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TA 1679, Metamorphosis, S. 147

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reine Warheit und rechte Billigkeit/ von der Falschheit und Ungerechtigkeit/ offt untergedruckt/ klagen und seuffzen sehen muß/ wie dieses Martialische Epigramma, oder Poetische Aufschrifft eben dahin gehet.

Wer muß die Schöne doch/ wer muß die Göttin seyn/
die dort so ligt und weint/ auf Ajax Gra- bes-Stein
Die arme Tugend ists/ mit Wunden an- gefüllt.
Wer reisst ihr so das Haar doch aus wer setzt so wild
an ihr so reines Hertz die Nägel? Ach Sie thut
es Selbst/ vor bitterm Zorn und recht- erbosstem Mut
auf dem Ulysses-Berg/ woselbst das rechte Recht
und Warheit leidet Noth durchs Urtheil böser Knecht.

Aber unsere Meinung endlich zu behaupten. Daß das Recht/ oder die Billigkeit endlich das Haupt wieder empor hebe/ und noch oben zu schwimmen komme/ wollen wir allhier noch ein Epigramma aus dem Martial beybringen:

Als Ulysses dorten einst in der Wuht der Wellen schwebte/
fügt sichs/ daß die wilde Fluht des Pelei Schild erhebte/
seines Sohnes/ der den schwachen Ithacus trug ungeschicklich
demnach Ajax/ als Selbst-mörder/ sich durchrannte gantz unglücklich/
bloß aus Ungedults-Bewegen: Den- noch war die wilde See
mehr zu recht geneigt/ betraurte dieses Mord- und Trauer-Weh/
als selbst alle müde Griechen/ dann es trieb die Flut hinab
nicht auf den Ulysses-Strand/ sondern auf des Ajax Grab/
des Achilles Helden-Schild.

Auslegung oder Lehrliche Anweisung auf der Stadt Troja Untergang. Belangend nun den Untergang dieser mächtigen Stadt Troja/ die von den Griechen/ mit solchen grimmigem Eifer/ zerstört in Grund geworffen/ und zu einem Steinhauffen gemacht worden: so halten viel darfür/ daß selbige/ durch die göttliche Gerechtigkeit/ wegen ihrer überhäufften Ungerechtigkeit/ Weiber-Entführung und Rauberey/ so die meiste allda verübt/ gebilligt und vertheidigt gehabt/ gestrafft und geplagt worden seye: Dieweil sie dem himmlischen Palladio/ der himmlisch/ herrlichen Weisheit (worvon/ im fünfften Buche/ gehandelt worden) gewalt anthaten/ und dasselbe übel bey sich verwahrten: indem Priamus/ bey einer so schändlichen That/ durch die Finger sahe/ und selbige nicht straffte/ oder zum wenigsten nicht erstattete/ durch wiedergebung des entführten Weibes/ und gestolnen Reichthums: Da doch das Recht der Gast-freyheit durch die/ vom Paris/ an seinem freundlichem/ ihn so herrlich empfahend/ und als einen

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Königlichen Printzen liebenden Wirte/ Menelaus/ verübte undanckbare Boßheit/ so gewaltig geschändet war. Also werden gantze Städte und Länder/ durch Ungerechtigkeit und Gesetzbücher/ verderbet und zu Grunde gerichtet. Wie man dessen Exempel/ an viel schönen/ edlen und vornehmen/ berühmten Städten hat; die an Reichthum und wolhabenden Burgern mächtig zu blühen pflagen/ auch voll so zierlicher/ prächtiger Gebäue waren/ daß sie mit ihren erhabenen gewaltigen Giebeln den Himmel gleichsam zu trutzen schienen. Von welchen allen auch nichts/ dann der Nam/ übrig geblieben ist. Dann die schändliche Unmässigkeit/ Schwelgerey Boßheit und Ungerechtigkeit ihren Zeitvertreib gleichsam darmit gehabt/ daß sie dieselben niedergeworffen/ und übern hauffen gelegt. Angeschaut/ die Länge der Zeit des Alterthums alles/ mit Dornen/ Disteln/ Bäumen und düstern Wildnussen bedeckt/ und an stat der Leute/ lauter grimmige/ wilde Thiere/ und allerley greuliches Ungeziefer daselbst zu Bürgern eingesetzt hat. Welches alles merckwürdige Spiegel sind/ die wol mit Daß man die Historien mit Aufmercksamkeit lesen musse. gutem Bedacht ein- und anzuschauen. Worzu dann auch das Lesen der Geschichte dienstlich seyn/ und seinen Nutzen geben kan. Bevorab/ wann man die Ursachen genau beobachtet/ wordurch die Länder verdorben; die Städte zerstöret; die Könige und Beherrscher zu grunde gegangen; und die Völcker ausgerottet worden: Und dergleichen lehrliche Vorbilder/ die/ wann sie aus den alten Schrifften hervorgesucht/ und zu Hertzen genommen werden/ vörderlich seyn können.

Unser Poet führet uns unter andern nunmehro wiederum fort/ zu einem neuen grausamen Beyspiel nemlich zu dem/ seinen Gast ermordenden untreuen/ Polymnestor/ zu welchem Priamus seinen Sohn den Polydorus gethan hatte/ damit er bey ihm/ von dem Kriege befreyet/ möchte auferzogen werden: Allein dieser geldsüchtige geitzige Könige tödtete/ nach des Priamus Tode/ gedächten Polydorus: weil er vermeinte/ er würde nunmehr für die aufgewandte Kost seine Bezahlung nicht bekommen. Lehrliche Auslegung/ auf den geitzigen Polymnestor. Alhier sehen wir/ wie mild der grausame Geitz sey/ böse Früchte hervor zu bringen/ dieweil er weder auf göttliche/ heilige Gesetze/ oder Redligkeit/ Gehorsam/ Freundschafft/ Erkäntnus/ Treue ächtet/ noch einiges Versprechen ansiehet. Also daß ein solcher endlich gantz verblendet/ durch ein recht hündisch Leben und Wesen/ niemanden gutes/ sich selbsten aber böses thut. Inmassen auch dieser Polymnestor andeutet/ dem von der Hecuba die Augen ausgekratzt/ und sie die Hecuba in einen Hund verwandelt wurde. Diese/ nach vielen Beschwerligkeiten und Aengsten/ in einen Hund verwandelte Hecuba/ will sagen/ daß die Gedult der elenden Menschen/ wann sie unterweilen allzusehr misbrauchet/ und durch allzu grosses Leiden gedruckt wird/ in eine ungedultige Raserey/ oder neidigen Grimm verwandelt werde/ wordurch dann ebenmässig ein greuliches Verderben kan verursachet Historische Auslegung/ vom Memnon werden; dannenhero man billig/ mit allem Ernste/ zur Gedult sich rüsten solle: Dann dem/ welcher den Muht verloren/ sagt man/ ist übel zu helffen.