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TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 100

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Das XVI Capitel.
Von
Der Chineser Mahlerey/ dem Form- oder
in Holz-Schneiden/ und der schwarzen
Kunst in Kupfer. Un chapitre concernant des aspects aussi divers que la peinture et l’art du trait clôt la partie consacrée à la théorie de la peinture. Absent de l’édition de 1679, il figure bien, dans sa totalité, dans l’édition latine (chap.15); voir Heck 2006, pp. 63-71.Michèle-Caroline Heck, 02/25/2009
Innhalt.

Die Mahumetaner/ dulten keine Bildereyen. Die Chineser lieben solche/ haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben/ und mahlen einfältig/ nur in Profil oder Umriß. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der schwarze Higiemond, ein Indianer. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Vom Form- oder in Holz-Schneiden. Diese Kunst/ hat zu Erfindung der Buchdruckerey-Kunst anlaß gegeben. Künstlere in dieser Arbeit/ in den Niederlanden Lucas von Leyden/ in Teutschland Albrecht Dürer/ Grünwalt und Holbein. Von der so-genannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Deren Erfinder ist ein Obrist-Leutenant N. von Siegen. W. Vaillant thut wunder hierinnen. Etliche Mahlerey-Regeln.

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SandrartInformat. on source text markers:
Auch wenn eine direkte Text-Übernahme bis dato nicht nachzuweisen ist, stammen viele Aspekte zur chinesischen Malerei wie bereits von Peltzer vermutet aus Athanasius Kirchers China Monumentis […] illustrata – eine Quelle, die Sandrart im Kontext der asiatischen Götterkulte direkt benennt (vgl. TA 1679, I (Architektur), S. 55); s. Teutsche Academie 1675/Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 417, Anm. 1351/Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 910, Anm. 623,5/ Sullivan 1973, S. 93 f. Vor Kirchers polyhistorischem Werk gab es bereits um 1600 durch Matteo Ricci (1552–1610) – ebenfalls befördert durch die Jesuitenmission – Kenntnis der chinesichen Sammlungen und Malerei. Ricci schreibt über die mangelnde Kenntnis der Ölmalerei und der Perspektive sowie der fehlenden Lebendigkeit in den Werken chinesischer Künstler (vgl. Sullivan 1973, S. 47 f.).Christina Posselt, 07/20/2010The end of this part of the text is on page 192
NAch abgehandelter Beschreibung der alten Egyptischen/ Griechischen/ Italiänischen/ Hoch-und Niederteutschen/ und anderer Europäischen ruhmwürdigen Exempel unserer Studien/ habe ich vor gut befunden/ auch anderer fremden Nationen hievon habender Wissenschaft zu gedenken. Wiewol nun/ unter denselben/ die Türken/ wie auch die Persianer/ (welche letzere/ in allen ihren Zierlichkeiten und Künsten/ jedesmal Die Mahumetaner dulten keine Bildereyen. mehrern und scharfsinnigern Geist/ als die Türken/ erweisen) als der Mahumetanischen Religion zugethan/ aus sonderbarer devotion und Andacht/ die Bilderey vor Todsünde haltend/ derer keine unter ihnen gedulten/ noch zu haben verstatten: so sind doch/ unter den andern Barbaren in Die Chineser lieben solche/ Asia/ die Chineser in der Mahl- und Bilderey/ gleichwie sie auch in andren Künsten die subtilesten sind/ ziemlich erfahren: als welche diese beyde Künste/ vor allen andern/ sehr lieben/ sich derselben gebrauchen/ und die/ so sich darauf verstehen/ in hohen Würden halten. Sonderlich bedienen sie sich derselben/ in ihren Tempeln: alda sie viel Abgötter haben/ die sie in allen Nöhten anbeten und verehren.

Hiernächst bedienen sie sich auch einer großen Menge Gemälde/ zur Zier und Lustbarkeit/ die sie/ in mannigfaltiger vorstellung ihres Lebens und Wandels/ hoch achten. Sie pflegen aber/ fast ingesamt/ ohne einige Regeln/ und nur nach muhtmaßung ihrer betrüglichen Augen/ solche zu verfärtigen. haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben. Dann sie wissen nichts von dem vortrefflichen Gebrauch der Oelfarben/ auch nichts von temperirung der Härte der Farben/ und solche zu gehorsam zu bringen: sondern sie bedienen sich allein der mit Gummi angemachten Wasserfarben/ wie unsere Miniatur-Mahler/ auf Blätter von Seiden oder Pergamen gemachet.

