TA 1679, II (Skulptur), S. 61
Kaiser Titus Vesp. Seine Gestalt und Sitten. Sein Jugend- Frefel. Seine Gemahlin. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Mildigkeit/ Sanftmut. Untergang des Jüdischen Reichs. Vorzeichen dessen. Jerusalem wird belagert. Eroberung der Neu- und Untern- Stadt/ des Tempels und der Burg Sion. Drey Haubt-Plagen der Juden/ Krieg und Zweytracht/ unerhörte Hungersnoht/ und grausame Pestilenz. Gefangenschaft der Juden. Verwüstung der Stadt Jerusalem. Kais. Titi Triumf. Sein Tod. Sein und seiner Gemahlin Bildnis. Hercules mit Acheloo. Apollo. Die Hoffnung. Sacrificium Salutis. Biga. Desultor.
SandrartInformat. zur Quellenmarkierung:
Die Titus-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Titus, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 957Kais. Titus Vesp. KAiser Titus Vespasianus, des vorigen und Flaviae Domitillae Sohn/ ward gebohren A. C. 43 den 30 Decembr. in einem schlechten Bauer-Haus: gleichwie die Sonne aus der Nacht oder aus dem Gewölke hervorzubrechen pfleget. Britannicus Kaisers Claudii Sohn/ ward zu eben selbiger Zeit gebohren/ und als Metoposcopus von Narcisso, diese beyde Kinder zu sehen/ herbeygeführet worden/ sagte er/ daß Britannicus gar nicht/ aber Titus Seine Gestalt und Sitten. gewiß regiren würde. Er zeigte/ gleich von Kindheit auf/ sonderbare Leibs- und Gemüts- Gaben/ ware stark und untersezt von Leib/ zugleich liebreich und heroischen Ansehens. Er hatte ein gutes Gedächtnis/ begriffe zeitlich die Staats- und Kriegs-Künste/ lernte wol fechten und reiten/ konte auch ohne Vorbedacht reden/ singen und poetisiren in der Griechischen und Mutter- Sprache. Insonderheit verstunde er wol die Abbreviatur-kunst/ und schriebe oft also mit seinen Schreibern in die Wette/ konte auch alle Schrifften nachmachen/ daher er oft zu sagen pflegte: Er könte/ so er wolte/ den grösten Betrüger abgeben. Er ward mit dem Prinzen Britannico bey Hof erzogen/ und hatten sie beyde einen Belehrer: daher er demselben hernach/ in seinem Palast/ eine güldene Statuam, und wiederum eine von Helfenbein/ aufstellen lassen.
Sein Jugend-Frefel. Vor seiner Regirung machte er sich sehr verhasst/ indem er einen ieden/ der ihm verdächtig gemacht worden/ hervorsuchen und hinrichten ließe: und unter diesen war Aulus Coecinna, welchen er zur Tafel beruffen/ und sobald drausen im Vorgemach/ nachdem er vom Mahl aufgestanden/ vom Leben gefördert. Als auch der König Agrippa aus Judaea nach Rom gekommen/ und seine schöne Schwester die Berenice mitgebracht/ hat er solche zu sich nach Hof genommen/ und gar vertreulich mit ihr gelebt/ also daß man vermeint/ er würde sie ihm vermählen lassen. Aber er ließe sie endlich/ wiewol mit beyderseits Unwillen/ von sich/ als er verspürte/ daß die Römer/ weil die Königin eine Jüdin ware/ hieran keinen Gefallen
hatten. Er beflisse sich auch/ wann er weit in die Nacht hinein gezehret/ die Leute auf der Strasse anzutasten/ daher von ihm gesagt wurde/ man würde einen neuen Neronem an ihm haben.
Seine Gemahlinnen. Auser dieser nun/ werden seiner Gemahlinnen zwo gezehlet. Die erste/ Aricidia, Tertulli eines edlen Ritters und Leibwacht-Haubtmans Tochter// starb ohne Kinder. Die andere/ Martia Furnilla, auch eine edle Römerin/ gebahre ihm eine Tochter/ nach deren Tod/ er sie wieder fahren ließe. Er lebte sonst genau und mässig/ und hielte zwar Gastereyen/ aber ohne grossen Kosten/ und nur zur Ergetzlichkeit.
Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Er ward so leutseelig und freundlich/ daß man ihn amorem & delicias humani generis, die Liebe und Lust des Menschlichen Geschlechts/ genennet. Man vergleicht ihn dem Kaiser Augusto, und sagt von beyden/ daß Augustus von den Römern nie wäre geliebt worden/ wann er kürzer/ und Titus, wann er länger gelebt hätte. Dann Augustus ware anfangs ein Wütrich/ indem er seine Widersacher verfolgen müssen: nachmals aber hat er langzeit ihme iederman hold und geneigt gemacht. Titus hingegen starbe im Flor seiner Tugend/ und wäre vielleicht mit der Zeit ein Wütrich worden/ weil er mehr Glück als Tugend gehabt/ und ob er wol die Laster hinweg geleget/ gleichwol den Stachel und das Wiedergedächtnis davon behalten. Die Frucht seiner Leutseeligkeit ware/ daß er niemand nichts abschluge/ und oft mehr versprache/ als er halten kunte/ und da ihm deswegen von seinen Freunden eingeredet wurde/ gabe er ihnen zur Antwort: Es müße niemand/ von eines Kaisers Ansprache/ betrübt hinweg gehen.
Mildigkeit/ Er war trostreich/ nicht allein mit Worten/ sondern auch mit Wercken/ und thäte iederman gutes. Daher/ als er einsmals bey der Abendmalzeit sich erinnerte/ daß er selbigen Tag niemanden etwas gutes gethan hätte/ ließe er sich dieser Worte vernehmen: Ach meine Freunde! dieser Tag ist mir verlohren gegangen. Das war ja eine göttliche Stimme/ und also solte man alle Fürsten reden hören: die nicht darum von Gott in diesen Stand erhoben worden/ daß sie nur essen/ trinken/ jagen/
Die Titus-Biographie basiert in weiten Teilen auf Sueton, De vita Caesarum, Titus, sie enthält jedoch auch Angaben aus Texten anderer antiker Autoren. Unter den zahlreichen kommentierten Neuausgaben in lateinischer Sprache, aber auch in Übersetzungen, die Suetons Kaiserbiographien im 17. Jahrhundert erfuhren, konnte die Ausgabe, die Sandrart bzw. seinen Mitarbeitern als Grundlage diente, bislang nicht eruiert werden. Daher muss die Frage offen bleiben, ob die Passagen, die sich nicht auf Sueton zurückführen lassen, den Annotationen einer neuzeitlichen Ausgabe folgen oder das Ergebnis des Quellenstudiums eines der Redakteure darstellen. Für die Redaktionsarbeit des 1679 erschienenen Teils der Academie wurden zuletzt Martin Limburger und Christoph Arnold in Betracht gezogen; s. Laufhütte 2011, S. 19.Das Ende des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 957