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TA 1675, I, Vorrede, S. 3

Vasari (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 3): Vasari, Le Vite 1568, Proemio di tutta l’opera, überprüft anhand der Ed. Bettarini/Barocchi, vgl. Online-Ausgabe SNS, Bd. I, S. 9S. 30. Einige Passagen kürzt Sandrart und verleiht der Argumentation durch zahlreiche rhetorische Figuren eine besonders eindringliche Gestalt (vgl. dazu Schreurs 2010(b), S. 255 f.).Christina Posselt, 17.07.2010Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 12
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Leinwat/ Glas und Stein? Kommen sie nicht von mir/ der Pictura? Woher rühren die vortrefliche Miniaturen/ das Mosaische Glasmahler-Werk/ die zu Kupfer gebrachte Kunst-Stiche/ das rare Schmelz-Werk der Gold-Künstlere/ und noch andere unzählbare/ die hier/ geliebte Kürze zu halten/ unbenennt bleiben? Kommen sie nicht von mir/ der Pittura?

Daß aber die Werke der Scultura eine mehrere Langwürigkeit/ als die Pictur, in sich haben/ solches wirket allein der Stoff/ in welchem sie arbeiten/ und ist hiervon keine Langwürigkeit gibt keinen Vorzug. Praeeminenz oder Adel her zu nehmen: weil folglich auch ein alt-belebter Bauer einem in jungen Jahren verstorbenen Käyser/ eine Fichte oder Dannenbaum allen köstlichen Pflanzen/ ein Hirsch oder sonst langlebiges Thier/ dem Menschen/ müste vorgezogen werden. Uber das ist mir auch wol bewust/ daß in Rom Bildniße auf Mosaische Art gemahlet zufinden sind/ welche das Alter aller Statuen und Colossen mit ihrer Langwürigkeit übertroffen.

Was aber die Mänge und Vielheit der Mahler/ und im Gegensatz die kleine Anzahl der Bildhauer berühret/ so folgert es sich hieraus nicht/ daß zu der Scultur sinnreichere Ingenia und mehr-begeistete judicia erheischet werden: sondern es entstehet solches Warüm der Bildhauer wenig sind? allein daraus/ daß zu unseren Zeiten wenigere Liebhaber der Scultur, so die Kosten darauf wenden/anzutreffen/ daher die Kunstfähigen/ aus Mangelnötig- und anständiger Nahrungs-Mittel/ in eine andere Zunft treten müßen. Es ist auch nicht so leicht/ ein Stuck nach dem andern/ von kostbaren Steinen/ von der Hand zu werffen/ weil sie in hohem Die Bildhauer Kunst mus durch stätige Ubung begriffen werden Wehrt bestehen: maßen auch ohn stätige Practica und Ubung/ diese Kunst gar seicht begriffen wird.Demnach hätte die Scultura, durch diesen Fürwand/ viel vernünftiger die Wenigkeit ihrer Künstler entschuldigen können/ als daß sie hierinn einen Ruhm/ Praeeminenz und Vorzug suchet.

Hierbey ist auch anzumerken/ daß/ obgleich die Statuen und Bildniße der Scultura von mehr-schätzbarer Materi und Stoffe Mahlerey-Arbeit ist theurer/ als Statuen. sind/ als des Mahlers seine/ solche doch niemals um so hohen Wehrt/ als des Mahlers Arbeit/ verhandlet werden. Dann/ wann hat jemals eine geschnitzte oder gehauene Statue einigem Monarchen so viel gestanden/ als Alexandern dem Großen des Apelles Mahlerey? Wann ist einiges Künstlers oder Bildhauers Stuck um so viel tausend Cronen/ als wie so manches Gemälde/ bezahlet worden? Ob auch schon die Antichen dich/ die Scultura, in Gold/ meine Bildnus hingegen nur in Silber vorgebildet: so ist doch dardurch nur/ deine und deiner Künstlere Arroganz und vermeßener Hochmut/ entdecket worden.

