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TA 1675, II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 93

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ManderInformat. on source text markers:
Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 13): Mander, Schilderboek, Het leven van Raphael Sanzio van Vrbijn, Schilder, en Bouwmeester, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 117r–121v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631I67vI6]. Der Anfang weicht etwas von van Mander ab, der nicht so ausführlich über die göttliche Talentvergabe reflektiert. Außerdem wurden einige Passagen von Sandrart in der Abfolge umgestellt.Christina Posselt, 07/21/2010The end of this part of the text is on page 305
würden/ wofern Raphaels Name nicht darunter stünde.

Indem nun Raphael je länger je höher in der Kunst stiege/ und seine Werke des Lehrmeisters seinen vorgezogen wurden/ nahm ihn sein vertrauter Freund Bernardino Pinturicchio mit nach Siena, damit er daselbst ihm ein und andere angedingte Arbeit zeichnen möchte. Inzwischen hörte er/ daß Leonardo da Vinae zu Florenz einen sehr künstlichen Carton, mit vielen Pferden/ und diesen zu trotz einen andern Michael Angelo gemacht hätte/ solche zu sehen/ reiste er dahin/ und da ihm/ neben dieser Arbeit/ die schöne Stadt sehr wol gefiele/ blieb er zimlich lang daselbst/ und bekame einen Anhang von vielen jungen Mahlern/ die ihn und seine Kunst hoch ehrten. Unter andern Kunstliebenden/ nahme sich seiner Taddeo Taddei fleißig an/ und pflegte mit ihme sehr vertrauliche Freundschaft: Solches thate auch Lorenzo Nasi, dem Mahlet zu Florenz ein Marien-Bild. er ein Marienbild/ mit dem Kindlein auf dem Schoß gemahlt/ wie ihme der junge S. Gioann sehr freudig ein Vögelein gibt/ alles so wol colorirt/ daß man am Marien-Bild eine demütigfreundliche Majestät/ an den Kindern eine recht kindische Einfalt/ an allen fast natürliches Fleisch siehet/ über die dabey gebildte Landschaft aber sich wol verwundern kan.

Nachdem ihm Vatter und Mutter gestorben/ kam er nach Urbino, seine Sachen in Richtigkeit zu bringen/ und mahlte für den Herzog zwey kleine Marien-Bilder sehr künstlich/ wie auch den HErrn Christum/ mit den dreyen Aposteln im Garten/ so fleißig und sorgfältig/ daß keine miniatur-Arbeit curioser kan verfärtiget werden: Von dannen zog er wieder nach Perugia, machte daselbst/ unter andern/ etliche Gesichter heiliger Jungfrauen/ mit sehr artlichen Haupt-Zierrahten/ und grosser Holdseligkeit/ worinnen er erwiese/ daß er zu Florenz guter Meistere Sachen gesehen hätte: Noch Ein geistliches Stuck. mahlte er ein Marien-Bild/ und wie das Christkindlein/ das von S. Elisabeth ihm zugeführte Knäblein S. Gioann freundlich empfängt: Joseph lehnet mit beyden Händen auf einem Stab/ und siehet/ neben den andern/ sein Haupt biegend/ mit Verwunderung an/ wie diese zween Vettere/ in so zarter Jugend/ einander mit solchem Verstand und Ehrerbietung begegneten: Alle Pinselstrich scheinen darinn rechtes Fleisch zu seyn/ und verdienet diß Gemähl wol eine sorgfältige Verwahrung:

Nun sahe dieser Künstler/ daß die berühmte Mahlere Leonardo da Vince, und Michaël Angelo der Manier des Masaccio nachahmten/ deßhalben zog er nach Florenz/ gedachten Künstlers Sachen bäßer abzusehen/ nahm auch augenscheinlich zu/ und kam unterdeß in vertrauliche Freundschaft mit dem Kunst-Mahler Baccio, bald kehrte er wieder um nach Perugien, und verfärtigte eine Capell zu S. Francisco, für den Attalanta Baglioni, zu welcher Arbeit er/ für seiner Reise nach Florenz/ die Zeichnung gemacht: Es Die Begräbnis Christi. ware die Begräbnis Christi/ in fresco so wol gebildet/ daß man meinen solte/ es wäre ganz frisch gemahlet/ dabey ist zu sehen die Traurigkeit der

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Freunde/ die sie theils mit Weinen/ theils mit Zusammenschlagung der Hände entdecken; die wehklagende Mutter und reine Jungfer Maria singt in Unmacht/ alle sehen untersich/ und ist der große Fleiß/ an die Gesichter/ Gewände und das ganze Stuck gewendet/ nicht gnugsam zu beschreiben.

