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TA 1679, II (Skulptur), S. 45

Sandrart (Continued from previous page)Informat. on source text markers:
Die Nero-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Nero, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Carolin Ott, 08/03/2012The beginning of this part of the text is on page 929
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Lehre übergeben: Deren jener/ als Praeceptor, ihn zu guten Sitten und löblichen Künsten/ dieser aber als Hofmeister/ zu Ritterlichen Exercitien und Studien. und Ubungen/ angewiesen. Er lernte aber insonderheit mahlen/ singen und poetisiren: und ward im letzern so geschickt/ daß er ohn Mühe einen Vers oder Carmen machen konte. Von der Philosophia begriffe er zwar auch etwas/ aber seine Mutter wolte ihn nicht dabey lassen/ mit Vorwand/ daß solche einem Fürsten wenig nutz wäre. Weil ihr aber die Astrologi weissagten/ daß er einmal würde vom Regiment verstossen werden/ als erlernte er vor andern die Poesy und Musik/ womit er in allen Landen fortzukommen ihm getrauet: Daher er ihm auch den Spruch der Griechen/ Artem quaevis alit terra, Kunst und Verstand nehrt in allem Land/ zum Leibspruch erwehlet hat.

Seine drey Gemahlinnen. Octavia. Drey Gemahlinnen/ wurden ihme beygelegt. Octavia,die erste/ war Kaisers Claudii Tochter/ und seine Stief-Schwester: die er in seinem 16 Jahre geheuratet/ nachdem ihn der Kaiser zum Sohn angenommen. Aber er hatte ihrer bald genug/ und konte neben ihr nicht lang ziehen/ weil sie nicht seiner Farbe/ nämlich nicht Lasterhaft ware. Also trachtete er/ von ihr sich ledig zu machen/ nach dem Tod ihres Vatters/ und als man ihn davon abhielte/ mit dem Einwurf/ daß er auch das Heurat-gut/ verstehe das Kaiserthum/ würde wieder abtreten müssen/ sagte er: es muß der Octaviae genug seyn/ daß sie bey mir eine Frau worden. Er ware oftmals willens/ sie zu erwürgen. Endlich A. C. 64 ließe er sie von sich/ mit Vorwand/ daß sie unfruchtbar wäre. Als aber das Römische Volck hierüber murrete und auf ihn schalte/ verwiese er sie gar/ und brachte Poppea folgends ein Geschrey von ihr aus/ daß sie mit einem Knecht gebuhlet hätte: weswegen er sie hinrichten lassen.

Poppea Sabina. Die zweyte/ Poppea Sabina, Salvii Ottonis (der hernach Kaiser worden) Ehefrau/ ware Ursach am Tode der Ersten/ indem sie durch ihren Mann sich an den Kaiser verknüpfen lassen: der dann/ aus innigster Liebe gegen ihr/ 12 Tage nach besagter Ehescheidung/ mit ihr zum Ehbette geeilet. Damit Octavia sie nicht wieder ausdrengen möchte/ sprache sie einen von ihren Bedienten auf/ der mnste muste sie der Buhlerey mit einem Knecht fälschlich beschuldigen. Man peinigte ihre Mägde/ die solches theils bestätigten/ um der Marter zu entgehen. Aber eine von ihnen/ die Pythias, sagte dem Tigellino ins Gesicht: Meiner Frauen Weibliches Glied ist reiner/ als dein Maul seyn mag. Poppea war ein hoffärtiges Weib: massen sie ihre Kutsch-Pferde mit güldnen Huf-Schienen beschlagen lassen. Sie genosse aber der Ehre nicht lang/ und bekame bald ihren Lohn/ indem Nero, A. C. 66 als er von der Rennbahn zu Haus kame/ und von ihr hart angefahren wurde/ ihr mit dem Fuß einen Stoß an ihren schwangern Leib versetzet Satilia Massalina Satilia Messalina./ daß sie davon sterben müssen. Statilia Messalina, die dritte und lezte/ war des Burgermeisters Attici Vestini Ehefrau: die er ihm nicht allein hinweggenommen/ sondern auch ihn am

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Tag seiner Hochzeit hinrichten lassen. Er hat mit allen dreyen/ kein lebhaftes Kind gezeuget.

