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TA 1679, Metamorphosis, S. 35

Linke Spalte

Jugend/ vereitelt seynd/ oder grosse Lust und Gefallen darinnen haben. Allein/ es geschicht auch mehr dann zuviel/ daß/ durch die unreine muhtwillige Jugend/ oder dero Lüste/ die Weisheit bestritten/ aus dem Hertze vertrieben und gejaget/ oder aus dem Mittel geraumet wird/ gleichwie Cadmus dem Drachen thate. Dieses ist also auszulegen: daß Cadmus den Menschen-verderblichen Unverstand getödet/ darwider die Jugend/ mit der Löwenhaut der Tugend/ und dem scharffen Schwerte der Vorsichtigkeit/ zustreitten hat/ und wann sie überwindet/ tödten die übergebliebene/ oder vom neuen entstehende Gedancken/ oder eitele Meinungen der Jugend/ sich unter einander selbsten: wann man nur dem Rahte der Weisheit folget/ so werden unsere fünff Sinnen und Gedancken verständig/ und der Weisheit Rahte gehorsam; da sie uns dann alle tugendsame Wercke/ oder göttliche Arbeit/ welche das bauen der Stadt Thebes andeutet und zu erkennen giebt/ zu wege bringen helffen. Dieses Drachen-zähnigen Volckes grimmiger Streit/ so durch die Pallas geschlichtet/ deutet gleichfalls/ daß die Kriege aus Unverstande entstehen; der Friede aber/ durch Weisheit/ erlanget werde: wie dann das inwendige Gemüht/ als bereits erwähnt ist/ durch die Weisheit/ oder deroselben gute Lehre/ befriedigt wird. Welcher Lehre der Cadmus zum theil gleichfalls ein Urheber und Helffer gewesen: dieweiln er/ nach des Plinius/ und anderer/ Gezeugnus/ der erste gewest/ der nicht allein die Erkändnus sechzehen Griechischer Buchstaben im A.b.c. aus Phoenicien in Griechenland über bracht; sondern auch/ die Geschichte jedoch ohne gewisse Masse zu beschreiben begonnen; wiewol Etliche dieses nicht dem Phoenicischem; sondern dem Milesischem Cadmus zu geeignet haben. Also möchte/ wegen Erfind- und anTag-Bringung der edeln und nutzbaren Schreib-Kunst (vermittelst dero gute Gesetze/ und redliche Thaten/ in ewiger Gedächtnus behalten werden) Cadmus wol ein Menschen-Säer genennet werden. Der erstlich seinem Vatter/ in Suchung der Schwester/ und dann dem Apollo/ und der Pallas/ gehorsamte/ auch endlich/ durch viel Arbeit/ Gedult/ und unverdrossene Mühe/ die schöne Harmonia/ erlangte/ nemlich/ die süsse Seelenruh und gröste Glückseeligkeit. Nachdem nun/ als bereits erwähnt/ unser Poet gezeigt/ daß diese Fabel der Jugend zur Lehre diene/ schliesset er endlich; darum soll ein Jüngling allezeit in Hoffnung gedultig Leben/ und das Ende erwarten: dann vor dem letzten Tage des Lebens/ kan man niemand seelig preisen. Welchen sehr schönen Spruch auch Solon den König Croesus lehrte/ wordurch er nachgehens sein Leben rettete.

Von dem Actäon.

Actaeon wer er gewest. ACtaeon war ein Sohn des Aristäus und der Autonoe/ des Cadmus Tochter. Dieser/ weil er/ unter dem alten Chiron/ auferzogen und unterwiesen worden/ gab einen sehr grossen Liebhaber des Jagens: dahero er/ nach der Poeten dichten/ von der Diana in einen Hirschen verwandelt

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worden/ indeme er auf der Jagt sie nacket gesehen Actaeon hatte wol funfzig Jaghunde. hatte. Es werden/ von Einigen/ wol funffzig Jaghunde/ in Griecher Sprache benennet/ die den Actaeon erbissen haben solten: wordurch jedoch keine Materi oder Anlaß zu einiger lehrlichen Erklärung gegeben wird/ weiln sie mehrentheils nach ihrer Gestalt und Art benamset. Als: Schwartzfuß/ Folgespur/ Allschlucker/ Gutgesicht/ Berglauffer/ Tödtejung/ Ungewitter/ Grimmig-schnell/ und was dergleichen Eigenschafften mehr sind. Pausanias sagt/ in der Beotischen Geschicht/ daß Diana des Actaeons Hunde thöricht gemacht/ damit sie ihn nicht erkannt und getödet hätten. Andere melden/ Diana habe ihn mit einer Hirschhaut bedeckt/ damit er von den Hunden zerrissen worden/ und die Semele nicht ehlichen können. Acusilas gedenckt/ es sey darum geschehen/ weil sie von ihm wäre geschwächt worden. Auch sind noch andere Meinungen mehr/ so alhier zuerzehlen allzu lang fallen würde. Plutarchus schreibet/ Actaeon sey ein schöner Jüngling von Corinthen gewesen/ in den Archias/ vom Geschlecht der Heracliden/ sich so hefftig verliebt gehabt/ daß er/ ihn zu entführen gedacht: und weil dessen Vatter und Freunde ihn beschirmt/ sey er also von beyden Seiten gezogen/ und endlich zerrissen worden. Es hat Ursprung der Fabel von Actaeon. aber diese Fabel von dem Actaeon ihren Ursprung daher; daß Actaeon/ wie Fulgentius erzehlt/ in seiner Jugend/ die Jagd geliebt/ nachdem er aber zu verständigem Alter kommen/ und den daraus entstehenden Schaden und Gefahr besser betrachtet/ habe er sich solches nicht mehr/ als zuvor/ angelegen seyn lassen; gleichwol habe er die alte Lust zu den Hunden behalten/ deren er jederzeit sehr viel unterhalten/ und dardurch alles/ was er auf der Welt gehabt/ verzehret: dannenhero man dann gesagt/ daß er von den Auslegung über die Fabel vom Actaeon. Hunden wäre gefressen worden. Von welcher Fabel dann viel und unterschiedene Erklär- und Auslegungen sind; die eine ist/ daß/ von diesen Actaeonen/ etliche/ eine so grosse Lust und Wolgefallen an dem Lauffe des Himmels/ und der Veränderung des Monds/ welcher durch die Diana verstanden wird/ haben/ daß sie gleichsam in Hirschen verwandelt/ draussen in Büschen/ und einsamen Oertern stehen/ und dermassen/ durch den Eifer/ zu dieser Kunst/ gezogen werden/ daß sie/ von ihrer eignen häuslichen Nohtdurfft und Mangel/ gleichsam zerrissen und gefressen werden. Dann dieses sind die Hunde die nicht wollen/ daß wir uns selber Leben sollen. Andere sind der Meinung/ daß dardurch bestraffet werden die Undanckbare/ und unredliche Menschen/ welche der erwiesenen Wolthaten nit allein vergessen/ sondern dieselbe noch wol mit bösen Wercken vergelten; inmassen/ unter andern/ der Poet Theocritus/ zu erkennen geben wollen/ in diesen Worten:

Zeuch böse Hunde auf/ und laß sie niedlich speisen;
So können sie zu Lohn dich grausamlich zerreissen.

Es sind zwar auch noch mehr Mein- und Auslegungen; allein es kan Auslegungs gnug seyn/ daß mancher unbedachtsamer Actaeon/ von seinen eignen