Hierauf wurde Raphael von seinem Landsmann und Anverwandten Bramante, Papsts Julii III. Julii II. Baumeister/ nach Rom beruffen/ daselbst unterschiedliche neue Zimmer zu mahlen/ deme zu folg zoge Raphael dahin/ wurde vom Papst freundlich empfangen/ weil er aber merkte/ daß ein Probstück zu machen würde nöhtig seyn/ weil er unterschiedliche Mahler daselbst fande/ die allbereit etliche Seine Werke zu Rom/ die Vereinigung der Theologia und Philosophia. Zimmer verfärtiget/ fieng er eine schöne Historie an in der Siegel-Cammer/ wie nämlich die Theologia mit der Philosophie, Astrologie und Poësie vereiniget wird; Sandrart nimmt eine leichte Umstellung in der Nennung der Wissenschaften vor und lässt einen Satz van Manders aus: »alwaer gheconterfeyt zijn alle de Wijsen van de Weerelt, op verscheyden wijse disputerende« (vgl. Mander, Schilderboek, Het leven van Raphael Sanzio van Vrbijn, Schilder, en Bouwmeester, hier zitiert nach der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 118r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631I67vI6]).Christina Posselt, 07/11/2011 Darinn sind zu sehen die fürnehmste Heidnische Philosophi Aristoteles, Plato und andere mehr/ jeder mit einem Buch gebildet Van Mander nennt auch die Titel dieser Bücher: Der »Timaios« des Plato und die »Nikomachische Ethik« von Aristoteles (vgl. Mander, Schilderboek, Het leven van Raphael Sanzio van Vrbijn, Schilder, en Bouwmeester, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 118r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631I67vI6]).Christina Posselt, 07/11/2011/ und von einem Hauffen Lehrlinge umgeben/ Diogenes ligt/ mit seiner hölzernen Trinkschüssel/ auf der Stiege/ dessen Bildnis mehr wegen darinn angewandten Fleißes/ als wegen des fantastischen originals zu beobachten. Auf einer Seiten machen etliche Astrologi mit sehr seltsammer Handthierung des Zirkels allerhand charactern auf Tafeln/ dieselbe/ durch schöne Engel/ den vier Evangelisten auszulegen sendende: Unter diesen ist ein sehr schöner Jüngling/ Herzogs Fridrichs von Mantua Contrafät vorstellend/ welcher mit niedergebogenen Haupt und Verwunderung die Arme öfnet: Ferner eine andere sich buckende Person/ mit einem Zirkel in Händen/ damit auf eine Tafel reissend/ welches des Bramante Contrafät seyn solle; neben ihm stehet Zoroastro mit der Himmels-Kugel in Händen von hinten zu sehen/ und dabey Raphael selbst mit einem sehr freundlichen Gesicht: Noch ist in diesem Stuck ein nach der Perspectiv-Kunst zierlich mit vielen Bildern gemahltes Gebäu/ alles mit treflicher invention und gar guter Ordonanze der Historien/ so daß der Künstler alsobald mit dieser Prob erwiese/ daß er es allen übrigen Meistern vorthun würde/ dannenhero der Papst Julius III. Julius II. Hier korrigiert Sandrart van Mander, der Papst Pius an dieser Stelle nennt (vgl. Mander, Schilderboek, Het leven van Raphael Sanzio van Vrbijn, Schilder, en Bouwmeester, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 118r [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631I67vI6]). Es war jedoch Julius II., der Raffael den Auftrag für die Fresken der Vatikanischen Stanzen gab.Christina Posselt, 07/11/2011 alles herunter reissen ließ/ was andere in übrigen Zimmern gemahlt/ es mochte alt oder neu seyn/ und dingte es/ von neuem zu machen/ unserm Raphael an/ welcher selbst allein der Compartementen und Grotteschen des Antonio von Vercelli verschonte/ und selbige in sein Werk fügte. Die vier Ronde gedachten Die Erkantnis aller Sachen. Zimmers bemahlte er solcher Gestalt: In den ersten setzte er als eine Frau/ in einem Sessel/ die Erkantnis oder Urtheilung über alle Dinge/ auf der Seiten die Göttin Cybele, mit ihren Brüsten/ auf die Manier/ wie bey den Alten die Diane Polymaste gebildet. Ihre Kleidung ist vierfärbig/ die vier Elementen ausbildend/ oberhalb des Gürtels roht/ das Feuer/ unterhalb desselben blau/ die Luft/ über den Knien grün/ die Erde/ an den Füßen liechtblau/ das Wasser bedeutend/ neben herum stehen unterschiedliche schöne Kinder. In den andern Die Poësie. Rond/ machte er für die Poësie die Polyhymnia, mit Lorbeer-Blättern gekrönet/ und in

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Als Quelle liegt hier folgender Text zugrunde (vgl. Sponsel 1896, S. 13): Mander, Schilderboek, Het leven van Raphael Sanzio van Vrbijn, Schilder, en Bouwmeester, überprüft anhand der Ausgabe von 1604, vgl. Online-Ausgabe DBNL, fol. 117r–121v [Accessed: 2011-11-07. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/631I67vI6]. Der Anfang weicht etwas von van Mander ab, der nicht so ausführlich über die göttliche Talentvergabe reflektiert. Außerdem wurden einige Passagen von Sandrart in der Abfolge umgestellt.Christina Posselt, 07/21/2010The end of this part of the text is on page 305