TA 1679, Metamorphosis, S. 36
Was es bedeute/ das Semele von der Juno betrogen. bösen Lüsten/ gefangen und verzehret wird: indem sein unbeständig und ungezähmtes Gemüht seinen unkeuschen Augen unterthan ist/ und/ zu seinem äusserstem Verderben/ nachfolget. Die Semele/ betrogen von der Juno/ (die verwandelt ward in die Beroe/ ihre Säugamme) bedeutet/ daß die Menschen offtmals von Gott schädliche Dinge/ zu ihren eignen Verderben/ bitten und begehren: worzu sie dann gereitzet werden/ von ihrer eignen bösen Neigung/ oder thörichten Begierden/ die gleichsam ihre Säugamme und Ernehrerin ist.
Erklärung von der Geburt des Bachus. Daß die Semele von dem Jupiter/ geschwängert war/ und mit dem Bachus schwanger wurde/ deutet an/ daß der Wein- oder Rebstock/ so durch die Semele/ abgebildet wird/ zur Zeit des Frühlings beginnet zu schwellen/ durch die Hitze der Sonnen/ und schwanger oder befruchtet werde/ mit dem Bachus/ das ist/ dem Weine/ der im Stamme ist. Und dieser Wein- oder Rebstock/ die Semele/ wird des Sommers/ durch die meiste Sonnenhitze/ also gerührt und bestrahlet/ daß sie ihre Frucht beginnet von sich zu geben: da solche dann von dem Jupiter angenommen und empfangen wird/ das ist/ die Weintraube wird hervorgebracht/ und in den Bauch der Lufft/ wordurch alhier der Jupiter verstanden wird/ angenommen. Daß ich aber in den Bauch/ und den dicken Oberschenckel sage/ ist eben eines: Dann das Kind/ auch nach der Poeten dichten selbst/ im dicken Ober-schenckel/ und Bauche/ verborgen war: Gestaltsam der artliche Poet Euripides/ in seinem Bachus/ den Jupiter also redend/ einführet:
so zweymal ist geborn/ und mir pflegt lieb¶ zu seyn.
Nachdem nun der Jupiter dis Kind Bachus getragen hatte/ gab er des Bachus Vatters Schwester/ der Ino/ solches heimlich aufzuerziehen/ das ist: die Blätter der Weinreben verbergen die Trauben/ auf daß sie/ mit guter Beqemligkeit/ zur Reiffung kommen können/ und nicht/ zur Unzeit/ von der Sonnenhitze/ allzu sehr bestrahlet werden mögen. Ferner werden die Trauben mit einander unterhalten/ durch die Nymphen Niseides/ das ist/ die Feuchtigkeit der Nacht/ oder erqvickt und getemperirt/ durch den erfühlenden Thau. Alhier können wir nicht vorbey/ den erwähnten Bachus etwas weitläufftiger zu beschreiben/ und anzuzeigen/ was er eigentlich gewest/ oder worfür er zuhalten sey.
Von dem Bachus/ oder
Dionysius.
WEr des Bachus oder Dionysius Eltern gewesen/ darvon sind die Poeten unterschiedlicher Meinung/ wie nicht weniger auch wie/ wormit/ und von wem er auferzogen worden. Cicero schreibet/ im dritten Buch von Natur der Götter/ von fünff Dionysiis. Der erste war/ sagt er/ ein Sohn des Jupiters und der Proserpina; der andere von dem Nilus/ und so fort an/ bis auf fünf.
Woraus abzunehmen/ daß derer unterschiedliche/ dieses Namens/ gewesen seyn müssen. Der Poet Orpheus nennet ihn den Sohn der Semele/ und gibt aus/ daß er/ an dem Ufer des Meers/ geboren worden. Und wiederum/ an einem andern Orte/ in der Götter Lobgesängen/ nennet er ihn nochmaln den Sohn Jupiters/ und vorbesagter Semele/ die er/ mit einem Krantz von Epheu geziert/ einführet. Diese Semele war eine Tochter des Cadmus/ eines Bruders der Europae/ der seine Tochter (einiger Scribenten Vorgeben nach) wegen ihre Hurerey zu bestraffen/ mit dem neugebornem Kinde/ in einen höltzernen Kasten verschlossen/ und den Meerswellen übergeben/ die sie/ mit dem jungen Bachus/ in der Landschaft der Oreaten/ unter der Lacedämonier Herrschaft/ an den Strand ausgeworffen/ allda die Leute des Landes den Kasten geöffnet/ und die Semele todt darinnen gefunden/ sie auch ehrlich begraben/ das Kind aber auferziehen lassen. Von der Zeit an/ wären die Oreaten/ wie Nicander erzehlet/ nach dem Wort Brasoe/ das ist/ anspülen/ Brasianen genannt worden. Die Semele pflegte man zu mahlen/ mit einem langem Haar/ als eine andere Göttin. Uberdis bekräfftiget auch Orpheus/ in einem Lobgesange des Bachus/ was dorten Cicero erzehlet/ daß nemlich Bachus ein Sohn des Jupiters und der Proserpina sey. An einem andern Orte aber nennet er ihn einen Sohn der Egyptischen Isis/ und ein Pflegkind der Nymphen. Daß er Dionysius geheissen/ Warum Bachus Dionysius genennet worden. darüber fallen mancherley Gedancken. Etliche vermuhten/ es komme daher/ weil er/ wie Stesimbrotus wil/ mit Hörnlein geboren worden/ und dem Jupiter dardurch in dem dicken des Oberschenckels grosse Schmertzen verursacht habe: Andere/ weil Jupiter/ als er geboren worden/ regnen lassen. Nonnus/ in den Dionysiacis/ setzt/ es sey darum geschehen/ weil Jupiter/ als er ihn/ im Dicken des Oberschenckels/ getragen/ gehinckt habe. Angemerckt/ durch das Wörtlein Dio/ der Jupiter angedeutet wird; Nysos aber/ in Sicilien/ so viel/ als lahm heisset. Lucianus/ in dem Gespräch der Götter/ saget: daß/ als Bachus geboren worden/ ihn Mercurius/ der solchen/ auf Befehl des Jupiters/ zuverwahren gehabt/ nacher Nysa/ einer Stadt in Arabien bey Egypten/ getragen/ woselbsten er bey den Nymphen aufzogen worden; dahero er auch Dionysius genennet worden sey. Ja/ er soll allda/ wie Etliche schreiben/ von den Musis selbsten/ erzogen worden seyn. Sonsten werden dem Bachus auch viel andere Namen gegeben: inmassen derselben Lilius Gyraldus acht und siebentzig/ oder mehr/ anzeigt/ so ihme alle zu geeignet werden/ deren viel die Kräffte und Eigenschafften des Weins bemercken. Dann sein eigner Name Bachus bedeutet Zorn/ oder Raserey; Gleichwie auch die Maenades/ seine versoffene Priesterinnen/ ihren Namen vom rasen haben;als die gantz Warum zweygestaltig ? rasend waren: weil der Wein solches verursachet. Er wird auch genannt Biformis/ oder zweygestaltig/ dieweiln er zweyerley Wirckung thut/ indem er etliche Menschen zornig und rasend/ andere aber Warum ein Stabträger freudig und frölich machet. Er heisset auch Narthecophorus: das ist/ Prügel- oder Steckenträger; dieweil der Stecken/ einem Wacklendem oder Taumlenden/ zur Unterstützung/ sehr dienlich ist: