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TA 1679, Metamorphosis, S. 12

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umhälsten Kraut und Kraut einander um die Wett.
Die grosse Wolcke gab auch hier und dar den Regen/
so daß/ von oben her/ der klare Tropffen- Segen
sich durch den Thau ergoß/ und/ daß ichs kürtzlich faß/
Der Berg war rund umher zu sehen feucht und naß.

Es wurden (als wir oben bereits erwähnt haben) vor Zeiten Vernunfft-Lehrer funden/ die das Feuer für eine Ursache aller Dinge gehalten: Wie dann gewißlich die Hitze die vornemste Wirck-Ursache der Naturen/ oder/ der natürlich- auf der Erden wachsenden und lebenden Dinge/ zu seyn scheinet. Jupiter ein Schöpffer aller Dinge. Neulichst-angezogener Homerus war gleichfalls dieser Meinung/ daß Jupiter ein Gebärer aller Dinge wäre. Viel haben auch den Jupiter/ für den Aether oder Himmel/ gehalten: dahero sie ihn auch Vatter/ und die Erde Mutter/ geheissen haben: inmassen/ unter andern/ Lucretius/ in seinem ersten Buch/ anzeiget/ wenn er sagt:

Es verlieret sich der Regen/ in der Mutter Erden Schrein/
wann er/ von dem Vatter Aether/ ausge- schüttet bricht herein.

Virgilius/ Cicero und Euripides sind alle eines Sinnes/ daß nemlich der Aether/ (welchen Anaxagoras den feurigen Himmel nennet) der höchste Gott/ wordurch sie den Jupiter verstunden/ seyn solte. Augustinus aber wolte (im vierdten Buch von der Stadt Gottes) den Heyden/ wann sie weiß zu seyn verlangten/ einen kurtzen Weg darzu zeigen/ daß sie nemlich den wahren Gott/ an statt so vieler Götter/ verehren und anbeten solten: diesen möchten sie halten/ für den Jupiter/ in dem Aether/ das ist/ in der reinen Himmel-Lufft: für die Juno/ in der Lufft; für den Neptunus/ im Meer; für den Pluto/ in der Erden; für die Vesta/ auf den Haus-Altären oder Feuerheerden; für den Vulcanus/ in den Schmiede-Essen; und so fort an: also/ daß Gott ihnen schier alles wäre/ was sie für Götter hielten: darum/ wann sie den einigen wahren Gott angebetet hätten/ sie auch alle seine Eigenschafften und Tugenden in sich danckbarlich angenommen haben würden.

Damit wir aber unsere Erzehlung/ von dem Jupiter/ zu Ende bringen; so ist bekannt/ daß/ wie man bey Einigen lieset/ er ein weiser König gewest/ der unter andern Dingen/ die er/ mit grossem Lobe/ zu Wercke gerichtet/ dem rauhen ungemenschtem Volcke auch/ vermittelst guter Lehren/ abgewähnt/ Menschen-Fleisch zu fressen: welches/ vor alten Zeiten/ gleichwie noch heute zu Tag/ in der neuen Welt/ geschiehet/ sehr im Brauch war. Er soll/ in seinen Kriegs-Fähnlein/ einen Adler geführt haben: dahero man ihme denselben noch zu zueignen pfleget: den Donnerkeil aber darum/ weil der Planetstern Jupiter den Blitz verursachet. Durch seine unterschiedene Gestalt-Wandlungen/ werden verstanden/ die unterschiedene Gemühter und Gedancken/ so die jenige/ welche dem Ehebruche und Unkeuschheit

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ergeben sind/ zu haben und zu hegen pflegen: von deren iedweden/ an seinem gehörigem Ort/ geredet wird. Jupiter ist auch/ als andere Menschen/ gestorben/ und soll/ wie Lucianus und Epiphanius (welcher allda sein Grab gesehen) bezeugen/ in Creta begraben worden seyn. Callimachus allein bekennet/ in seinen göttlichen Lobgesängen/ zwar/ daß sein Grab von den Cretensern bereitet und verfertigt worden: seinen Tod aber scheinet er gleichwol zu verneinen/ indem er saget:

Die Creter machten dir ein Grab zwar in der Erden;
Dein göttlichs Wesen kunt doch nicht be- graben werden.

Von dem Lycaon.

NUn folget auch Lycaon/ der grausame Arcadische Tyrann/ dessen Boßheit so groß war/ daß er auch den Jupiter/ welchen er/ als einen Gast/ bey sich hatte/ des Nachts zu ermorden vermeinte/ deswegen ihm/ zur Straff/ sein Haus im Feuer aufgegangen; er selbst aber in einen Wolff verwandelt worden. Welches Gedicht genommen zu seyn scheinet/ aus einer Geschicht/ die von Leontius dergestalt erzehlt wird. Daß nemlich die Molossen/ ein Volck in Epirus/ so heut zu Tage Albania heisst/ mit den Arcadischen Pelasgis/ über welche Lycaon König war/ nach einem langwierigen Kriege/ endlich zu einen friedlichen Vertrage kommen/ und/ zu dem Ende/ dem Lycaon/ zum Geisel/ gegeben einen schönen edlen Jüngling: Nachdem nun die Zeit verstrichen gewest/ und Lycaon denselben nicht wiederum zuruck gesandt/ Geschichts Erklärung über des Lycaons Verwandlung in einen Wolff. hätten die Molossen einige Legaten an ihn abgeordnet/ selbigen zu begehren und wieder abzuholen: Weiln aber Lycaon/ als ein grausamer Tyrann/ diese Wiederabforderung/ für einen grossen Hochmuht und Vermessenheit geachtet/ sey er gantz rasend worden/ habe den Geisel umbringen/ aber die Gesandten mit ihm zu Abend essen lassen. Unter diesen Arcadischen Gästen/ sey auch gewest ein Jüngling/ von grossen Kräfften/ Namens Lisamas/ der nachmals Jovis oder Jupiter genannt worden; welcher da er/ zum Vorgericht/ des ertödeten Geisels gekochte Glieder auftragen sehen/ über dieser unmenschlichen Grausamkeit/ sich dermassen entrüstet und erbittert habe/ daß er den Tisch von Stund an übern Hauffen geworffen/ einen Theil seiner Freunde zusammen gebracht/ und den Tyrannen nicht allein männlich angefallen/ sondern auch glücklich erlegt/ ihn selbsten in die Flucht gejagt/ und/ mit etlichen der Seinen/ in eine Wildnus verfolgt/ darinnen derselbe sich auch Lebenslang enthalten/ und/ mit Strassenrauben und Morden/ aller derer/ so ihm in die Hände gefallen/ ernehrt habe. Dahero dann gesagt worden/ Lycaon sey/ durch den Jupiter/ in einen Wolff verwandelt worden: Weil/ alle dergleichen Blutdürstige Menschen ins gemein Wölfe genannt zu werden pflegen: Wie/ unter andern/ auch der Schauspiel-Dichter Plautus/ in seinen Schertz-Gedichten/ saget:

Ein Mensch dem andern ist ein Wolff/ der Boßheit heget/