TA 1675, I, Buch 3 (Malerei), S. 101
Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Auch wenn eine direkte Text-Übernahme bis dato nicht nachzuweisen ist, stammen viele Aspekte zur chinesischen Malerei wie bereits von Peltzer vermutet aus Athanasius Kirchers China Monumentis […] illustrata – eine Quelle, die Sandrart im Kontext der asiatischen Götterkulte direkt benennt (vgl. TA 1679, I (Architektur), S. 55); s. Teutsche Academie 1675/Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 417, Anm. 1351/Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 910, Anm. 623,5/ Sullivan 1973, S. 93 f. Vor Kirchers polyhistorischem Werk gab es bereits um 1600 durch Matteo Ricci (1552–1610) – ebenfalls befördert durch die Jesuitenmission – Kenntnis der chinesichen Sammlungen und Malerei. Ricci schreibt über die mangelnde Kenntnis der Ölmalerei und der Perspektive sowie der fehlenden Lebendigkeit in den Werken chinesischer Künstler (vgl. Sullivan 1973, S. 47 f.).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 191
in alten Teppichen/findet/ sich vergleichen/ und/ weil die differenz allein in den Farben bestehet/ nicht zu Kupfer haben können gebracht werden. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Unter denselben befindet sich eine erbare Chineserin/ die/ nach Landes-Gebrauch/ die Milch aus ihrer Brust drücket/ und von ihrem Finger alsofort in des Kindes Mund lauffen lässet. Dann also pflegen sie ihre Kinder zu nehren/ um nicht von ihnen gebissen zu werden/ und damit die Kinder keinen großen Mund/ welches bey ihnen ein sehr schändliches Zeichen ist/ überkommen mögen. Eine andere Figur praesentiret einen von den vornehmsten/ reichsten und ansehnlichsten Herren des Königreichs/ der in seinem Palast/ auf einem schönen Teppich/ kostbar gekleidet/ seine recreation hat/ mit seinen Cucubinen vergesellschaftet/ die ihm aufwarten/ ihn beräuchern/ abkühlen und ihme Wind machen. Wiederum zeiget sich/ ein auf den Kniehen ligender gemeiner Schreiber/ mit einer Schüssel ihres Tee-Getranks/ zum trinken geneigt. In einer andern Figur erscheinet eine Adeliche Dame/ die einen wilden Vogel abrichtet/ welches bey ihnen auf dem Lande sehr gebräuchlich ist. Dann die Chineserinnen haben große Freude und Belieben/ die fliegende Vögelein/ die sie in großer Menge und überaus schöne haben/ zahm und leutliebend zu machen. Noch eine Figur machet vorstellig eine Dänzerin/ deren bey ihnen sehr viele zu finden: welche in den Wirtshäusern/ oder auch sonst bey Gastereyen/ wo sie verlanget werden/ mit ihren Instrumenten auf vielfältige weise aufspielen/ selbst danzen/ als Comödianten singen und springen/ und auf solche weise den Gesellschaften/ um das Geld/ sich dienstfärtig erweisen.
Während Peltzer die Möglichkeit in Betracht zieht, Sandrart habe Werke chinesischer Künstler in Amsterdam erwerben können (vgl. Teutsche Academie 1675/Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 417, Anm. 1351), lassen sich doch auch Kupferstichillustrationen als Vermittler dieser Malerei identifizieren. Die beiden Hofdamen mit Vogel aus Kirchers China Monumenta […] illustrata etwa entsprechen recht genau Sandrarts Beschreibung (siehe hierzu Kircher, China illustrata, Teil II, Kap. IX, überprüft anhand der Editio princeps 1667, vgl. Online-Ausgabe WDB, Tafel Dd und Tafel Ee); vgl. Sullivan 1973, S. 94.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Auch wenn eine direkte Text-Übernahme bis dato nicht nachzuweisen ist, stammen viele Aspekte zur chinesischen Malerei wie bereits von Peltzer vermutet aus Athanasius Kirchers China Monumentis […] illustrata – eine Quelle, die Sandrart im Kontext der asiatischen Götterkulte direkt benennt (vgl. TA 1679, I (Architektur), S. 55); s. Teutsche Academie 1675/Viten (Ed. Peltzer 1925), S. 417, Anm. 1351/Klemm, Kommentar Viten 1995, S. 910, Anm. 623,5/ Sullivan 1973, S. 93 f. Vor Kirchers polyhistorischem Werk gab es bereits um 1600 durch Matteo Ricci (1552–1610) – ebenfalls befördert durch die Jesuitenmission – Kenntnis der chinesichen Sammlungen und Malerei. Ricci schreibt über die mangelnde Kenntnis der Ölmalerei und der Perspektive sowie der fehlenden Lebendigkeit in den Werken chinesischer Künstler (vgl. Sullivan 1973, S. 47 f.).Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 191
Dass Sandrart im Folgenden ein Kapitel zur Graphik anschließt, mag auf eine relativierte Einschätzung der chinesischen Kunst seitens der Europäer hindeuten, die sich u.a. in John Evelyns Sculptura: or the History, and Art of Chalcography and Engraving in Copper (London 1662) niederschlägt. Hierin wird die chinesische Kunst der Kalligraphie gelobt und mit der Graphik verglichen; vgl. Heck 2006, S. 68.
SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Für das Kapitel zu den graphischen Techniken greift Sandrart vor allem auf die Publikationen von Abraham Bosse zurück: die Sentiments sur la distinction des diverses manières de la peinture, dessein et gravure (Paris 1649) und den Traicté des manières de graver en taille-douce sur l’airin. Par le Moyen des Eaux Fortes, & des Vernix Durs & Mols (Paris 1645), vgl. hierzu das Digitalisat der BnF. Beide Texte werden allerdings nicht wörtlich übertragen, sondern nur in einzelnen Aspekten exzerpiert; vgl. Heck 2006, S. 42.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 193Bevor wir unsern Discurs beschließen/ ist noch Vom Form- und in Holz-Schneiden. etwas weniges zu sagen/ von dem Form- und in Holz-Schneiden: welche schöne Wissenschaft/ besonderlich in den Druck-Büchern/ mit den Anfangs-Buchstaben große Zier gibet. Diese Kunst-Arbeit beschihet auf Birnbäumen-hölzernen Stöcken/ erstlich mit der Feder/ durch einen guten Zeichner/ und alsdann vom Formschneider: welcher mit subtilen Instrumenten/ aus dem Stock alles Nebenholz herausschneidet/ also daß/ bloß der Handriß und was gezeichnet worden/ erhoben und übrig bleibet. Hierauf wird/ dieser geschnittene Stock/ in die Druck-Form an die Buchstaben gesetzet/ und also/ in die Rame eingeschraubt/ durch die Preße auf das Papier mit aufgedrucket. Die Ehre der Erfindung dieser schönen Kunst/ haben unsere Teutschen: aus welcher folgends das Buchdrucken entstanden/ und Diese Kunst hat zur Erfindung der Buchdruckerey-kunst anlaß gegeben. A. 1440 zu Straßburg und Mainz seinen anfang genommen.
Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass Sandrart hier nicht allein die Erfindung des Buchdrucks rühmt, sondern auch die Gattung der Blockbücher meint, bei denen Text und Bilder von einem bzw. mehreren Holzstöcken gedruckt wurde; vgl. Heck 2006, S. 68. Maßen/ wie bekant/ ehe man die Buchstaben gießen gelernet/ eine ganze Schrifft-Form auf Holz geschrieben/ hernach ausgegraben/ und folgends abgedruckt worden: wie noch inden allerersten Büchern/ als dem Belials-Process A. 1487, der Nürnbergischen Reformation A. 1488 und mehr andern/ zu ersehen ist.
A propos de l’histoire de la gravur et de l’utilisation que l’auteur en fait voir: Heck 2007
Künstlere/ in dieser Arbeit/ in den Niderlanden Lucas von Leyden/ Solche Holzschnitte waren bey den alten Teutschen/ als ersten Erfindern/ in großen Würden: denen nachmals in den Niderlanden/ der Schwarze Jan aus Frießland/ Lucas von Leyden in Holland/ und endlich auch in Italien Marco Antonio und
in Italien/ in Teutschland/ Albrecht Dürer/ Hugo da Carpi, nachgefolget. Unter den Teutschen/ hat der arbeitsame Dürer selbst etliche Stöcke geschnitten. Ihm folgte Tobias Stimmer/ und demselben sein Bruder Christoph Stimmer/ ein vortrefflicher Formschneider. Also waren/ nicht allein zu Nürnberg/ sondern auch zu Augsburg/ Basel und Straßburg/ viel gute Meister dieser Grünwald und Holbein. schönen Wissenschaft: wie in Dürers/ Grünwalds und Pirkheimers auch Holbeins Schriften und Werken ruhmwürdig zu ersehen. Ich hätte gern derer Meistere allhier mit Lob erwehnen wollen/ welche die ausbündige und fürtreffliche Holzschnitte und Figuren in den Schriften Petrarchae Anno 1551, auch Ciceronis A. 1540 gedruckt/ des zu Nürnberg edirten Kirchen-Calenders Als Beispiele dieser Gelegenheitsschriften seien Johann Schwägers Prognosticum Sacrum (Nürnberg 1631) und Andreas Goldmayers Generalis Calendarii Novi Basis (Nürnberg 1654) genannt./ auch in nähern Zeiten vieler Teutsch- und Lateinischen Bibeln/ Operum Homeri, Virgilii und Ovidii, verfärtigt: habe aber ihre Namen nirgends finden noch erfragen können.
