TA 1679, Metamorphosis, S. 121
Natürliche und Lehrliche Erklärung vom Atys. mehr darum zu thun/ daß ich möge anweisen/ warum der Götter Mutter in den Dannenbaum verliebt gewest. Man solte zwar hierauf viel appliciren können: allein wir wollen darbey verstehen und ein Vorbild nehmen/ wie übel öffters die Menschen/ die einander so gar ungleich an Jahren sind/ in Heyrathen es treffen und übereinkommen/ und was grosse Schwerigkeiten/ in solchen Ehen/ entstehen können. Gestalt an dieser Götter-Mutter/ welche diesen Jüngling/ mit grossen Eifer/ liebte/ und nicht erdulten mochte/ daß er seines gleichen auch lieb hätte/ klärlich zu ersehen ist. Hiernächst erzehlt unser Poet vom Cypressen-Baume/ in welchen Von Cyparissus. Cyparissus sich verwandelt habe. Dieser Cyparissus war sehr geliebt vom Sylvanus/ dem Busch- und Feld-Gotte. Er ward/ von den alten Heyden/ auch gehalten für den Nacht-Alben/ oder für das Geblüt/ welches den Menschen offtmals im Historische und Lehrliche Erklärung der Fabel von Cyparissus und Cypressen. Schlaffe/ als ob er von etwas schweres gedruckt würde/ zu beschweren pfleget. Dieser trug/ wie Virgilius und Servius dichten/ ein Cypres-Zweiglein aus Liebe zum Cyparissus/ der/ wegen seines/ vom Sylvanus aus Unwissenheit getödteten/ Hirschen/ so betrübt war/ daß er sterben wolte/ und sich in einen Cypressen-Baum verwandelte: Welcher Baum dann das Weinen/ und die Traurigkeit/ über den tödtlichen Abgang der nächsten Anverwandten und Blutfreunde andeutet. Dann die alte Heyden waren gewohnt/ die todte Leichname und Gräber ihrer Freunde/ mit dieses Baums grünen Zweigen/ zu zieren. Diese Fabel lehret/ daß man sein Hertz nicht zu sehr an zeitliche Dinge hängen soll: weil man sonst/ durch deren Verlust/ nicht allein/ durch übermässiges Trauren/ an seiner Gesundheit einen unglaublichen Stoß leidet/ sondern zu seinem selbst eignen Schaden/ und iedermans Verwunderung/ ein trauriges Beyspiel vorstellet.
Vom Ganymedes.
GAnymedes war ein Sohn des Trojanischen Königs Tros/ und so schön/ daß er/ des Jupiters Mund-Schenck zu seyn/ gewürdiget wurde; wie solches Homerus/ im zwantzigsten Buch seiner Odysseen/ erzehlet/ wann er sich also hören lässt:
drauf sich der Trojaner Stamm/ in noch¶ mehre Zweige neigte.
Als der Tros auch/ nach der Zeit/ drey der¶ edlen Printzen wiese.
Ilum/ Assarac und den/ so man Ganyme-¶ des hiesse:
Dessen Schönheit übertraff aller Menschen¶ Schönheits-Prachten
darob auch die Götter selbst angerührt/¶ ihm nachzutrachten/
ihn in den saffirnen Saal ewig/ herrlich zu¶ erheben/
daß er/ bey dem Göttermahl/ als ein Mund-¶ Schenck solte leben.
Die Geburt der Hebe. Anfänglich hatte Jupiter/ und die Götter/ zu einer Mundschenckin/ die Hebe/ welche nachmals Göttin der Jugend und Unsterbligkeit/ und/ im Himmel/ des Hercules Gemahlin ward. Diese war eine Tochter der Juno. Dann die Göttin Juno/ war unfruchtbar gewesen: Als sie aber eins/ auf einem Gastmal/ das Apollo in des Jupiters Behausung gab/ viel wilder Lactuken gessen/ wurde sie schwanger/ und gebar die Hebe: die/ wegen ihrer grossen Schönheit/ vom Jupiter/ über die Jugend/ und zu seiner Mundschenckin verordnet ward. Sie trug/ auf dem Haupte/ Hebe der Götter Mundschenckin wird durch Unglück ihres Diensts verlustigt. einen Krantz/ von allerley Blumen. Als aber Jupiter eins/ mit denen andern Göttern/ in Ethiopien/ ein frölig Gastmal hielte/ und sie ihme den Nectar zubrachte: strauchelte sie unversehends so hart/ daß sie platt zur Erden niederschlug/ und die Kleider ihr über das Haupt hinflogen/ also daß die gantze Gesellschafft ihr das sahen/ was doch die Natur verborgen haben will/ weswegen ihr der Dienst benommen/ und dem Ganymedes gegeben wurde. Lehrliche Auslegung/ vom Ganydes Ganymedes. Durch den Ganymedes/ wird verstanden die menschliche Seele/ welche am allerwenigsten mit den Leiblichen Unreinigkeiten der bösen Lüste befleckt ist. Diese wird von Gott erwehlet/ und zu ihm gezogen. Und gleich wie Gott allezeit begierig und durstig ist nach der Weisheit/ Gerechtigkeit/ Sanfftmuht/ Demuht/ und anderen Tugenden/ oder Schönheiten der Seelen: also nimmet er ihre innerliche Wercke in dem Menschen an/ als einen lieblichen Nectar/ oder Götter-Tranck. Dergestalt können wir/ zu unserer Lehre/ die Entführung des Ganymedes anführen: der/ als ein vortrefflich schöner Jüngling/ seinen Eltern frühzeitig verstarb/ und darum entführt zu seyn erdichtet wurde. Also ists mit allen aufrichtigen/ weisen Menschen bewandt: ihre Seelen oder Gedancken sind von der Erden über sich gezogen/ indeme sie mit Himmlischen Göttlichen Dingen beschäfftigt. Dann Gott erwehlet die zu seinem Dienste/ welche/ von aufrichtigem Gemüht/ ihme vollkömmlich Natürliche Erklärung von der Hebe und dem Ganymedes. anhangen/ und zu gehorsamen sich gantz ergeben haben. Was aber die Hebe anbelanget/ so hat man natürliche Auslegungen darüber. Juno/ ihre Mutter/ ist die Lufft/ durch dero Mässigung allerley Kräuter hervorsprossen und wachsen. Sie ward gastirt/ vom Apollo/ in des Jupiters Behausung/ und aß viel wilder Lactuken/ so ein Kraut von kalter Art ist/ welches die von der Lufft herkommende Mässigung der Hitze andeutet. Wie dann/ in der Welt/ alles aus mässiger Einigkeit und Zwietracht untermenget/ bestehet. Das Wort Hebe deutet an die Jugend/ an Menschen/ Thieren und Kräutern. Durch ihren Fall ist zu verstehen der Untergang/ oder das Ersterben der Jugend/ in al- allen Dingen/ wie auch der Blätter/ oder des Laubs Abfall zur Herbstzeit/ wann das Feld und die Bäume geblösset werden/ und ihren Ehren-Krantz/ oder grünen Zierat verlieren. Darauf dann an die Stelle kommt Ganymedes/ das ist/ der Winter/ welcher in Griechischen genennet wird Hyein, das so viel bedeutet/ als regnen/ dann Ganymedes wird verwandelt/ in das himmlische Zeichen des Wassermanns/ welches/ von der Sonnen