TA 1679, II (Skulptur), S. 33
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Die Tiberius-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Tiberius, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 914
Dieses sahe an ihme sein Praeceptor Theodorus Godarrus, und nennte ihn Lutum sanguine maceratum, einen Blut-gemängten Koht. Kaiser Augustus lernte ihn auch bald kennen/ trachteaber ihn bey den Römern zu entschuldigen/ und sagte: Es seyn Fehlere der Natur und nicht des Gemütes. Sonsten ware er/ sonderlich in seiner Regierung/ bey guter Gesundheit: die er meist durch eignen Fleiß/ und ohne Raht der Aertzte/ erhielte. Im Alter ward er erst recht häßlich/ krumm und hagericht/ kahl/ und im Gesicht voll Geschwere/ die er mit Pflastern beleget. Also war bey ihm wol wahr/ daß in einem garstigen Leib keine schöne Seele zu wohnen pflege. Sonsten war er beyder Sprachen wol kündig/ auch beredsam/ massen er schon im neundten Jahr seinem Vatter offentlich parentirt: er war aber doch unannemlich/ wegen seines wilden Gesichtes und übler Gebärdung. Er machte auch Verse/ und hatte Lust an den alten Fabeln.
Seine zwo Gemahlinnen. Er hatte zwey Gemahlinnen nacheinander. Mit Agrippina, der ersten/ M. Agrippae Tochter und des belobten Pomponii Attici Enkelin/ lebte er auf das liebreichste/ und zeugte mit ihr einen Sohn/ Drusum Tiberium. Darnach muste er diese wider seinem Willen fahren lassen/ und Kais. Augusti Tochter Juliam heuraten: deren er nicht hold seyn konte/ weil er ihre Upippigkeit erkennet/ indem sie im vorigen Ehstand seiner zur Buhlery begehret. Wie er dann/ als Agrippina ihm einsmals auf der Strasse begegnet/ ihr sehnligst nachgesehen: und muste man sie fortan bewahren/ daß sie nicht mehr vor sein Gesicht gekommen. Er lebte zwar anfangs gut mit der Julia: aber machmals haben sie sich so sehr entzweyet/ daß sie nicht mehr beysammen geschlaffen.
Seine Söhne. Er zeugte/ mit jeder/ einen Sohn. Der älteste Titius Drusus, von der Agrippina, folgte ihm nach in der Wüterey und Trincksucht/ und soll er/ durch solche Unmässigkeiit/ sein Leben verkürtzt haben: wiewol andere dafür gehalten/ Sejanus habe ihm mit Gift vergeben. Der andere Sohn / von der Julio, ist jung verstorben. Er muste Sein Wahl Sohn Germanicus. aber auch auf Befehl Kais. Augusti den Germanicum, seines Bruders Drusi Sohn/ adoptiren oder zum Sohn annehmen/ damit er des Kaisers Enckel würde: der auf alle Weise trachtete/ das Reich bey diesem seinem Stammen zu erhalten/ wiewol es ihme nicht gelingen wollen.
Seine Verrichtungen vor dem Kaisertum. Nachdem Tiberius zu Jahren erwachsen/ bewarbe er sich um Ehren-Aemter darzu er auch durch seinen Stiefvatter leichtlich gelanget. Er ware auch Anwalt/ in grossen Sachen: massen er für etliche Städte in Asien/ die durch Erdbeben verderbt worden und Hülffe begehrten/ vor dem Röm. Senat gar beweglich geredet. Er liesse von Kais. Augusto sich zu Krieg senden: da er/ wider die Cantabrer, als Obrister/ sich wol verhalten. Darnach führte er das Römerheer in Armenien/ sezte Tigranem wieder zum König ein/ und ihme die Kron auf: welcher/ die dem Crasso vordessen
abgenommene Röm. Adlerfahnen/ zurück gabe Wiederum stillte er die Unruhe in Gallien/ und führte den Krieg in Rhätien/ Bannonia und Germania: da er die Triumf-Würde und Zierde verdienet/ und den 10 Maij A. C. 14 in Rom siegprachtend eingezogen.
Kais. Augustus hatte ihn/ auf der Livia mütterlichen Antrieb/ nachdem seine beyde Enkel/ des Agrippa Söhne/ Cajus und Lucius, innerhalb Sein Reichs Antritt. anderthalb Jahren gestorben/ vor 10 Jahren adoptirt und zum Thron Erben erkläret. Wie nun der zu Nola gestorben/ beruffte ihn seine Mutter/ vom Heerzug nach Illirico, zurücke: da er/ nachdem Kais. Augusti Leztwille im Senat abgelesen worden/ sich gestellet/ als wann ihm vor der Kaiser-Würde eckelte/ die er eine unerträgliche Bürde genennet/ um zu vernehmen/ wie ein jeder hierauf sich herauslassen würde. Er wolte sich auch lang nicht damit belegen lassen/ und liesse sich von etlichen gar fußfällig bitten. Endlich/ als gleichsam hierzu gezwungen/ nahme er diese Höchstwürde auf sich/ sagend/ wie daß er sich unter das Joch einer schweren Dienstbarkeit gäbe: Bedingte auch/ daß ihme frey stehen müste/ das Reich einmal wieder zu übergeben/ und ein ruhiges Alter zu haben.
Seine Verhältnis Tugenden. Er war anfangs ein guter Regent: aber es ergienge mit ihm/ wie mit dem Land Egypten/ da zwar heilsame Artzney-Kräuter/ aber auch starcke Giffte/ wachsen. Er erzeigte dem Raht soviel Demut. Ehrerbietung und Demut/ daß es schiene/ als ob Rom noch im Frey-Staat schwebte. Es war nichts weder grosses noch kleines/ davon er nicht ihr bedencken begehrte. Einem/ der ihn Herr (Dominum) genennt/ ließe er sagen: Er würde ihn öffter also nennen/ wann er ihn schelten wolte. Als auch ihrer viele/ ihme auf alle Weise zu schmeichlen/ sich befliessen/ nahme er solches so übel auf/ daß er/ wann er aus dem Raht gienge/ bey sich selbst sagte: O Leute/ die sich bereiten/ Knechte zu seyn.
Genüglichkeit. Er ware auch den Römern ein Fürbild der Genüglichkeit/ indem er oftmals von gestrigen überbliebenen Speisen asse/ und den Vorstehern der Provinzen zuschriebe den bekandten herrlichen Fürsten-Spruch: Ein guter Hirt/ pflege die Schafe allein zu bescheren/ aber nicht zu schinden. Wann er auch einem etwas schenkte/ so muste es ihm sobald in seiner Gegenwart bezahlt werden/ welches er darum thäte/ weil er erfahren/ daß Kaiser Augusti Schenckungen oftmals/ wie noch heut geschihet/ durch die eigennutzige Zahl- und Cammermeistere beschnitten worden.
Klugheit. Seine Prudenz erscheinet daraus/ daß Kaiser Augustus von ihm gesagt: er hinterlasse den Römern diesen seinen Nachfolger/ der niemals von einer Sache zweymal ratschlage. Als man ihm einst vorrückte/ Er pflege die Aemter auf ewig auszugeben/ gabe er zur Antwort: Volle Mucken und Zecken höreten auf Blut zu saugen/ wann sie voll wären/ welches die immer-neue nicht thäten.
Die Tiberius-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Tiberius, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 917