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TA 1679, Metamorphosis, S. 166

Linke Spalte

wunderliche Kräffte hat er mehr aus gewirckt und gethan. Endlich aber hat ihn seine Krafft betrogen. Dann als er in einen Wald kam/ darinne man einen grossen Baum zu spalten angefangen: wolte er denselben/ mit seinen starcken Händen/ vollends von einander reissen; brachte auch so viel zu wege/ daß er die Spalte öffnete: als aber die Höltzer ausfielen/ schnapte der Baum wieder zu/ ergrieff und fing ihm beyde Hände/ und hielte ihn so lange/ bis die Wölffe und wilde Bestien kamen/ ihn in Stücken zerrissen und auffrassen. Dieser Milo kan uns lehren/ daß wir die empfangene Göttliche Gaben/ nicht vergeblich anwenden und misbrauchen/ oder auch uns/ als ob wir sie von uns selbsten hätten/ deren hoch rühmen sollen; in Betrachtung/ uns dieselben/ zusamt dem Leben/ unversehens können genommen werden. Unser Poet erzehlet ferner viel Eigenschafften in der Natur/ so wol der Brunnen/ als Flüsse und andrer Dinge. Wer aber dergleichen Wunder der Wasser mehr zu lesen begehrt/ als der Poet erzehlet/ kan/ in Holländischer Sprache/ lesen Petri Messiaezweytes Buch/ am 30. Capittel. Ferner beschreibet auch unser Poet den ungepaarten und einzelnen Phoenix: worzu ich allhier/ um mehrerer Erklärung willen/ das ander Capitel des zehnten Buchs Plinii fügen wil.

Von dem Vogel
Phoenix.

DIe Indianische und Ethiopische Vögel sind/ wie Plinius bezeuget/ mehrentheils so unterschiedlicher Farben/ daß man sie nicht wol solte beschreiben können. Der Phoenix in Arabien aber ist der vortrefflichste unter allen andern. Wiewol ich nicht weis/ ob das/ so man von ihme saget/ daß nemlich nur einer in der Welt/ der sich auch nicht alle Tage sehen lasse/ ein Gedicht sey/ oder nicht. Man sagt/ daß er/ der Grösse nach/ als ein Adler/ und am Halse Gold-gleiche/ am gantzen Leibe aber purpurfarben/ oder schöne rohte Federn trage. Sein blauer Schwantz ist untermengt/ mit einigen Fleisch-oder Rosen-färbigen/ das Haupt aber mit den vortrefflichsten und schönsten Federn versehen. Manilius/ der grosse Römische Burgermeister/ welcher unvergleichlich in Wissenschafften/ war der erste Rahtsmann/ der aufs umständlichste darvon geschrieben hat. Jedoch sagt er/ daß niemals einiger Mensch den Phoenix Speise/ oder ein Aas fressen sehen. Dieser Vogel/ sagt er/ ist in Arabien/ der Sonnen zugeeignet/ und lebet 660. Jahr. Und wann er sich dann alt empfindet/ machet er sein Nest mit Zimmet-strauslein und Weyrauch/ er füllet es/ mit allerhand wolriechenden Materien/ und stirbet drauf. Aus seinem Gebein und Marck dann wächset erst ein kleiner Wurm/ der sich mit der Zeit verändert in einen kleinen Vogel/ welcher neuer Phoenix vors erste seinem Vorfahren gleichsam die Leich-Bestattung ausführet/ und das Nest des alten Phoenix bey Panchaja nach Heliopolis der Sonnen Stadt trägt/ dasselbe allda legend auf den Altar der Sonnen.

Rechte Spalte

Dieser Manilius befestigt auch/ daß das Jahr des grossen Umlauffs das Leben dieses Vogels vollende. In diesem Jahr/ kommen alle himmlische Zeichen an ihre erste Stellen: Und alsdann befinden sich die Bezeichnungen der Zeiten und Jahr-Theile/ eben wie sie waren im Anfange: und dis Jahr nehme seinen Anfang zu Mittag um ein Uhr/ wann die Sonne in den Widder trette. Auch sagt er/ daß dieser Umlauff geschehen sey/ in dem Jahr der Burgermeisterschafft des Publius Licinius und Marcus Cornelius. Weiter schreibt Cornelius Valerianus/ daß man/ im Jahr der Burgermeisterschafft des Quintus Plautius/ und Sextus Papinius/ in Egypten einen Phoenix fliegen sehen. In dem Jahr/ da Käyser Claudius Schatzmeister war/ welches das achthunderste Jahr von Erbauung der Stadt Rom war/ brachte man einen nacher Rom: allda er/ zur Zeit der Wahl/ in vollem gemeinem Raht gezeiget ward: wie solches erhellet aus den beschriebenen Thaten/ und gemeinen Stadtbüchern/ die man keiner Falschheit würde überweisen können. Dieses ists/ was Plinius/ von diesem einigen Vogel/ schreibet. Der Phoenix mag seyn ein Vorbild der Jugend; welche einen tugendhafften frommen Vatter gehabt/ der/ bey seinem Abschied aus dieser Welt/ zusammen gebracht/ und erlangt hat ein lieblich- und wolriechend löbliches Gerücht und Namen/ wegen seiner vortrefflich-herrlichen und guten Wercke. Daher sie/ die Jugend/ von Kindes-Beinen auf/ da sie gleichsam annoch einem Wurme gleich ist/ allein suche und trachte/ ihrem Vatter/ oder Vorgänger gleich zu werden/ und also seinen guten und rühmlichen Namen wiederum zu erneueren/ und gleichsam auf den Altar der Sonnen/ oder an den Tag zu bringen: also daß man sagen muß: Dieser Sohn wird seinem Vatter gantz gleich/ der war ein solcher vortrefflicher und tugendhaffter Mann. Nunmehro wenden wir uns zu dem keuschen aber unglückseeligen Hippolitus: um zu sehen/ wer auch dieser gewesen sey.

Vom Hippolytus.

HIppolytus war der Sohn des Theseus/ des Sohns Neptuni,und von der einbrüstigen Aamazonin/ Hippolyta geboren. Nachdem diese Hippolyta verschieden: nahm Theseus/ zu seinem andern Weibe/ die Phaedra/ eine Tochter des Königs Minos/ und der Pasiphaë/ und weil er sich einer Uneinigkeit besorgte/ zwischen dem Hippolytus/ und den Kindern/ die er mit der Phaedra erzeugete/ schickte er ihn zum Pitheus/ Könige von Traezen/ als seinem Großvatter von der Mutter/ damit er allda auferzogen/ und/ nach dessen Ableiben/ Nachfolger im Reiche würde. Inzwischen hatte sich zugetragen/ daß Theseus einen von seinen nahen Anverwandten/ Namens Pallas/ samt seinen Kindern/ erwürgt: weil derselbe das Reich/ und die Herrschafft Athen/ in Aufruhr setzen wolte. Damit nun Theseus hiervon sich reinigen möchte/ reiste er auf eine Zeit nach Traecen/ mit seiner neuen Gemahlin: welche/ so bald sie des jungen Hippolytus/ und dessen grosser Schönheit und Annehmligkeit