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TA 1679, Metamorphosis, S. 156

Linke Spalte

dieser Circe männlich Widerstand thut/ mit dem Schwert der ernstlichen Standhafftigkeit/ gewafnet mit dem Kraut der Vorsichtigkeit/ so hat ihr Stachel-rühtlein keine Krafft/ unsinnig zu machen/ oder der Vernunfft zu berauben. Viele aber/ die sich nicht mit gantzem Ernste darwider waffnen/ thun übele Reisen/ werden hier und dar/ durch verschiedene Anfechtungen/überwunden/ wie an vielen/ oder fast allen des Ulysses Mitgesellen zu sehen/ ungeachtet er ihnen öffters aufs beste riehte/ und/ für dem anreitzenden Syrenen-Gesang/ die Ohren mit Wachs verstopffte/ja/ allen Fleiß/ als ein aufrichtiger Mann/ einem andern/ oder seinem Nächsten Andere lehrliche Auslegung auf die Circe und den Ulysses. zu thun vermag/ sie zu erhalten/ anwendete.Durch den Ulysses wird auch verstanden das Theil unsrer Seele/ so tüchtig und beqvem ist zu urtheilen; und durch Circe/ die Natur: Durch die Knechte des Ulysses/ die Kräffte der Seelen/ welche ungebührliche Vereinigungen machen/ mit den Neigungen des Leibes/ die sich der gesunden Vernunfft und dem Verstande nicht unterwerffen wollen. Nun diese Natur ist eine Begierlichkeit der ungeziemenden/ und denen Gesetzen zu widerlauffenden Dingen: Dann das rechte Gesetz ein Zaum und Bindung des verdorbenen Geists ist: und diese Seelen-Kräffte sind der Bestien/ darein sie verwandelt werden: aber der Vernunfft/ als durch welche wir der Göttlichen Natur näheren/ widerstehet denen Anreitzungen solcher Beherrschung unüberwindlich. Diese des Ulysses Knechte/ so in Schweine und andere Thiere verändert/ durch Fleiß und Weisheit des Ulysses/ von der Erden wieder aufgestanden/ das Haupt empor gehoben/ und Menschen worden/ können lehren/ daß man/ durch gute Vermahnung/ mit Hülff der rechten Weisheit/ zum Nachdencken/ wie auch mehrmalen wieder zu einen vernünfftig und tugendlichen Leben kommen könne. Von diesem Wieder-Menschen-machen hat einer/ Namens Johann Baptista Gello/ ein kurtzes/ doch gelehrtes Büchlein/geschrieben/ die Circe genannt: Darinnen Ulysses von der Circe erlangt/ daß er alle/ die er wolte/ wiederum zu Menschen machen solte;iedoch anderer Gestalt nicht/ als wann sie es begehrten.Als er nun den Thieren Sprache und Verstand gegeben/ kam Ulysses/ mit einem und anderm/ zu sprechen;und zwar erstlich mit einer Auster/ die in Griechenlande ein Fischer gewest. Dann mit einem Maulwurff/ der ein Landmann gewest; mit einer Schlange/ so ein Artz gewest; mit einer Hinde/ die ein Weib gewest/ und so fortan; Allein niemand wolte wieder ein Mensch werden; dieweil sie fast tausenderley Beschwerligkeiten bey dem Menschen fanden/ deren sie nunmehro befreyt waren. Endlich ließ sich ein Elephant bereden/ der ein Philosophus gewest/ wiederum ein Mensch zu werden. Dieser Fund ist genommen aus dem Plutarchus / in seiner Erzehlung/ daß auch die Bestien der Vernunfft gebrauchen/ allda Ulysses/ Circe/ und Grillus mit seinem Schweinsrüssel/ die Unterreder sind. Da dann auch Grillus gantz kein Mensch mehr seyn wolte/ und bewiese/ daß die Bestien/ bloß ihrer Natur folgende/ viel vernünfftiger/ als die Menschen/ und mit so viel Lästen nicht beladen noch geqvält wären. Mich dünckt/ sagte er/ ich habe

