die Ursach ihres Todes worden/ indem er sie ein Kind abtreiben heissen.

Sein Regirung-Antrit Zur Kaiserlichen Höchst-Würde/ ist er durch Hinterlist und Boßheit gelanget. Nach seines Vatters Tod/ liesse er sich ungescheut vernehmen: sein Vatter hätte ihn zum Reichs-Erben benennet und eingesetzt/ aber das Testament wäre vertuscht worden. Er liesse auch nicht nach/ seinem Bruder nach dem Leben zu stellen/ biß er ihn endlich zum Tode vergifftet. Andere wollen/ er habe/ als Kaiser Titus erkrancket/ es also angestellet/ daß er von jederman verlassen worden/ und also verschmachten müssen.

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Seine Regirung. Er ware im Anfang seiner Regirung/ fromm und erleidlich/ und hielte insonderheit scharffe Aufsicht auf die Amtleute/ also daß man sagte/ es seyen vorher nie gerechtere und bescheidnere gewesen. Einen Vornehmen schaffte er aus dem Raht/ weil er sich gar zu sehr auf das Dantzen und anderes Gauckelwerck verleget. Einen Ritter straffte er/ der sein Weib/ mit Beschuldigung des Ehbruchs/ von sich gethan/ und hernach sie wieder zu sich genommen. Unzüchtigen Weibern verbote er/ daß sie sich nicht auf der Sänfte tragen/ noch etwas durch Testament erben dorften. Die Fiscal-Calumnianten nahme er in harte Straffe/ und liesse oft dieses Spruches sich vernehmen: Ein Fürst reitzet die Verläumder/ der sie nicht züchtiget. Also hat er auch die Pasquillanten/ als von denen ehrliche Leute offentlich verleumdet wurden/ ernstlich abgestraffet. Ja er hielte solche Leute für eine böse Pest des Menschlichen Geschlechtes/ und verwiese sie gar aus der Stadt/ dabey sagend: wie daß die/ so solchen bösen Leuten Gehör geben/ viel böser als dieselben seyen. Sonsten/ ob er wol ein Wüterich worden/ wolte er doch allemal für gütig angesehen seyn/ und pflage im Raht dieser Tugend/ als der Güte und Sanfftmut/ manchen Lobspruch zu thun.

Es scheinet aber/ er habe das/ was im Anfang seiner Regirung löbliches von ihm geschrieben wird/ allein durch andere gethan: massen ja sein Thun damals gewesen/ daß er gar nichts gethan Er war ein Muckenfänger. hat. Dann er pflegte täglich eine Stunde lang sich zu verschliessen/ und in derselben sonst nichts zu thun/ als daß er Mucken gefangen/ und dieselben mit einem zugespitzten Griffel gespiesset. Daher/ als einsmals einer fragte/ ob niemand beym Kaiser wäre? Fibius Crispius geantwortet: nicht einmal eine Mucke. Und hieraus ist leicht zu mutmassen/ was sonst sein Thun/ oder vielmehr sein Müssiggang/ müsse gewesen seyn.

Seine Untugenden. Er ward auch im Fortgang seiner Regirung-Jahre/ ein Freund der Verleumder/ deren so scharfer Feind er vorher gewesen. Dann weil er alles zu verschwenden begunte/ brauchte er Leute/ die ihme wieder etwas in die Rentkammer jagten. Doch trachtete er auch/ die durch Feuersbrunst verzehrte Bibliotheken wieder aufzurichten/ schickte nach Alexandria, liesse allda viel Bücher abschreiben und nach Rom bringen.

Seine Wüterey. Es scheinet/ er habe an den Mucken gelernet/ die Leute zu spissen und hinzurichten: massen er sich offt im Schiessen geübet/ und gemeinlich hundert Sücke Stücke allerley Wilds zusammen bringen lassen/ die er dann also zu treffen wuste/ daß er mit zweyen Schüssen ihnen die Hörner am Haubt ledig machte. Es wäre dennoch zu wünschen gewesen/ daß er Kaiser Titi Wildschütz/ und nicht sein Nachfolger am Reich/ worden wäre. Metius Pomposianus muste seine Grausamkeit fühlen/ dessen doch sein Vatter Kais. Vespasianus verschont hatte. Man sagte von ihm/ er wäre vom Geschlecht der Cäsaren: und weil er auch seinen Knechten die Namen Mago und Hannibal gegeben/ als must

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Die Domitian-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Domitian, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Carolin Ott, 08/06/2012The end of this part of the text is on page 961