TA 1679, Metamorphosis, S. 165
wir auch ferner sehen/ wer doch der Pythagoras gewest/ dessen unser Poet gedencket.
Vom Pythagoras.
PYthagoras ist geboren gewest in dem Eyland Samos: und/ nach einiger Aussage/ in der Stadt Abdera. Sein Vatter hieß Mnesarchus. Dieser Pythagoras ist der erste/ so ein Philosophus/ oder Liebhaber der Weisheit genennet worden. Er war ein fleissiger Sucher der Weisheit und Gelehrtheit/ und ein Erforscher der gantzen Natur. Einige unter den Griechen wollen ihnen die Ehre von ihm allein zuschreiben/ vorgebende/ er habe nichts von andern Volckern gelernet. Allein es ist zur Gnüge bekandt/ das Pythagoras/ Plato/ Democritus/ Eudoxus/ Thales/ und andere mehr/ in Egypten/ bey den weisen Priestern gewesen. Daselbst an den seltsamen Pfeilern des Mercurius/ die voller tieffer Geheimnussen und Lehren/ mit sonderbaren Littern/ und mit mancherley Figuren und Bildungen/ so allein die Priester erklären und auslegen konten/ angedeutet und beschrieben waren/ viel hohe Wissenschafften und Geheimnusse zuerlernen. Diese ietztbemeldte Griechen sind/ von wegen ihrer fernen Reise/ und inständigen Suchens/ oder Begehrens/ würdig geachtet worden/ daß ihnen die Erkäntnus solcher Geheimnussen offenbaret würde. Diese Geheimnusse aber betraffen den Gottesdienst/ und die Astronomiam,oder Himmelskunst.
Es ist Pythagoras der vornemste Philosophus Was das Wort Sophist bedeute und Sophist in gantz Griechenland gewest. Das Wort Sophist wird/ in gutem und bösem Verstande/ gebraucht; in gutem/ bedeutet es nicht allein einen Sprachmeister und Redner/ sondern auch einen Liebhaber der Wissenschafften/ oder Philosophum: in bösen aber einen spitzfündig-betrüglicher Schluß-Redner/ der mehr Wesens von einem äusserlichem Schein/ oder von den Schalen/ weder von dem rechtem Kern der wesentlichen Warheit selbst/ machet/ und weiter nichts vorbringet/ dann ein vermummtes Angesicht/ und einen grossen Zierat gefärbter Worte/ auch/ durch List und allerhand zweideutige Reden/ die Einfältige zu verstricken suchet: Also/ daß ein Sophist auch einen Betrieger andeutet. Die weise Lehr-Sprüche des besagten Pythagoras/ und des Empedocles waren vorzeiten/ wie Plutarchus bezeuget/ bey den Griechen Pythagoras ein besonderer Musicus. für ihre Gesetze/ und Lebens-Regulen gehalten. Er war ein sonderbarer Vocal-Musicus/ welche Kunst er gleichfalls der Himmelskündigung wunderlich applicirte/ in Vergleichung der Music-Töne mit den Planeten und Sternen. Er war auch ein trefflicher Meister im Kämpffen oder Ringen/ hatte viel Länder durchreist/ enthielte sich viel in Italien in Calabrien/ welches damals von den Griechen/ das grosse Griechenland und Calabrien genennet wurde. Dann weil er die tyrannische Herrschung des Polycrates nicht vertragen konte: verließ er sein Vatterland/ und kam herüber in diese Landschafft/ allda man seinen Anhang/ die Italiänische Secte hieß.
Er war/ durch die gantze Welt berühmt/ hatte seinem Gehirn wunderbare und seltsame Meinungen eingedruckt/ wie unser Poet/ in diesem seinem letztem Buch darvon viel saget/ insonderheit von der Enthaltung des Fleisch-Essens/ von Wanderung der Seelen/ aus den Menschen/ in wilde Thiere/ und/ aus denen Thieren/ wiederum in die Menschen; und was dergleichen Händel mehr gewesen. Er hat ein streng und abgesondertes/ eingezognes Leben/ fast einem München gleich/ geführt/ sich mit Wenigen bekandt gemacht; dieweil er des gemeinen Volcks Freundschafft wenig geachtet. Er hatte einen Theil seines Anhangs/ oder Lehr-Schüler seiner Weisheit/ denen er zur ersten Lection ein fünfjähriges Stillschweigen/ wie wir anderwerts erzehlt haben/ aufgab. Diese seine Nachfolger hielten unter einander grosse Freundschafft/ und machten/ wann sie des Tages in Worten einige Mishälligkeit gehabt hatten/ ehe die Sonne unterging/ wieder Friede/ gaben einander die Hände wieder und nahm einer den andern in die Arme. Dieser weitberühmte tugendhaffte Mann ist endlich/ tyrannischer Weise/ von den Cyloniern gantz unschuldig/ lebendig verbranndt worden. Unser Poet vergleichet/ aus diesem Pythagoras/ sehr artlich die vier Jahrs-Theile/ mit des Menschen vier Lebenszeiten; Den Frühling/ mit der Kindheit; den Sommer/ mit der Jugend; den Herbst/ mit der Mannheit; und den Winter/ mit dem Alter: und setzet/ zu einen schlüßlichen Beweis seiner Beschreibung des Wandlungs-Buches/ daß auf der Welt nichts Beständiges/ sondern alles veränderlich und wandelbar sey. Weiter gedenckt er auch des Milons/ welchen wir gleichfalls/ zu erkennen/ wer er gewesen/ bemühet seyn wollen.
Vom Milon.
MIlon/ der berühmte und überaus-starcke Kämpffer ist gewest aus Calabria in Italien/ von der Stadt Croton. Dieser war so starck/ daß er auf seine Schultern fasste einen zweyjährigen Stier/ selbigen in einem Athem/ zu Rom/ rund um den Schau-Platz trug/ ihn darauf mit der Faust todt schlug/ und selbigen Tages annoch allein aufzehrte. Er nahm in seine Hande einen Granat-Apffel/ und konte ihm niemand einen Finger beugen/ geschweige dann denselben heraus nehmen. Jedoch hielte er ihn/ mit solcher Lindigkeit/ daß auch das geringste nicht dran versehret/ oder zerbrochen wurde. Wann er aufgerichts/ gantz frey/ mit beyden Füssen aneinander stunde/ war kein Mensch so starck/ daß er ihm in vollem Anlauf/ oder mit Gewalt/ auf ihn stossend einen Fuß von der Stelle rucken konte. Er bande ein ziemlich dickes Seil/ oder Strick fest um seine Stirn/ zoch seinen Athem ein/ erhub seine Adern und Haupt-Sennen mit solcher Krafft und Gewalt/ daß es augenblicklich in Stücken sprang. Er that die Hand auf/ ausgenommen den kleinen Finger: Den er geschlossen hielte: und war niemand/ der ihme denselben öffnen konte. Und viel andere