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TA 1679, Metamorphosis, S. 130

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Wissen und Willen/ aller der/ ihme von Menelaus erwiesener/ Höflichkeit/ und guter Bewirtung; dann er ihme/ durch unkeusche Liebe bewegt/ seine Gemahlin/ die schöne Helena/ entführte/ die ihme von der Venus versprochen war/ als er ihr den Preiß der Schönheit zueignete; ungeachtet er/ mit der Nymphen Oenone/ versprochen war. Dieses geschahe/ als Menelaus/ in Verrichtung einer gewissen Sache/ nacher Creta verreist/ und seine Gemahlin allein daheim. Nicht allein aber entführte er ihm die Helena/ sondern nahm auch mit sich alle ihre sonderbarste Schätze/ Juwelen und Kostbarkeiten. Wiewol Herodotus/ in seiner Clio/ anderer Meinung ist/ wann er sagt/ daß Paris nicht gesandt gewest/ die Hesione zu begehren; sondern er sey gereitzt/ und erweckt worden/ durch die unnütze Vorbilder anderer/ die vor ihm dergleichen Dinge angerichtet. Dann die Egypter hatten denen Griechen ungerochen entführt die Io; die Griechen hingegen denen Egyptiern die Europa geraubt; die guldne Fließ- Helden denen Kolchern die Medea: Welche sie denen/ so sie begehrten/ nicht wieder ausantworteten. Nach einiger Meinung/ soll Paris/ von Liebe gantz entbrandt/ diesen Zug aus eignem Willen vorgenmmoen vorgenommen/ in Abwesenheit des Menelaus die Stadt Lacedämonien überfallen/ einbekommen/ und/ ungehindert alles Widerstands/ die Helena/ samt allen Königlichen Schätzen/ darvon geführt haben. Ein ander erzehlet/ daß Paris weder gesandt/noch/ durch vorige Exempel/ angetrieben; sondern aus Eingebung der Venus/ und weil er in die Helena verliebt gewest/ diese Reise auf sich genommen/ und die Helena entführt: Und dieses solte geschehen seyn/ als eben die Meergöttin Ino/ des Cadmus Tochter/ mit des Bachus Nonnen/ im Opffern beschäfftigt gewesen/ am Ufer des Meers/ allwohin sich das Volck gemeiniglich/ in grosser Menge/ zubegeben pflog. Daher es ihme sehr leicht gefallen/ die Helena von dannen in sein Schiff weg zunehmen/ und/ zugleich mit ihr/ alle des Menelaus beste Sachen darvon zu führen. Als er nun von Sparta wieder nach Troja zuruck kehrte; wurde er/ auf dem Archipelago/ mit einem grausemen Sturmwinde überfallen/ der ihn/ wider seinen Willen/ auf die Egyptische Küste trieb/ allda er/ in einem von den Münden des Nils/ anckern muste. Alhier nun war/ zu seinem Unstern/ eine Hercules-Kirche von solcher Freyheit/ daß wann einiger Sclav darein geriethe/ und ein heilig Kennzeichen selbigen Gottes empfangen hatte/ er allerdings frey ward/ und niemand ihn mehr in Dienstbarkeit ziehen mochte. Weil nun des Paris Sclaven diesen Schnuppen in die Nase bekamen/ nahmen sie den Tempel ein/ und beschuldigten ihren Herrn bey den Priesteren/ und der Stadt Obristen/ Thonis genannt/ der Verrähterey und Treulosigkeit/ die er an ihrem Herrn/ dem Menelaus/ begangen hätte: welchem/ nachdem er diesem Gaste alle Freundligkeit und Ehre erwiesen/ die einem nur müglich zu thun wäre/ von ihme aber allzu übel belohnt worden: Dann dieser undanckbare Gast/ seinem freundlichem Wirte nicht allein seine Gemahlin entführt/ sondern auch noch über das alles seines Hausrahts ihn beraubt hätte.

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Dieses hinderbrachte Thonis dem Proteus/ damaligem Beherrscher des Egyptischen Reichs. Worauf der König alsobald gebot/ daß man ihn gefangen und gebunden vor ihn bringen solte/ um von ihme zuvernehmen/ was für Entschuldigung er vorbringen würde. Hierauf wurden seine Schiffe beschlagen/ auch er und Helena/ mit den Sclaven/ seinen Beschuldigern/ nach Memphis vor den König Proteus gebracht. Da dann Paris seinen Namen/ Geschlecht/ und Reich freymühtig bekandt; die Sache mit Helena aber verdrehet; deme der Sclaven widersprochen/ und allen Handel zu erkennen gegeben. Dieweil aber dem Proteus unbillig zu seyn dauchte/ einen reisenden Mann/ den die Winde an seine Lands Gräntzen geworffen/ umbringen zu lassen; straffte er ihn mit Worten/ ließ ihn mit seiner Flotte/ und allem was ihme angehörig war/ fahren/ und behielte die Helena/ mit alle dem geraubtem Schatze/ bis ihr Gemahl dahin käme/ sie abzuholen. Wiederum andere sagen/ Paris sey von dannen/ sonder daß ihm etwas abgenommen wäre/ in Phrygien kommen. Einige wollen/ daß er nichts/ als der Helena Bildnus/ mit-bracht habe. Jedoch ist die gemeinste Meinung der anderen aller/ daß er/ mit seiner neuen Gemahlin/ von Sparta/ gerades Weges nach Hause kommen/ und die Trojaner den Griechischen Gesandten/ der sie samt den Schätzen/ wieder zu fordern dahin kommen/ nicht einmal hören wollen: Worauf denn die grosse Kriegs-Flotte/und/ nach der zehn-jährigen Belägerung/ der erbärmliche Untergang der Stadt Troja gefolget.

Nachdem wir nun dieses also umständlich erzehlet/ müssen wir auch sehen/ was doch die Alten durch dieselbe anweisen und zuverstehen geben wollen. Erstlich meinen Einige/ daß das/ was vom Peleus und der Thetis gesagt wird/ eine warhafftige Geschicht sey/ daß er sie vielfältig zu seiner Gemahlin begehrt/ aber auf so viellerley weise ihme sey abgeschlagen worden; nachdem er sie aber nach vielfältiger Bemühung/ endlich überkommen/ er mit ihr den berühmten Held Achilles/ von dem wir noch zu handeln/ erzeuget habe. Durch diese mühselige Arbeit des Peleus/ die Thetis zu erlangen/ kan verstanden werden,/ daß der Mensch viel falsche Meinungen und böse Neigungen bestreiten und überwinden/ auch gutem und göttlichem Rahte folgen müsse/ ehe und bevor er die wahre/und/ in aller Billig-und Mässigkeit bestehende/ Weisheit erlangen/ an tugendsamen und ehrliebenden Wercken fruchtbar werden/und/ mit Hülffe derselben/ rechte Wolredenheit/ oder verständige Reden/ als eine Frucht der Lippen/ (wie dann Achilles eine Lippe andeutet) gebären kan. Uber dieses des Peleus und der Thetis Beylager ist auch eine natürliche Auslegung; nemlich/ daß alle natürliche Körper generirt und erzeuget werden/ durch die Vermischung der beyden Elementen/ Erde und Wassers/ mit Hülff/ der Wärme: Dann Pelos im Griechischen Koht und Thetis Wasser bedeutet. Alle Götter haben sich in Vermischung dieser zweyer finden lassen/ gleichsam als auf einer Hochzeit: Dieweil keine Materien allein gnugsam sind/ wann der Werckmeister seine Hand nicht mit anleget. Und/ in