TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 84
Mander (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 12): Mander, Schilderboek, Het leven van Lionardo da Vinci, Schilder, en Beeldt-snijder, van Florencen, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 111v–115r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631HsEqxo].Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 291
Ist ein guter Anatomicus. war/ indem er ihm mit der Menschen Anatomia verständig an die Hand gienge: Er durchsuchte die Glieder mit eigner Hand/ zeichnete die Beine/ die feste und sich rührende musculn, alles mit Rötelstein/ so doch/ daß er mit der Feder darein schraffirte: Er beschriebe auch zugleich/ was er gezeichnet/ mit der linken Hand/ so/ daß man es nur in einem Spiegel lesen konte/ welches Buch nachmals der Meyländische Edelmann Francesco Melzo bekommen/ und sehr hoch gehalten hat. Schreibt Bücher von der Mahl-Kunst. Von der Zeichen- Colorir- und Mahl-Kunst hat er auch ein Buch geschrieben/ von dem Vasari meldet/ daß es der Besitzer habe wollen drucken lassen/ ob es aber geschehen/ weiß ich nicht.
König Ludwig aus Frankreich eroberte Meyland/ als unser Leonardo eben daselbst war/ derselbe/ als er von ihm gehört/ begehrte/ er solte etwas Mahlt etwas seltsames. seltsames für ihn mahlen/ deme zu folg machte unser Künstler einen etliche Staffeln hinauf steigenden Löwen/ mit eröfneter und von Lilien angefülleter Brust. Darauf zoge er wieder nach Florenz/ und als Philippino, der berühmte Mahler/ vernahme/ daß er gerne die hohe Altar-Tafel machen wolte/ so die Mönche von Servi ihme angedinget hatten/ überließ er solche dem Leonardo, welchen also die Mönche/ samt seiner ganzen Haußhaltung Eine hohe Altar-Tafel./ unterhielten: Nach langem Aufschub machte er endlich die H. Jungfer Maria/ S. Johann/ S. Anna und das Christkindlein/ welches auf ihrer Mutter Schoß saße/ und von derselben frölich angeblicket wurde/ ohne Abgang ihres im übrigen beständig und demütig gebildeten Gesichts: S. Johannes spielte mit einem Lämlein/ S. Anna sahe diese mit lachendem Mund an/ und ware dieses Gemähl so fürtrefflich/ daß es nicht allein bey allen Künstlern eine große Verwunderung verursachte; sondern es gienge zwey Tag lang/ dasselbe zu besehen/ so viel Volks/ daß man hätte meinen sollen/ es würde ein hohes Fest/ oder eine procession gehalten.
Begibt sich aufs contrafäten. Nach diesem verfärtigte er unterschiedliche Contrafäte der fürnehmsten Edelfrauen/ absonderlich aber wandte er möglichsten Fleiß und Kunst an die Mona Lisa des Francesco del Giocondo Hauß-Frau/ als an dern Bildnis er vier Jahr gearbeitet/ und doch unausgemacht gelassen Dass sich dieses Bildnis in Fontainebleau befand, davon weiß van Mander zu berichten : »dit voer oock ten lesten in Vranckrijck, en wert bewaert tot Fonteyne Bleau voor den Coningh« (vgl. Mander, Schilderboek, Het leven van Lionardo da Vinci, Schilder, en Beeldt-snijder, van Florencen, hier zitiert nach der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 114r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631HsEqxo])./ aus dem gemachten aber ware schon zu sehen/ wie nahe die Kunst der Natur kommen möge/ indem er alle/ auch die geringste Sachen/ so zu mahlen sind/ sorgfältig gebildet hatte: In den Augen sahe man eigentlich den wässerigten Glanz/ und die rothe Striemlein auf dem Blauen spielen/ auf den Augenliedern waren die kleine Härlein/ ja so gar die/ so erst an den Augbrauen aus der Haut wachsen/ gebildet: In dem Grüblein der Kählen sahe man fast das Schlagen der Puls/ so daß/ kurz zu sagen/ alles Fleisch und Leben zu seyn schiene: So oft er an diesem Stuck mahlte/ hatte er jemand bey sich/ so ihm entweders auf einem Musicalischen Instrument spielte/ sange/ oder sonst was Kurzweiliges triebe/ vermeinend/ hiemit die Schwermühtigkeit/ so aus dem langen Sitzen verursachet wird/ zu vertreiben/ auf daß ja das Contrafät frölich aussehen möchte.