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Sie stellen alles einfältig vor/ bloß mit dem Sie mahlen einfältig/ Umriß ohne Schatten/ rondiren nichts/ sondern übergehen ganz schlechthin mit Farben ihre Sachen. Sie wissen nicht/wie/ in wahrer Eigenschaft/ ein jedes Ding der gebühr nach zu erheben/ ob es vor- oder hinter sich zu treiben/ oder was für andere notwendige Natürlichkeiten zu beobachten: worauf die Europäischen Mahlere billig mit allem Fleiß zu sehen pflegen. Von diesen Dingen allen wissen sie/ wie gesagt/ gar nichts/ und sind ihre nur in Profil und Umriß Bilder nur in Profil vorgestellet. Die Angesichter vorwarts ganz zu repraesentiren/ sind ihnen sehr unbekannte Dinge. Also verfahren sie auch in Landschaften/ Gebäuen/ Thieren/ und andern einfältigen Dingen. Worüber sich nicht wenig zu verwundern ist/ daß solche sonst-kluge Leute von der Perspectiv-Kunst ganz keine Erfahrung haben. Ihre Werke sind ingemein nicht allein hierinn ganz einfältig/ sondern es erscheinet daran meist das hinterste größer/ als das vördere/ also daß sie den Regeln schnurgrad zuwider handlen.

Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ich halte aber gänzlich dafür/ wann diese Leute das ausreisen/ aus deren eignen in fremde Länder/ nicht verbotten hätten/ oder unsere Europäische Mahler zu ihnen kommen ließen/ sie würden unfehlbar/ durch den von Natur ihnen beywohnenden auserlesnen Verstand/ die bäste Vortheile dieser Künste bald erfahren und in stattliche Ubung bringen. In besagter ihrer elenden Mahlerey/ ward Ihr Mahler/ der Schwarze Higiemondo, ein Indianer Im 17. Jahrhundert wurde die Bezeichnung »indianisch« für alle Gebiete verwendet, die auf dem Seeweg neu entdeckt worden waren. Der asiatische Kontinent wurde meist als Ostindien bezeichnet; vgl. Friederike Wappenschmidt: Wo liegt »Cathay«? von »indianischen« und chinesischen »Wunderdingen« am Hof der Wittelsbacher, in: Kat. China und Bayern 2009, S. 21–33, hier S. 22.Anna Schreurs, 10/15/2009. der Indianer Higiemondo, ingemein der Schwarze genannt/ wiewol von aller Kunst entfernet/ für den bästen Künstler gehalten: dessen wahres Contrafät hierneben dem edlen Leser vor augen gestellet wird.

Es sind/ von diesem abentheurlichen Mahlwerk Dans l’édition latine ridicula opera.Michèle-Caroline Heck, 02/25/2009/ eine ziemliche Anzahl Stücke in meinen Händen/ die ich von den Chinesern selber erhalten: welche mit den uralten alberen Figuren/ die man/ in den vor 200 Jahren gedruckten ersten Büchern/ auch

Sandrart (Continues on a following page)Informat. on source text markers
Auch wenn eine direkte Text-Übernahme bis dato nicht nachzuweisen ist, stammen viele Aspekte zur chinesischen Malerei wie bereits von Peltzer vermutet aus Athanasius Kirchers China Monumentis […] illustrata – eine Quelle, die Sandrart im Kontext der asiatischen Götterkulte direkt benennt (vgl. TA 1679, I (Architektur), S. 55); s. Teutsche Academie 1675/Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 417, Anm. 1351/Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 910, Anm. 623,5/ Sullivan 1973, S. 93 f. Vor Kirchers polyhistorischem Werk gab es bereits um 1600 durch Matteo Ricci (1552–1610) – ebenfalls befördert durch die Jesuitenmission – Kenntnis der chinesichen Sammlungen und Malerei. Ricci schreibt über die mangelnde Kenntnis der Ölmalerei und der Perspektive sowie der fehlenden Lebendigkeit in den Werken chinesischer Künstler (vgl. Sullivan 1973, S. 47 f.).Christina Posselt, 07/20/2010The end of this part of the text is on page 192