Von der sogenannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Die also genannte Schwarze Kunst in Kupfer zu arbeiten/ deren hierbey auch billig zu erwehnen/ ist eine Kunst/ vermittels scharffer spitziger Instrumente von Stahl und Eisen/ auf den gepallirten Kupfern zu fahren/ reiben/ drucken und rollen: da dann/ durch die Härte des Zeugs/ ein Bild oder Figur in das linde Kupfer hinein geritzet wird. Diese Arbeit/ gibt etwan 50 oder 60 saubere Abdrücke/ hernach aber schleift es sich bald ab/ weil es nicht tieff ins Kupfer gehet. Sie wird für keine große Kunst gehalten/ und ist nur eine zierliche Ubung. Die ganze Arbeit bestehet allein in der Zeichnung: wer diese in Hand und Verstand hat/ deme sind diese und andere dergleichen Wissenschaften/ nur ein Spiel.
Deren erster Erfinder/ ein Obrist-Leutenant/ N. von Siegen. Der erste Erfinder dieser Kunst ware Anno 1648, nach beschlossenem Teutschen Krieg/ ein Hessischer Obrist-Leutenant/ Namens von Siegen: welcher auf solche weise Ihro Durchl. der regirenden Frau Wittib von Hessen-Cassel Contrafät in halb Lebens-Größe/ wie auch den Prinzen von Oranien/ gebildet. Nach solchem haben Ihr. Durchl. Prinz Robert, Pfalzgraf bey Rhein/ als die in der Zeichen- und Mahlerey Kunst perfect erfahren/ diese Wissenschaft herrlich und zu solcher Vollkommenheit erhoben/ daß darinn ein mehrers nicht zu erfinden ist: wie unterschiedliche Werke von deren fürtrefflicher Hand/ als eine Magdalena/ etliche Contrafäte/ ein sich umsehender Soldat mit seinem glänzenden Harnisch/ Schild und Spieß/ alles unverbesserlich/ vorzelgen. Hiernächst hat W. Vaillant, thut hierinn wunder. W. Vaillant, als ein guter erfahrner Mahler/ in der Zeichnung meisterhaft beschlagen/ diese Manier fortgesetzt/ und eine Menge herrlicher Werke davon in Kupfer zu bringen angefangen/ diezu erzehlen gar zulang fallen würde: welcher durch continuirliche Ubung und Fleiß hierinn fast wunder thut. Es ist aber diese Art den zierlichen Schraffirungen und andern Mühsamkeiten/ die zum Kupferstechen erfordert werden/ nicht untergeben/ sondern wann der Umriß/ neben dem Schatten und Liecht/ accurat ist/ die Schraffirung/ Striche oder Tüpfel mögen gehen wie sie wollen/ so ist der qualitet dadurch nichts benommen. Sonsten gibet diese Arbeit an die Hand/ eine überaus große lieblich
Für das Kapitel zu den graphischen Techniken greift Sandrart vor allem auf die Publikationen von Abraham Bosse zurück: die Sentiments sur la distinction des diverses manières de la peinture, dessein et gravure (Paris 1649) und den Traicté des manières de graver en taille-douce sur l’airin. Par le Moyen des Eaux Fortes, & des Vernix Durs & Mols (Paris 1645), vgl. hierzu das Digitalisat der BnF. Beide Texte werden allerdings nicht wörtlich übertragen, sondern nur in einzelnen Aspekten exzerpiert; vgl. Heck 2006, S. 42.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 193