TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 90
Zum Exempel: das objectum oder der Gegenwurf/ den man sihet/ wie in dieser I Figur vor Augen stehet/ sey die Tafel G H I K, in 16 Theil ausgetheilet/ die Fläche oder durchsichtige superficies sey die Tafel oder Maur C D E F,die Distanz des Auges A B, von dem objecto B Q, von der Fläche B P, wo nun die Pyramidalische Gesicht-Strahlen B G, B H, B L, B K, die Fläche durchschneiden/ als nämlich in den Puncten L, M,N, O, da wird formirt und begibt sich eine Figur/ dent Gegenwurf gleichförmig/ auch in 16 Theile ausgetheilet. Eben dieses bedenken hat es auch mit andern sichtbaren Dingen/ es seyen gleich corpora, oder superficies, oder bloß nur Linien. Von der Fundamental- R V, und Horizontal-Linie B A T, wie auch von der Höhe des Augs/ durch die Linie B R in dieser I Figur angedeutet/
wird klärliche meldung und anweisung in der folgenden Practik geschehen.
Anmerkung vom Augpunct. Dieses aber gründlich zu verstehen/ ist erstlich zu merken/ daß die species visibiles oder Gestalten eines sichtbaren Dinges und Gegenwurfs/ durch gerade Linien in dem Mittelpunct des Crystallinen humors/ welches beynahe der Mittelpunct des Augapfels ist/ zusammen laufen: allwo/ nach Meinung der Naturkündiger die visio oder würkliche Sehung geschihet und verübet wird/ oder zum wenigsten ihren Anfang hat. Dahero dann/ weil dieses centrum oder Mittelpunct des Auges in etwas von dem Eingang der Gesicht-Strahlen und Linien zuruck stehet/ kan nichts durch das Gesicht recht unterschieden werden/ als nur/ was unter einem scharffen oder spitzigen Winkel von des Gesichts Strahlen begriffen wird: wie Egnatius
Danti in seiner 5 Supposition von der Perspectiv erkläret/ da er auch saget/ daß dieser Winkel in sich habe zwey dritte theil eines rechten Winkels/ ein wenig mehr oder minder/ nachdem die pupilla oder das Fensterlein in tunica uvea, wie es die Anatomici nennen/ welches gleichsam der Eingang des Augapfels / weiter oder änger ist. Sandrart nimmt hier Bezug auf die 5. Hypothese in Vignola, Le due regole (S. 10); vgl. Heck 2006, S. 275.
Sandrart/DantiInformat. on source text markers:
Sandrart folgt hier weitestgehend Danti und seiner »Suppositione Nona« (Vignola, Le due regole, überprüft anhand der Ausgabe 1611, vgl. Online-Ausgabe GRS, S. 15); vgl. Heck 2006, S. 275.The end of this part of the text is on page 178Pyramidal-Figur der Gesicht-Stralen. Also machen die radii visuales, Gesicht-Stralen und Linien/ eine Pyramide oder vielmehr einen conum und spitzigen Kegel/ dessen basis oder Gestell ist im objecto oder sichtbaren Gegenwurf/
die Spitze aber aldort/ wo diese Strahlen und Linien in einen Punct zusammen laufen: wie solches/ aus beygesetzter 2 Figur des Augapfels/ kan leichtlich verstanden werden. In dieser/ ist der Gegenwurf die Linie C D, das centrum des Crystallinen humors A, Vgl. die Beschreibung bei Vignola: »Per il centro dell’occhio non s’intende da’ Prospettivi il centro della sfera di esso occhio, ma quel punto, dove si forma la perfetta visione, ch’e nel centro dell’umor Cristallino, lon tano dal centro della sfera dell’occhio per la quinta parte del suo diametro in circa.« (zit. nach Vignola, Le due regole 1743 (Faksimile-Ed. 1978), fol. 2). Die erste Figur der Tafel I, der diese Erläuterung gilt, weicht jedoch deutlich von Sandrarts Figur 2 ab. die pupilla B, der rechte Winkel C A D, dessen Linien A C und A D. Weil sie/ wegen änge des Eingangs/ nicht können in dem centro des Crystallinen humors zusammen laufen/ als kan die ganze Linie C D nicht recht unterschieden und distinct gesehen werden/ sondern allein
Sandrart folgt hier weitestgehend Danti und seiner »Suppositione Nona« (Vignola, Le due regole, überprüft anhand der Ausgabe 1611, vgl. Online-Ausgabe GRS, S. 15); vgl. Heck 2006, S. 275.The end of this part of the text is on page 178