Rechte Spalte

Vom Gryllus/ der ein Schwein/ kein Mensch werden wolte. euch ehemalen in Creta gesehen/ mit einem schönen artlich gewebt- und gevirckten Rocke/ herrlich bekleidt; zu demselben hatte ich vielmehr Lust/ dann zu aller eurer Weisheit und Tugenden/ wie mir dann euer sehr künstlich gemachter scharlakener Mantel überaus wolgefiel. Ich war bestürtzt und gantz aus mir selber kommen/ als ich sahe die güldene Qväste/ oder Dollen/ welche/ weis nicht was vor Besonderligkeit/ in sich hatte/ und glaube/ daß der gröste Bildhauer gnug würde haben zu thun gehabt/ dieselbe nachzumachen. Ich gieng euch nach/ gleich als die verliebte und bezauberte Weiber/ derselben mich nur satt zu sehen: Nun ich aber/ von allen diesen eiteln Meinungen/ frey worden/ und mein Gehirn von den Begierligkeiten gereinigt ist/ trette und gehe ich über Silber und Gold/ als über andere gemeine Steine/ und achte eure gebordirte Kleider und Tapeten so wenig/ daß ich viel lieber habe eine tieffe sanffte Pfütze/ mich darinnen/ nach belieben/ zu weltzen/ und wann ich ermüdet bin/ drinnen zu schlaffen. Dann keine solcher fremden Lüste von aussen unsere Seele besitzen kan: sondern wir bringen unser Leben zu allein/ mit unsern nohtdürfftigen Neigungen. Viel solche/ und andere Reden mehr sind alhier nach der Länge beygefügt/ woraus dann klärlich erhellet/ daß man den wilden Thieren Unrecht thue/ wann man ihnen ungeschickte Menschen vergleichet: und sie weit mässiger und vernünfftiger/ als viel unter den Menschen/ welche billig von ihnen lernen/ noch mehr aber (dieweil sie solche herrliche Geschöpffe) Fleiß anwenden solten/ daß sie die Thiere/ nicht allein in vielem Wissen/ Verstande und Sprachen; sondern auch in aller Mässigkeit und Vernunfft weit überträffen/ und den herrlichen edlen Namen/ Mensch/ recht würdiglich verdienen möchten. Nunmehro folget/ bey unserm Poeten/ der Picus/ König von Ausonien oder Nieder-Calabrien/ ein Sohn des Gottes Saturnus/ in welchen sich die Circe verliebte/ und ihn in einen Specht veränderte/ weil er/ aus allzutreuer Liebe gegen sein Weib/ ihre Liebe weigerte. Dis des Picus Weib aber war die nicht minder wol-singende/ alschöne/ Canens/die/ mit ihrem süssem Gesange/ Thiere/ Bäume und Steine bewegte/ und Flüsse stehend machte/ das ist/ daß sie mit Liebligkeit ihres Gesangs/ und angenehmen Stimme/ schönen/ vernünfftigen und Verständigen Worten/ desselben Volcks Hertzen bewegt: inmassen auch/ vom Orpheus/ im zehnten Buch/ zu sehen ist. Diese Canens war eine Tochter des zwey-gesichtigen Janus und der Venilia. Ehe wir aber/ von ihrem Mann/ dem Picus/ reden/ müssen wir erst vom Janus etwas handelen.

Vom Janus.

DIe alte Poeten haben ihre Gedichte und Fabeln nicht allein aus den Geschicht-Schrifften genommen; sondern auch der Dinge oft so viel unter einander gemischt/ daß die Geschichten darmit vielfältig verdunckelt/ oder denselben/ durch die Fabeln/ eine so fremde Gestalt gegeben worden/ daß man mit Warheit kaum alles zu unterscheiden.