Wegen so vieler gethaner Probstücke in der Kunst/ wurde ihm der Saal des Rahthauses zu Mahlet eine Schlacht. mahlen verdinget/ da machte er die Schlacht des Nicolai Picinini, Herzogs Philippo zu Meyland/ gewesenen Obristens/ in derselben ware zu sehen ein Hauffen zu Pferd sitzender Reiter/ die um ein Panier stritten: Zwey Pferde wütenten mit erhobenen Füssen und blöckenden Zähnen/ ja so heftig wider einander/ als ihre Bereiter selbst/ welche dasselbe wegnehmen wolten/ ein anderer hatte es bey den Stangen gefasst/ und wandte sein Pferd in die Flucht/ solches diesen/ und noch andern zweyen/ so es auch bey der Stangen hielten/ und mit denen in der andern Hand blickenden Schwerdtern/ solche abzuhauen droheten/ zu entziehen/ darzu kam noch ein alter Ritter/ gleichfals nach der Stange greiffend/ und/ als wolte er mit seinem Säbel ihnen allen die Hände abmetzeln/ gebildet/ deme zwey von obigen vieren ihren gleichmässigen Grimm mit zusammen gebissenen Zähnen entdeckten. Zu den Füßen dieser Pferde lagen zween verkürzte Soldaten/ dern einer dem andern mit ausgerektem Degen den Garaus machen will/ der aber durch möglichste Gegenwehr dem Tod zu entfliehen suchet. Uberaus künst- und natürlich waren die Stellungen der Pferde/ samt ihren Wendungen/ die Helme/ Harnisch und andere Waffen gebildet/ und gebrauchte er sich darzu eines sonderbaren Gerüsts/ das er nach Belieben erhöhen oder ernidrigen/ erweitern oder verkürzen konte/ weil er aber merkte/ daß sein Vorhaben/ mit Oelfarb auf die mit dickem Grund überzogne Maur zu mahlen/ nicht würde angehen/ sondern das Gemähl doch verderben/ ließ er dieses schöne Stuck/ obgedachter massen angefangen/ auch unausgemacht stehen. Als er einsmals sein Monat-Geld abforderte/ und der Pfenningmeister ihm solches an Quadrinen (welches eine Münz fast wie Pfennig ist) in Duten oder Gestatteln/ gabe/ wolte ers nicht annehmen/ sagende: Er wäre kein Mahler von Quadrinen.
Darauf zog er mit Julian de Medices, zu der Wahl Papst Leons des zehenden/ nach Rom/ und Treibt artliche Possen. stelte daselbst viel Possen an: Er machte Vögelein und Thier von gewissem dünnen Teig/ die bließ er voll Wind/ und ließ sie in die Luft fliegen/ worinn sie so lang blieben/ als sie Wind hatten: So säuberte er auch die Schafsdärme vom Fett/ machte sie dünn und fest aufeinander/ daß sie konten in einer Hand behalten werden/ und ließe darauf in zweyen Neben-Gemachen/ mit großen Blaßbälgen in derselben Ende blasen/ so/ daß die Därme die ganze Cammer erfülleten: Hiemit verglich er den Anwesenden die Kunst/ die von kleinem Anfang/ sehr Probirt allerley Oele und Fürnisse. groß worden sey. Er probirte allerley Gattungen Oels zum Gebrauch in der Mahlerey/ erfande auch allerhand Fürniße/ darunter die Farben schön und frisch blieben; wie sehr er aber auf die conservation der Gemälde gesonnen/ ist doch gewiß/ daß ein Marien-Bild von seiner Hand heutiges Tages sehr verdorben zu sehen/ das er ehdem für einen Edelmann des Papsts gemahlet/ und sehr schön war/ ob es aber durch seine seltsame Farben-Vermischung/ oder Unfleiß des Gründers geschehen/ weiß man nicht. Van Mander erwähnt hier noch ein anderes Werk: »Op een ander penneel conterfeytte hy een Kindt, dat schoon en wonder gracelijck is.« (Vgl. Mander, Schilderboek, Het leven van Lionardo da Vinci, Schilder, en Beeldt-snijder, van Florencen, hier zitiert nach der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 114v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631HsEqxo]). Als ihm einsmals der Papst eine
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 12): Mander, Schilderboek, Het leven van Lionardo da Vinci, Schilder, en Beeldt-snijder, van Florencen, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 111v–115r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631HsEqxo].Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 293