TA 1680, Iconologia Deorum, S. 193
daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen.
Wie sie von den Eleern gebildet worden. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/
der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.
Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung Warum drey Gratien seyen. der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Warum sie lächlen. Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden. und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.
Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet:
Diva Columna suis aedibus intus¶ habet.
Par tribus est facies, qualem decet¶ esse sororum:
Par tribus est aetas, par quoque¶ forma tribus.