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TA 1679, Metamorphosis, S. 158

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hat die Seele auch noch eine andere natürlichangeborne/ wordurch sie sich selbsten beschauet/ und die Dinge dieser Welt unterscheidet. Die besagte erste Begierde/ so durch die göttliche Gütigkeit entzündet/ und die göttliche unveränderliche Dinge bemercket/ ist das junge schöne Angesicht/ das andere natürliche aber ist das alt-bärtige Gesicht: dieweil die weltliche/ oder natürliche Dinge veralten/ und vergänglich sind. Darum wir dann/ mit dieser Himmel-anschauender Begierde/ fleissig und wacker trachten müssen nach dem/ was droben ist/ und hingegen die Augen der alten angebornen Begierde/ oder Angesichts/ ausreissen/ oder beschliessen; damit wir ja nicht nach etwas sehen/ das unziemlich/ oder Gott misfällig ist. Unser Poet pfleget öffters sein Volck zu verwandeln in ein Thier gleiches Namens; als wie diesen ietzt bedeuteten Picus/ der den Namen eines Spechts im Lateinischen führet/ auch Arachne/ und andere. Er Geschichtliche Erklärung/ daß Picus in einen Specht verwandelt. eignet ihnen auch mehrmalen etwas zu/ nach ihrer Art/ und was dem jenigen/ so ihrem Thun im Leben gleich und ähnlich war/ gemäß scheinet. Dieser Picus war ein sehr kluger wolberedter König/ also/ daß er (wie der Frantzösische Hercules ) die Menschen/ mit seiner künstlich-und behenden Zunge/ wohin er wolte/ leiten und ziehen konte. Wie er dann die Lateiner von ihrer unbilligen/ verdrießlichen Grausamkeit abgezogen/ und zu einer bescheidenen/bürgerlichen/ freundlichen Gemeinsamkeit/ und vertraulichen Conversation angeführt/auch/ wegen solcher seiner Tapfferkeit/ die Herrschafft des Landes Latii zu Lohn bekommen. Der Specht oder Holtzspecht aber/ darein ihn die Circe verwandelte/ ist ein Vogel/ hat eine sehr lange Zunge/ die er sehr weit ausstrecken kan. Er pickt Löcher in die Bäume/ und unterweilen durch die Rinden der Bäume/ all/ da er/ wie Plinius/ im 24. Capitel seines 17. Buchs/ erzehlet/ durch den holen laut die Holigkeit spüret/ und daß Würmer drinnen sind/ die er frisset. Auch bringt dieses seine Art mit sich/ daß er die Ameisnester in den Bäumen suchet/ und seine lange ausgereckte Zunge in die Baumhölen stecket. Wann sich dann die Ameisen in Menge dran hängen/ ziehet er sie also zu sich/ (eben wie Picus das Volck Lehrliche Auslegung auf den Picus an sich zoch)und gebrauchet sie zu seiner Kost/ gleichwie die Könige durch ihre Gemeine/ oder Untersassen leben. Diese Fabel deutet an/ daß die Menschen/ mit freundlicher Gesprächsamkeit/ die Freundschaft oder herzliche Neigung andrer Menschen zu sich ziehen sollen. Insonderheit schaffet die liebliche Wolredenheit denen einen überaus-grossen Nutzen/ die über Andere zuherrschen/ geboren und erkoren sind. Und wäre sehr gut und löblich/ daß dieses viel-vermögende Glied dem Menschen oder seinem Leibe zu nichts anders/ als zu Nutz Ehre und Vortheil diente und gebrauchet würde.

