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TA 1679, Metamorphosis, S. 94

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welche Eacus entbotten hatte/ sein Egina darmit zu besetzen: dardurch es auch wiederum in seine vorige glückliche Nahrung und Aufnehmen kommen ist. Wie dann auch fleissige Acker- und Land-Leute nicht unbillig denen sorgfältig- und arbeitsamen Ameisen zuvergleichen sind: weil sie im Sommer allerley Gewächse und Früchte der Erden/ die zur Nohtdurfft dienen/ zusammen bringen/ und bis in den Winter bewahren/ da auf dem Felde nichts mehr zu finden ist. Es sind auch die Menschen den Ameisen gleich/ daß sie/ in dem blühenden und fruchtbaren Sommer ihrer Jugend/ und männlichem Alter/ wider den kalten greisen Winter des Arbeits-unvermöglichen Alters/ einsammlen und sparen sollen. Uber dis auch suchen zu erlangen einen guten Namen/ darbey sie ewiglich mit Ehren in Ruhe leben mögen. Hierauf wird erzehlt/ wie die Aurora sich verliebt habe in Cephalus/ den Mann der Procris. Dahero wir nunmehro auch besehen wollen/ wer denn diese gewesen sey.

Von der Aurora.

HEsiodus/ in seinem Götter-Geschlechte/ saget/ Aurora ist die Kammermagd und Vorläufferin der Sonnen Aurora sey eine Tochter des Hyperions/ und der Thia/ auch der Sonnen und des Monds Schwester/ wie wir bereits weiter oben gemeldet haben. Andere machen sie zu einer Tochter des Titans/ und der Erde. Die Alte hiessen sie eine Vorläufferinn und Kammermagd der Sonne: gleichwie Lucifer/ oder der Morgenstern ein Vorläuffer der Aurora/ oder Morgenröhte ist: Dann sie denen Menschen die bevorstehende Ankunfft Morgenstern ist ein Vorläuffer der Morgenröte. der Sonnen verkündigt. Homerus/ in seinem Göttlichem Lobgesange der Venus/ sagt/ daß sie rosenfärbige Finger habe/ von wegen ihrer Röhte; und in einem guldnem Gestüle sitzende/ zu fahren pflege. Auch dichten die Poeten/ daß sie/ in einem Gutschwagen/ von vier rohten Pferden gezogen werde/ wie unter andern Virgilius/ im sechsten Buch Aeneidos/ in diesen Zeilen/ bezeuget:

Von der Aurora Pferden. Indem sie redten so/ war schon halb durch- geflogen
Die güldne Morgenröht den blauen Him- mels-Bogen/
Von rosen-färbigen vier Pferden/ fortge- zogen.

An einem anderm Orte aber eignet er ihr nur zwey/ iedoch auch rosenfarbige/ Pferde zu. Theocritus gibt ihr/ in seinem Hylas/ keine rohte/ sondern weisse Pferde/ wormit sie nach dem Jupiter auffahre. Ihr wird zugegeben das fliegende Pferd Pegasus/ daß sie allein/ wie wir bereits erzehlt haben/ zu tragen pflege. Homerus/ in des Mercurius Lobgesange/ saget/ daß sie aufstehe und aus dem Oceanus hervorbreche/ so wol/ als die Sonne/ und andere Sterne/ und daß sie von dannen empor steige/ ihr Liecht über die Welt auszubreiten/ nachdem sie/ die Nacht über/ in den Fluten des Oceans zugebracht. Aurora war hefftig in den Tithon verliebt/ von wegen seiner grossen Schönheit/ und vollkommener Gestalt des Leibs. Dieser Tithon war ein Sohn

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des Laomedon/ Königs von Troja/ und ein Bruder des Priamus: iedoch von einer andern Mutter. Dann des Priamus Mutter hieß Leucippe: des Tithons aber/ Strymo oder Rhaeo: und war/ wie andere wollen/ eine Tochter des Scamanders. Weil nun Aurora auf den Tithon so verliebt war/ hub sie ihn empor/ und führte ihn auf in den Himmel: und die Schick-Göttinnen erlangten ihm Unsterblichkeit. Dieweil aber Aurora es hierinnen übersehen/ daß sie nicht zugleich/ und durch dieses Mittel/ um seine stetswärende Jugend angehalten/ oder doch wenigsten mit zu bekommen vermeint hatte/ wurde er endlich so alt/ daß man ihn in Tücher einwickeln/ und als ein Kind wiegen muste/ wann man ihn schlaffen machen wolte. Und ob wol der Aurora Mann Tithon also vor Alter in der Wiege lag/ so sagt doch Virgilius darvon/ daß

Aurora/ wann sie iezt aufstehe/ in der Welt/
Verlasse hinter sich ihrs Titans Safran- Zelt.

Tithon hatte/ mit der Aurora/ zween Söhne/ den Memnon und Emathion; von welchem Macedonien den Namen bekam: Und eine Tochter/ Namens Idame: Etliche nennen auch einige Winde von Astraea/ Tithon. Nachdem nun Aurora ihren Gemahl so gar alt und unvermögend sahe/ verwandelte sie ihn in eine Heuschrecke: Welche nur ihre alte Haut ablegen/ und nicht sterben/ sondern wieder jung werden/ und aufs neue zu grünen beginnen. Diese Verwandlung solte ihm geschehen seyn/ wegen der Betrübnus/ welche er litte/ über dem Tode seines Sohns Memnon: worvon/ im 13. Buche/ folgen soll. Dann als er diese Bottschafft hörete/ breitete er seine Arme aus/ als ob er fliegen/ und ihn sehen wolte. Worauf ihm auch alsobald Flügel gewachsen. Welches Horatius/ im zweyten seiner Gedicht-bücher/ bekräfftiget/ wann er singet:

Der/ so Unsterbligkeit/ nach äusserm Schein/ erworben/
Und Flügel noch darzu/ ist endlich doch gestorben.

Andere sagen/ daß er die Aurora/ seine Gemahlin/ gebeten/ daß sie/ diese Unsterblichkeit/ möchte von ihm nehmen: weil er/ von wegen seines grossen Alters/ in den Freuden dieser Welt/ kein Vergnügen mehr haben und finden könte: Weil solches aber nicht müglich gewest/ ihme zu bewilligen/ habe sie ihn in eine Heuschrecken verwandelt. Von diesem Tithon/ solte erbauet worden seyn die Persische Königliche Hauptstadt Susa. Die Aurora war/ wie Pausanias schreibet/ verliebt in den Cephalus/ einen Sohn des Aeon / oder Aeolus/ aber nicht des Königs der Winde/ weil selbiger ein vortreflich-schöner Mann. Sein Weib war Procris/ eine Tochter des Erichtheus/ oder des Hyphilus/ Königs von Athen/ und von sehr vollkommener Schönheit. Indem nun Aurora auf den Cephalus also entzündet war/ brachte sie zu Wege (wie unser Poet weiter sagt) daß Procris endlich zur Untreu bewegt schiene/ wormit sie iedoch nur den Geist/ nicht aber den Leib verschuldiget und befleckt haben konte.