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TA 1679, Metamorphosis, S. 22

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Vatter Apollo suchte/ begreifft diesen Verstand/ daß die Hitze/ nachdem sie zerstreuet/ und in mancherley Theile gesondert/ wieder zu ihrem Vatter

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und Ursprunge/ der Sonnen/ sich wende und umkehre.

Ende des Ersten Buchs.

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Der
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
über die
METAMORPHOSIS,
Oder
Wandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Zweytes Buch.
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Ursprung der Fabel vom Phaeton/ auf die erste Art. DIe Fabel von Phaeton ist genommen und ersonnen/ aus einer wahren Geschicht/ die auch vom Eusebius und Orosius beschrieben ist: Nemlich/ daß zur Zeit des Atheniensischen Königs Cecrops in Griechenlande/ eine Wunder-grosse/ brennende Hitze sich ereignet/ die nicht durch Menschen-Werck/ sondern vom Himmel herab gesand/ und genannt worden/ die Entzündung Phaetons. Diese verbrante die Felder/ machte die Früchte zu Aschen/ trucknete die Flüsse aus/ zündete die Städte an/ und verbrante die Häuser; also/ daß das Volck allenthalben hin fliehen muste/ wo es am besten mochte/ oder vermeinte/ sicher zu seyn. Diese Hitze währete einige Monate/ und mochte nit gelöschet werden/ bis sie der Herbstliche Regen endlich dämpffte und auslöschte. Phaeton nun bedeutet/ als oben bereits angeregt worden/ eine Entzündung/ oder das Brennen. Und ist also Phaeton nicht allein ein Sohn der Sonnen/ welche ein Ursprung und Brunn des Feuers ist/ sondern auch der Clymene/ welche das Wasser/ oder die Feuchtigkeit/ bedeutet. Zumaln dieses Wort/ dem Ursprunge nach/ Griechisch/ von Clio herkommt/ und wallen oder Fliessen bedeutet. Dieweil das Feuer nicht bestehen mag/ es sey dann/ daß es/ durch gehörige Feuchtigkeit/ gestärcket und erhalten werde. Und dieses kommt überein/ mit der Meinung des Anaxagoras und Heraclides/ welche darvor gehalten/ daß die Sterne feurig wären/ und von dem feuchten Dämpfen/ welche die Sonne/ durch die Krafft ihrer Strahlen/ von der Erden in die Höhe zöge/ genehret und erhalten werden müsten. Wann nun diese Dämpffe/ indeme das Wetter sich zum Regen anschickte/ von der Sonne erwärmet/ dicke und entzündet

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würden/ pflegte die Hitze/ als offtmals im Sommer geschähe/ unerträglich zu werden.

Was Phaetons begehren bedeute. Das Begehren des Phaetons/ nemlich/ der Sonnen-Wagen zu führen/ ist des Menschen angeborne Lust/ groß zu werden/ welche fast bey allen gespüret Phaetons-Wagen-Leitung/ was sie natürlich bedeute. wird. In dieser Regier- oder Führung/ wird fürs rahtsamste geachtet/ die Mittel Bahn zu halten/ und weder zu hoch/ noch zu niedrig zu fahren. Daß Phaeton/ als er in den brennenden Weg/ oder den zwanzigsten Grad der Waag/ und den zehnten Grad des Scorpions/ kommen/ den Ziegel fallen lassen/ wil andeuten/ daß alsdann eine grosse Dürre sey/ das Kraut verbrenne/ und die Erde zu aller Was Phaetons Niderschlagung vom Donnerkeil natürlich bedeute. Fruchtbarkeit untüchtig werde. Und daß ferner Phaeton/ im Mittel des Herbsts/ von dem Jupiter/ mit einem Donnerstrahl/ geschlagen worden/ zeiget an/ daß um solche Zeit die Hitz gelöschet werde/ und die Erde/ auf Empfangung des erfrischenden Regens/ ihre verbrante Gestalt verliere/ auch wiederum frölich/ und zum Wachsthum bequem und geschickt werde. Diese Fabel lehret auch/ wie schädlich es sey/ wann Kinder/ oder unweise Könige/ und Obrigkeiten/ über die Länder herrschen/ und was/ neben ihrem eignem Verderben/ vor unsäglicher Schade insgemein daraus zu entstehen pflege. Solche unwissende/ oder unverständige Regenten/ werden allhier/ von dem Poeten/ abgebildet und gestraffet.

Diese Fabel ist noch/ auf eine andre Geschicht/ von Phaeton/ dem Könige aus Indien/ gegründet: welcher/ hochmütiges Geistes war/ groß Wesen von seiner eignen Wissenschafft/ da er doch ein Narr/ ohne Urtheil und Verstand war/ machte/ und mit seinen Gesetzen/ falschen und ungerechten Verordnungen/ als dem rechten Feuer des Irrthums/ sein gantzes Land/ zusamt unzehligem Volcke/ gleichsam verbrante/