Rechte Spalte

Wann auch in der Schwerigkeit/ wegen der Härte des Stoffs/ darinn die Bildhauer arbeiten/ ein Adel und Vorzug zu suchen/ so wird dieser Ruhm mehr die Steinbrecher/ so Die Schwerheit der Kunst besteht mehr in der Arbeit des Verstandes/ als der Hände. in den Gebirgen und Steinklüften sich härtiglich bemühen/ angehen/ und folglich ein plumper/ einäugig- und krummer Vulcanus einem köstlichen Gold-Künstler vorzuziehen seyn. Es ist aber weit gefehlet! weil alle Schwernis/ mehr nach der innerlichen Verstands als der äußerlichen Hand-Arbeit/ zu schätzen ist. Weil nun der Bildhauer/ allein das äußerliche Corpo auszuarbeiten/ sich bemühet/ der Kunstmahler aber/ auch die innere Passionen und Gemüts-Neigungen/ vorzu bilden schuldig ist: Als habe ich ja mehr/ als du Scultura, des Vorzug-Adels mich zu berühmen.

Es vergnüget sich auch der Bildhauer/ wann er die Länge nach dem Richtscheit/ die Mahlerey erfodert weit mehr Stücke/ als die Scultur. Höhe nach dem Senkel/ und die Winkel nach dem Winkelmaß/ gerichtet hat. Bey dem Mahler aber wird nicht allein dieses/ sondern über das noch erfordert/ die Erkantnis der Prospettive, die Vertheilung vieler Personen/ Thiere und anderer Sachen/ die in sein Gemälde kommen/ die Erhöh- und Tieffung der Farben/ die Vergrößer- und Verkleinerung der Figuren nach den Distanzen: Da dann tausendmal mehr Irrsalen/ als in einer Statue, können begangen werden.Dem Bildhauer ist genug/ wann er der Gestalt und Gesichter Wissenschaft hat/ auch die Glieder auszuarbeiten und vorzubilden weiß.Dem Mahler hingegen liget ob/ überdiß auch alle unbetastliche Leiber zu entwerfen/ und die Optica, worinn aller natürlichen Dinge Schatten/ und deren Widerschein begriffen/ gründlich zu wissen/ auch die Farben zu temperiren und zu brechen/ alles zu erheben und zu rundiren/ was an sich selbst nur ein flache Tafel ist/ durch seine Kunst/ alles nach seiner Eigenschaft zu exprimiren/ auszutheilen/ und jedes Bild mit seiner nohtwendigen Farbe/ deren doch viel tausend sind/ zu entwerffen. Man betrachte nur die Blumen des Felds/ die unterschiedliche Blüten der Bäume/ auch alle Dinge in der Luft/ im Meer/ in Bergwerken: und nach solchem allen/ ist doch das Ende meiner Farben-Mänge noch weit nicht erlanget. Und gleichwol habe ich/ in allem diesem/ meine Scholaren zu lehren und zu unterrichten.

Es mus zwar auch die Scultur, (ich gestehe es) in ihren Statuen/ die anständige Affecten/ Bewegungen und Gebärden vorstellen: aber solches geschihet weit unvollkommener/ dann in der Mahlerey. Dann über das alles/ was in Ausbildung der Gebärden/ des Bewegens der Gliedmaßen/ drohlichen Angesichtes/ erhebten und freyen Armes/ Der Mahler mus/ neben den Affecten, auch alle andere Umstände praesentiren. schnellflüchtigen Corpo, und andrem dergleichen/ beruhet/ mus ich/ die Pictura, durch gebürliche Abwechselung der Farben des Angesichts/

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Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 3): Vasari, Le Vite 1568, Proemio di tutta l’opera, überprüft anhand der Ed. Bettarini/Barocchi, vgl. Online-Ausgabe SNS, Bd. I, S. 9S. 30. Einige Passagen kürzt Sandrart und verleiht der Argumentation durch zahlreiche rhetorische Figuren eine besonders eindringliche Gestalt (vgl. dazu Schreurs 2010(b), S. 255 f.).Christina Posselt, 17.07.2010Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 15