Seine Regirung. Er kame/ durch List seiner Mutter/ und durch Bestechung des Leibwacht-Heeres/ zum Regiment/ und konte man wol von ihm sagen/ daß er sich eingedrungen wie ein Fuchs/ geherrschet wie ein Lew/ und wie ein Hund gestorben. In den ersten fünf Jahren/ war er der bäste Fürst von der Welt/ und ward von iederman geliebt: daher das Quinquennium Neronis. Quinquennium Neronis zum Sprüchwort worden/ und nachmals Kaiser Trajanus von ihm gesagt: Es seyen alle Fürsten von Neronis ersten fünf Regirungs-Jahren weit zuruck geblieben. Und dieses hat er seinen beyden Belehrern/ dem Burrho und Senecae, zu dancken gehabt: welche auch/ als er erstlich seine Mutter allein schalten und walten lassen/ solches abgestellet/ und damit seine Autorität gerettet. Er ware gegen dem Raht ganz ehrerbietig und sagte/ so oft sie ihn beehren wolten: Si meruero, wann ich es verdienen werde. Er minderte nicht allein die Auflagen/ sondern unterhielte auch die Edelste unter den Ratsherren/ da mancher jährlich 10000 Gulden bekommen. Er ware so gelind/ daß er/ als Burrhus sein Großhofmeister ihm eine Malefiz-Sache zu unterschreiben vorgelegt/ nach langem Weigern/ sich vernehmen lassen: Er möchte wünschen/ daß er gar nicht schreiben könte. Man hat aber dafür gehalten/ er habe allein den Schalck also zu verbergen gewust und seine Boßheit hinterstellet; die nach Ausgang der fünf Jahre/ erschrecklich hervorgebrochen/ daeben ein Feigenbaum/ unter welchen vor 830 Jahren die beyde Kinder Romulus und Remus waren hingelegt worden/ verdorret/ doch nachmals wieder neu gesprosset: welches man dahin gedeutet/ daß der Caesar-Stamm im Nero aufhören/ und die Kaiser-Würde auf andere kommen würde.

Seine Verartung und Untugenden. Er erlaubte ihm selber alles/ was ihm einfiele/ unbetrachtet/ ob es recht oder unrecht wäre/ und sagte: Alle Fürsten vor ihme hätten nicht gewust/ was ihnen erlaubt sey. Dann er glaubte/ auf gut Machiavellisch/ daß die/ so die Gesetze geben/ den Gesetzen nicht unterworfen seyen: da doch die/ so über andere regiren/ zuvörderst sich selbst regiren/ und nicht allein Ebenbilder des höchsten HErrn im Himmel / sondern auch für die Untern Tugendvorbilder seyn sollen. Wer sich regiren lässt/ der regirt am bästen. Und in dieser Eigenwilligkeit stärkten ihn seine Hofschmeichler/ die ihme immer in die Ohren raunten: Er habe sich nicht zu fürchten/ und er wisse nicht/ daß er Kaiser sey/ der allen zu gebieten/ und deme niemand einzureden habe.

Schwelgerey. Seine Schwelgerey war so übermacht/ daß er von Mittag bis zur Mitternacht Fraß-Mahl gehalten/ darbey das Huren-geschmeiß aufdienen muste. Einsmals lude er die vornehmste Römer/ samt ihren Weibern/ Töchtern und Mägden/ auch die Hurensäcke zusammen: da er die Weinfässer/ um der Kühle willen/ auf dem Wasser schwimmen gemacht/ und am Abend bey hoher Straffe ausruffen

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Die Nero-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Nero, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Carolin Ott, 08/03/2012The end of this part of the text is on page 934