TA 1675, Lebenslauf, S. 24
Sandrart (Continued from previous page)Informat. on source text markers:Der Lebenslauf, den Sandrart entgegen seiner auf Bescheidenheit zielenden Aussage wohl selbst verfasst hat (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 4), erfuhr durch Sigmund von Birken deutliche sprachliche Eingriffe wie aus dessen Korrespondenz und Tagebucheintragungen ersichtlich wird (vgl. Klemm 1995; Laufhütte 1998, S. 25–29; Möseneder 2000, S. 163; Laufhütte 2011). Die im Lebenslauf vertretenen Leitmotive von Geburts- und Kunstadel, von Tugendidealen, den Kontakten mit Herrschern und Gelehrten sowie der Idee einer neuen deutschen Kunst vor dem Hintergrund eines europäischen Lebenswandels stilisieren Sandrart zu einem würdigen Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (vgl. Meier 2004, S. 223–227). Besonders die Qualitäten von Sandrarts Malerei werden durch Georg Philipp Harsdörffer bezeugt (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 19 f.), vgl. dazu Schreurs 2010(c), S. 128–132.The beginning of this part of the text is on page 641
mit Leinwat bekleidet. Diese und die Engel vermehren dieses Werks Anmütig-und Lieblichkeit/ mit ihrer himlischen Zier/ auch schönst-gebildeten holdseeligen Angesichtern. Alle diese Bilder sind in herrlich und prächtigen Gewändern/ von weiß/ gelb/ blau/ purpur/ roht/ und mit andern schönen Farben/ ausgemahlet/ bey bescheidener und vernünftiger Zusammenordnung der Coloriten. Ist also dieses Werk/ wegen der fürtrefflichen Harmonie und Einstimmung/ nicht weniger auch wegen der herrlicher Invention, guter Zeichnung/ und fürtrefflichen variablen Gesicht-Bildungen/ Kleider und Haarbünde/ über-hoch zu schätzen und zu preisen.
Das große Altar-Blat in S. Cajetani Kirche zu Mönchen. Die nächste Kunst-Arbeit nach dieser/ so Er noch daselbst zu Augsburg verrichtet/ ist das große Altar-Blat in der Kirche S. Adelheit und S. Cajetani zu Mönchen: welche Ihr. Churf. Durchl. in Bayrn den Herren PP. Cajetanis durch den berühmten Architectum Augustino Barelli von Bologna, in dieser deroselben Residenz-Stadt/ mit großem Kosten aufführen lassen/ und zweifelsfrey zu einem Wunder-Werk Teutscher Nation/ wann alles zur Perfection gelanget/ aufstellen werden. Sie haben ja/ von dem berühmten Jacob Tintoret zu Venedig/ um hohen Preiß/ ein Altar-Blat zuwegen gebracht/ welches die Abnehmung Christi vom Creuz ausbildet: worinn viel schöne Figuren/ auch etlicher Geistlicher Herren Contrafäte alla moderna gekleidet/ die aber dem Werk keinen Wolstand geben/ zu sehen sind/ jedoch aber das fürnehmste Bild/ nämlich der verblichene Christus/ mit geneigtem Haupt/ trefflich wol ausgemahlet ist und den Preis erhält; und wird dieses Stuck zu einem Seiten-Altar gebrauchet. Aber das grosse Blat/ als eines der allerfürnehmsten Stucke/ haben hochgedachte Ihr. Churf. Durchl. unsrem Herrn von Sandrart zu mahlen aufgetragen/ welches Er auch zu deroselben und männigliches Contento verfärtigt: massen es/ in dem Käyserlichen Saal der Churfürstl. Residenz aufgestellet/ von der ganzen Churfürstl. Familie, auch dem HofStaat/ beschauet und belobet/ auch niemals daselbst einigem Kunst-Stuck so große Ehre/ wie diesem/ (besag eines daselbst hierüber gedruckten Tractätleins) angethan/ wie dann nicht minder sein angewandter Fleiß mit reichen honorarien und schönen Praesenten/ neben Versicherung Churfürstlicher Gnade/ belohnet worden.
