TA 1679, II (Skulptur), S. 37
Sandrart (Continued from previous page)Informat. on source text markers:Die Caligula-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Caligula, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.The beginning of this part of the text is on page 919
gleichwie er auch dieser/ zu ihrem Manne wieder zu kehren oder einem andern die Ehliche Hand zu geben/ bey Leibsstraffe verbotten hat. Coesonia, die vierte/ wiewol sie weder schön noch jung war/ auch schon drey Töchter von einem andern hatte/ liebte er gantz unsinnig/ vielleicht darum/ weil sie so geil und frech/ wie er/ gewesen. Sie muste immer um ihn seyn/ und bisweilen in kriegerischer Tracht mit ihm reiten. Er pflage sie auch/ seinen Freunden/ zuweilen nacket zu zeigen. Man glaubte/ daß diese und andere seine Torheiten daher entstünden/ weil Caesonia, um nicht/ wie die zwey vorigen Gemahlinnen/ wieder fortgeschaffet zu werden/ wie gesagt/ ihme einen Liebtrank beygebracht: der aber so übel misgewirket.
Seine Regirung: Kaiser Tiberius, den er selbst soll erstecket haben/ hatte ihn zum Sohn und ReichsErben adoptiret: vielleicht den Nachruhm der Frommkeit auf sich zu bringen/ wann er einen so bösen Nachfolger liesse; oder aus Haß gegen den Römischen Raht/ den er also einem Scharfrichter zu übergeben die war anfangs tugendhaft. vermeinte. Gleichwol zeigte er sich im Anfang tugendhaft/ und nachdem er Kaiser Tiberio offentlich eine Leich-Lobrede gehalten/ erweckte er von sich eine grosse Hoffnung. Er nannte sich einen Sohn des Senats/ minderte und milderte Zinß und Steuer/ und bezahlte Kaiser Tiberii und der Liviae Legata mit eignem Geld. Jederman liebte ihn ohne das/ wegen seines dapfren Vatters/ sonderlich die Kriegsleute/ weil er bey ihnen erzogen worden/ die ihn den Frommen/ den Bästen/ und einen Sohn des Kriegslagers und Vatter des Kriegsheers nennten. Er war auch ein Liebhaber und Förderer der Studien: massen er zu Lyon in Franckreich ein Streit-Fest der Griech- und Latinischen Redner angestellet/ da die Uberwundene den Uberwindern zu Lobreden und zu schencken/ die aber/ welche gar übel bestunden/ ihre Gemäche selber von den Schreibtafeln abwischen und ablecken musten/ wann sie nicht mit Ruhten gestrichen oder in den Fluß wolten geworfen werden.
Seine Verartung. Er hat aber bald alle gute Art verlohren/ und ist ein wildes Wunderthier von einem Fürsten worden/ indem er/ als ein Schwein in allen Laster-Unflat Verschwenderey. sich gewelzet. Der Verschwendung ergabe er sich dermassen/ daß er in köstlichen Salben und Wassern gebadet/ in Essig zerschmolzene Perlen getrunken/ den Gästen güldene Brode und Speisen vorgesetzet/ darzu sagend: Man müste entweder vielgebig/ oder kein Kaiser seyn. Er übertraffe demnach alle Verschwender/ warf etliche Tage güldne Münzen aus dem Palast unter den Pöbel/ und ließ Schiffe von Cedern bauen/ die Hintertheile mit Edelstein sticken/ bunte Segel aufhängen/ Bäder/ Spazirgänge und Tafelzimmer darein bauen/ auch selbige mit Weinstöcken und anderen Fruchtbäumen bepflanzen: auf welchen er an dem schönen Meer-Ufer von Campanien auf- und abfuhre/ worbey Gesang und Musik aufspielen muste. In Aufbauung der Paläste und Mairhöfe/ suchte er mit grossem Kosten/ meist ohne Vernunft/ etwas hervorzubringen/ das sonst
unmüglich schiene. Kurz: er war in diesem Laster so unsinnig/ daß er/ ehe sein erstes Regirungsjahr verschienen/ die von Kaiser Tiberio hinterlassen 100 Millionen oder tausend Tonnen Gelds schon durchgejagt hatte.