Ferner giebt auch diese Fabel zu mercken/ wie böß es sey/ daß man sich von seinen fleischlichen Begierden lasse bezaubern/verwandelen/ und bewegen/ ein leichtfertig Leben anzunehmen/ so gar darinnen zu verstarren/ und den güldnen Mantel der Ehre/ Weisheit/ Vernunfft und Mässigkeit also verliere/ daß man wenig äusserliche Zeichen mehr darvon sehen kan/ nichts als den Menschlichen Namen behält/ und sein unvernünftiges Gemüht mit Ameisen

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und Würmern des Geitzes/ aller Untugenden/ schnöder Gedancken/ und böser/ unnützer und unreiner Lehrliche Auslegung/ auf Canens. Wercke speiset. Die schöne junge Canens/ welche singend stirbet/ im Nebel verschwindet/ und verwandelt wird/ gibt uns nachsinnlich zu wissen/ daß alle irrdische Dinge/ wie schön lieblich und angenehm sie sind/ augenblicklich/ flüchtig/ oder als ein Rauch und Nebel hinfällig und vergänglich seyn; wie auch unser stündlich-ungewisses/ blumschwaches/ kurtzes und zerbrechliches Schein-leben/ das flüchtig dahin laufft/ endlich verschmeltzt/ und sich verlieret/ damit es zur Ewigkeit gelangen möge/ und anderts nichts allhier verlässt/ dann ein eiteles Gerücht/ gleichwie die Canens/ in dem Tieber-Fluß zergehend/ oder verwandelt/ nach der See schwam/ und nichts als eine Nebliche Wolcke hinder sich liesse. Also haben wir/ weder auf unsere Jugend/ Schönheit/ oder lieblichen Gesang/ noch einige andere Natur-gaben zu vertrauen/ hoffen/ oder uns zu rühmen. Dann nach dem bekandten Sprichwort/ die Jugend/ Schönheit und Gesinge/ sind vergänglich-eitele Dinge. Aeneas kam/ wie unser Poet schreibet/an/ in Italien/ am Tyber-munde/ den man Ostia heisst. Alhier hatte König Latinus seine Wohnung und Hofstadt. Alhier heyratete Aeneas (nach dem grossen Kriege wider den Turnus/ der Rutiler König) die Lavinia/ des Latinus Tochter: Eben alhier bauten die Trojaner/ nachdem sie zu einem gewissen Ruheplatze kommen waren/ mit fröligem Muth eine Stadt/ die sie nach Die Ankunfft des Romulus vom Aeneas. ihrer Königin Lavinium nannten. Diese Stadt ließ Ascanius/ nach des Aeneas Tode/ seiner Stiefmutter/ und erbaute Alba. Allhier herrschete er 28. Jahr/ und ließ das Reich seinem Stiefbruder dem Sylvius/ von welchem alle nachfolgende Albanische Könige Sylvii genannt worden. Sylvius herrschete 29. Jahr/ sein Sohn Aeneas 31. Jahr. Nach diesem tratt die Herrschafft an sein Sohn Latinus/ und so fort Alba/ Atys/ Capys/ Capetus/ Tiberinus/ der in den Fluß Albula ertruncken/ NB. und durch solchen Fall/ demselben den Namen geändert/ also/ daß man ihn/ von dem Seinigen nach der Zeit/ die Tieber genannt. Nach diesem folgten/ in der Regierung/ Agrippa/ Romulus/ Aventinus/ der dem Römischen Berg Aventinus den Namen gegeben. Procas sein Sohn hatte zween Söhne/ den Numitor und Amilius: Der älteste Numitor hatte das Reich vom Vatter empfangen: allein Amulius stieß ihn aus/ tödtete den Aenitus/ [Footnote] wofür Andre den Lausus setzen. des Numitors Sohn/ auf der Jagt/ und machte desselben Tochter/ die Rhea/ welche auch Ilia hieß/ zu einer Vestal-Nonne/ damit kein Nachkömmling ihm in den Weg kommen möchte. Diese Rhea soll/ wie man darfür hält/ sieben Jahr hernach mit dem Marte zween Söhne/ nemlich den Romulus und Rhemus gezeugt haben/ deswegen sie (wie Dionysius Halicarnasseus bezeuget) von ihrem Vettern gefangen/ und lebendig begraben worden: der auch die Kinder in der Tyber/ zu ersäuffen befohlen. Weil sie aber/ von den Knechten/ nur an das Ufer des Wassers gesetzt worden/ sollen sie von einer Wölffin gesäugt/ und vom Faustulus/ oder Fausius/ des Königs Hirten/ erzogen/ auch Hirten geworden/ nachmals aber den Amulius erschlagen/