Es ist aber dieses Altar-Blat/ in Form des Lazareths oder Pesthauses zu Neapoli, gebildet: und erscheinet zu vorderst/ eine große Anzahl inficirter und bresthafter Manns-und WeibsPersonen/ Junge und Alte/ allerley Standes/ Krancke/ Todte und Lebendige durcheinander: welche alle/ mit ängstiger Andacht/ gegen dem Bildnis S. Cajetani, welches von einem zierlich-zugerichteten Altar durch etliche Geistliche aufgehoben wird/ üm Hülfe und Erledigung schreyen und stehen. Von oben kommet S. Cajetanus, in einer freudigen himlischen Glori, zwischen vielen Engeln herab/ in der einen Hand einen grünen Oelzweig tragend/ und mit der andern sie zu der Göttlichen Gnade weisend. Alsdann siehet man
ferner die Würg-Engel das blutige und flammende Schwerd des Zorns Gottes einstecken/ die feurige Donnerkeile der Pestilenz aufhalten/ die mit der giftigen Seuche inficirte Luft reinigen/ die Gift-speyende Ottern/ Schlangen und Krotten vertreiben/ und dem dürrbeinichten Menschen-Mörder die Sense aus der Hand reissen. Es ist hierbey/ unter andern/ preislich zu sehen/ ein darniederligender alter Mann/ den der Tod schon in die Arme gefasset/ welcher den Arzt oder Medicum erbärmlich ansihet/ der ihme mit der Hand nach dem Puls fühlet/ inzwischen ihm ein Chirurgus am Fuß das Pflaster von der Pest-Wunden abnimmet/ und ein anderer Medicus, ihme aus dem Harm den Tod verkundigend/ den Patienten zu den himlischen Mitteln weiset. Zur andern Seite/ liget eine Mutter/ mit zweyen Kindern in den lezten Zügen/ da das eine neben ihr schon verbleichet/ das kleine aber/ noch gesund/ aus der Wiege zu der Mutter Brust sich neiget/ und die gifftige Milch in sich sauget: worbey der mitleidige Vatter/ vor dem gifftigen Lufft/ seinen Mund und Nase bedecket/ und mit der andern Hand das Kind von der vergifften MutterBrust abwendet. Das ganze Werk/ darinn 60 oder mehr grosse Figuren/ ist mit tiefsinnigen beweglichen affecten erfüllet/ auch auf das bäste inventirt/ gezeichnet und coloriret. Man erkennet/ in den Gestalten und actionen aller Bilder/ ihr innerliches Anligen und Wesen/ welche sterbkrank sind/ oder noch genesung hoffen/ oder gesund werden/ welche getrost oder erschrocken/ und dergleichen. Auch die Engel zeigen sonderbaren Gehorsam-Eifer in ihren Verrichtungen/ und über alles ist S. Cajetani erfreuliches und erleuchtetes Angesicht/ so ein recht himlisches Wesen von sich scheinen lässen.
Seiner Ehe-Liebstin Absterben: Als A. 1672 unsrem Herrn von Sandrart ob-wolernennte seine Ehe-Liebste/ nach langwüriger Unpäßlichkeit/ seel. Todes verfahren/ hat Er im folgenden Jahr/ durch Göttliche Schickung/ mit der Edlen/ Viel Ehren-Tugendreichen deren Stelle er in Nürnberg wieder ersetzet/ Jungfr. Esther Barbara/ Herrn Wilhelm Blommarts des Größern Rahts in Nürnberg mit Fr. Anna Elisabeth/ gebohrnen Salmuthin seel. erzeugten Jungf. Tochter/ sich in das zweyte Gelübde eingelassen/ und solches den 5 Novembr. daselbst hochzeitlich vollzogen. Und weil/ durch diese Mariage, Ihm viel alte wehrte liebe Befreundte näher verwandt worden/ als hat und sich dahin häuslich verwandlet. Er derentwegen die resolution gefasset/ und A. 1674 von Augsburg nach Nürnberg mit seinem Hauswesen sich verwandlet.
Gleichwie nun/ diese Welt-berühmte des H. Röm. Reichs Stadt/ jederzeit eine Mutter/ Herberge und Nehrerin der Edlen Geister und Kunstliebenden gewesen/ also hat Sie nun auch diesen großen Mann in ihrem Schosse/ welchen Geist und Weltliche höchste und hohe Potentaten/ Chur- und Fürsten/ Prälaten/ Grafen und Herren/ geliebet/ geehret und geheget. Die Academie der Kunstliebenden daselbst
Für einen ausführlichen Kommentar zum Komplex der Nürnberger Kunstakademie siehe den Eintrag im Ortsindex: Nürnberg, Kunstakademie./ hat nun auch an Ihme einen fürtrefflichen Vorsteher/ und lernet aus seinen Discursen/ was andere weit über Land und Wasser holen müßen: dahin Er auch/ mit ob-belobter seiner daselbst in Druck gegebenen HohenSchul der Künste/ löblich abgesehen. Gott wolle/ diesen Edlen Kunst-Adler in seinem hohen Alter verjüngen/ und/ auf seinen Fittichen/ die Künste noch ferner an die Nachbarschaft der Sternen sich empor schwingen machen.SandrartInformat. on source text markers
Der Lebenslauf, den Sandrart entgegen seiner auf Bescheidenheit zielenden Aussage wohl selbst verfasst hat (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 4), erfuhr durch Sigmund von Birken deutliche sprachliche Eingriffe wie aus dessen Korrespondenz und Tagebucheintragungen ersichtlich wird (vgl. Klemm 1995; Laufhütte 1998, S. 25–29; Möseneder 2000, S. 163; Laufhütte 2011). Die im Lebenslauf vertretenen Leitmotive von Geburts- und Kunstadel, von Tugendidealen, den Kontakten mit Herrschern und Gelehrten sowie der Idee einer neuen deutschen Kunst vor dem Hintergrund eines europäischen Lebenswandels stilisieren Sandrart zu einem würdigen Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (vgl. Meier 2004, S. 223–227). Besonders die Qualitäten von Sandrarts Malerei werden durch Georg Philipp Harsdörffer bezeugt (vgl. TA 1675, Lebenslauf, S. 19 f.), vgl. dazu Schreurs 2010(c), S. 128–132.The beginning of this part of the text is on page 641