Geitz. Auf Verschwendung muß notwendig der Geitz folgen/ welcher des Prachts und Frasses Rentmeister ist. Kaiser Caligula, nachdem er die Kammer geleeret/ erdachte unerhörte Auflagen/ triebe Kaufmanschaft mit den Aemtern/ steigerte die Zölle/ richtete zu Hof ein Hurhaus an/ und schickte seine Diener auf alle Plätze/ die musten Alte und Junge herzu nötigen/ die Unzucht um Geld zu kaufen. Er hatte sich in dieses ersamlete Gold so gar verliebet/ daß er sich oft nacket darinn herum gewalzet. Von iedem Rechtstritt aller Orten/ forderte er den 40 Pfennig des Gelds/ darum man kriegte: und wurden diejenigen gestraffet/ die mit einander sich gütlich vertrugen. Die Sackträger und Karchzieher/ musten ihm das Achtel von ihrem täglichen Verdienst geben. Die Huren/ ja die Ehweiber/ musten täglich einen Beyschlaff lösen. Er nötigte die Leute/ ihn zum Erben einzusetzen/ und wann sie alsdann nicht bald sturben/ liesse er sie mit Gift hinrichten/ und sagte lachend: Niemand müste sein Testament überleben. Er spielte auch immer um Geld/ und betroge im Spielen/ mit Schwören und Leugnen. Als er einsmals/ einem andern seine Partey anbefehlend/ in den Hof abgetretten/ und daselbst zween Ritter angetroffen/ von denen man ihm sagte/ daß sie sehr reich wären/ hat er sie einstecken und das ihrige einziehen lassen/ und als er zur Spielgesellschaft wiedergekehret/ mit frolocken gesprochen: Er hätte niemals in Spielen einen grössern Zug gethan.
Als Antonia, seine Großmutter/ ihn ermahnte/ sich anders zu verhalten/ gabe er ihr zur Antwort: Jhr müst aber wissen/ daß mir alles gegen allen erlaubt ist. Diesen ruchlosen Lehrsatz Unzucht. hat er auch fleissig geübet/ keinem Edlen Römer seine Frau unbefleckt gelassen/ seine eigne drey Schwestern beschlaffen/ und die zwo überlebende in eine Insel verbannet. Er pflegte auch offentlich zu sagen/ es könne ihm nichts angenehmer seyn/ als wann man unverschämt sey. Seine Schwester Drusillam nahme er ihrem Manne L. Cassio Longino, und behielte sie zur Gemahlin/ zeigte auch große Betrübnis/ als sie gestorben.
Grausamkeit. Weil er ihm alles erlaubet/ als muste auch die Grausamkeit bey ihm sich hervorlegen. Etliche Ratsherren ließe er tödten/ und doch in den Raht beruffen: gabe nachmals vor/ sie hätten sich selbst ermordet. Seine Großmutter Antoniam, als sie ihm einreden dörfen/ und seinen Schweher Sillanum Marcus Iunius Silanus war ein Schwiegervater Caligulas; vgl. Neue Pauly, Bd. VI, Sp. 69., einen fürtrefflichen Mann/ welchen Kaiser Tiberius sehr wehrt gehalten/ brachte er mit giftigen Schmähworten dahin/ daß sie sich selbst zum Tod förderten. Er ließe auch/ seinen Bruder Tiberium tödten/ wie auch den Macron und dessen Frau Naeviam Enniam, mit der er vor der Regirung gebuhlet/ und durch sie darzu gelanget.
Die Caligula-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Caligula, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.The end of this part of the text is on page 923