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TA 1680, Iconologia Deorum, S. 37

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Felsen herunter/ zumahln der Tempel auf einer gähen Höhe erbauet ware/ das Haupt aber steckten sie daselbst auf einen Pfahl. Als nun die arme Iphigenia allda diesen abscheulich- und greulichen Gottesdienst versahe/ kame einsmahls ihr Bruder Orestes gleichfalls dahin/ umb daselbst wegen deß zu Colchis begangenen Muttermords zu büssen. Er wurde aber von seiner Schwester gar bald erkannt/ die ihn dannenhero nicht wie andere Frembdlinge und Gäste aufopferen wolte: und weil leichtlich zu vermuhten ware/ daß die Innwohner dieses Verschonen übel aufnehmen würden/ ergriffe sie sampt ihme die Flucht/ und nahme der Göttin Bildnuß/ in einem Holtzbüschel verborgen/ (dahero sie Diana Fascellina genannt worden) mit sich nach Aricien/ einem unfern der Stadt Rom gelegnen Städtlein/ allda der Gebrauch/ die Gäste und Frembdlinge zu opffern/ sehr lange üblich gewesen.

Wie die Laconier der Diana geopffert. Als aber nachgehends diese Grausamkeit denen Römern begunte zu mißfallen/ (wiewohl niemand anders als die Knechte beym Altar pflegten geschlachtet zu werden/) wurde die Diana zu den Laconern gebracht/ allwo die Opffer-Gewonheit mit Schlagung der Jünglinge gehalten wurde/ und man diese Ceremonien beobachtete: Sie pflegten etliche Jünglinge durchs Loß zu erwehlen/ selbige hernach auf den Altar der Göttin zu legen/ und also zu streichen/ daß ihnen das Blut häuffig übern gantzen Leib herab flosse: welches dieselben nicht allein sehr gedultig erlitten/ und wegen deß Schmertzens die geringste Veränderung im Angesicht nicht spüren liessen/ sondern fröliches Gemühts mit einander stritten/ welcher unter ihnen die Streiche mit grösserer Tapfferkeit ertrüge. Dem Götzendienst stunde eine Weibs-Person vor/ die hielte den Knaben/ so lange sie gestrichen wurden/ der Göttin Bildnuß vor. Wann aber die jenige/ welchen das Amt zu streichen anbefohlen war/ einen unter den Knaben/ entweder wegen seiner schönen Gestalt/ oder wegen seines guten Herkommens und vornehmer Eltern halber/ etwas gelinder tractirten/ pflegte die kleine und sonst sehr leichte Bildnus/ dermassen schwer zu werden/ daß die Priesterin solche nicht mehr halten konte/ welche alsdann denen Züchtigern die Schuld gabe/ und sich beklagte/ daß sie ihrenthalber durch die Schwehre der Bildnuß fast zu Boden gerissen würde.

Ob nun wohl die Art dieses unmenschlichen Opffers der Göttin/ als einer Jungfrauen und sonst gütigen Mutter/ sehr übel anzustehen schiene/ so schreibet man doch/ daß sie sich höchlich erfreuet habe/ ihren Altar mit Menschenopfer der Diana. Menschen-Blut besprengt zu sehen/ welches wir auch zu Patris in Achaja geschehen zu seyn beym Pausanias in Achaicis lesen/ allda jährlich eine Jungfrau und Knab von vortrefflichschöner Gestalt der Göttin aufgeopfert wurden/

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damit selbige ihren Zorn versöhnten/ den sie aus dieser Ursach truge/ weil ein Jüngling in ihrem Tempel mit ihrer Priesterin zum öfftern Ungebühr getrieben/ die zwar beyde durch eine jähe Kranckheit von der Diana aufgerieben worden/ und also ihren verdienten Lohn empfangen hatten: nichts destoweniger aber/ ist dem Lande hieraus eine höchstverderbliche Unfruchtbarkeit und erbärmliche Seuche unter dem Volcke erwachsen/ denen sie vermittels dieses abscheulichen Opffer- Dienstes abgeholffen.

Es ist sehr vermuhtlich/ es sey dieser unmenschliche Gebrauch die Götter zu versöhnen/ von solchen Völckern herkommen/ die von Natur barbarisch/ und daher ihrer angebornen Grausamkeit ein Genügen zu leisten sich beflißen/ wann sie diesen oder jenen Gott mit Menschen-Opffern zu versöhnen gemeinet. Weil aber die Diana deutlich genug zu verstehen gegeben/ daß sie an Vergießung deß Menschen-Bluts keinen Gefallen trage/ indem sie an statt der Iphigenia/ welche ihr bereits aufgeopfert werden sollen/ eine Hinde verordnet; als ist hernach bey den Alten diese Gewonheit eingeführt worden/ daß sie ihr/ an statt deß Menschen-Blutes/ eine Hinde geopffert/ und solchen Gebrauch/ sonderlich die Römer zu gewißen Zeiten fleißig beobachtet: Dannenhero in allen Tempeln der Diana aufgehängte Hirschgeweihe zu sehen waren/ ausser in dem zu Rom auf dem Berg Aventinus/ worinnen Ochsen-Hörner und keine Hirschgeweyhe hiengen. Deßen Ursach hat Plutarchus in den Römischen Fragen also zu verstehen gegeben: als unter den Sabinern der Antro Coratius einen Stier von vortrefflicher Gestalt und Größe von einer Kuh überkommen/ hat ihn hernach ein Wahrsager erinnert/ daß die Stadt deß jenigen Menschen/ welcher solchen Ochsen auf dem Berg Aventinus opffern würde/ das Haupt über gantz Italien werden solte: dannenhero er/ solches festiglich glaubend/ sich/ den Stier zu opffern/ alsobald nacher Rom erhoben; inzwischen aber hat sein Knecht dem König Servius diesen gantzen Handel heimlich entdeckt; der dann von Stund an dem Priester Cornelius befohlen/ daß ehe Antro das Opffer verrichtete/ er ihm auferlegen solte/ sich in der Tiber zu reinigen. (dann also pflegten sich ins gemein die jenige/ so opffern wolten/ zu erzeigen)Nachdem nun Antro rüstig hingieng sich zu baden/ nahm Servius den Stier/ opfferte selbigen der Diana/ und hieng die Hörner im Tempel auf. Dahero die Stadt Rom/ weil der/ so ihn geopffert/ ein Römer war/ das Ober-Haupt worden/ und ist auf solche Weise hernachmahls die Gewonheit entstanden/ die Ochsen oder Stiershörner im Vorhoffe dieses Tempels aufzuhängen. Welches vielleicht auch dahin kan gedeutet werden/ weil dieses Thier eine große Verwandnus mit dem Monde hat/ wie wir etwas