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TA 1679, Metamorphosis, S. 98

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zogen: weswegen Neptunus/ an statt der Rache/ zuwegen gebracht/ daß sich Pasiphae hefftig in diesen Sier Stier verliebte: Dis aber habe gethan die Göttin Venus/ als welche daraum noch unablässig auf die Sonne/ weil sie ihren Ehebruch mit dem Marte offenbaret hatte/ sehr ergrimmet war; und dahero/ der Sonnen Kindern allen nur erdencklichen Spott/ Schmach und Leid anthate. Damit nun Doedalus dieser Pasiphaen/ in ihrer rasenden Liebe/ zu Hülffe kommen möchte: machte er ihr eine sehr künstlich-höltzerne Kuhe/ worein sie sich verkroche/ um mit dem Stier zu buhlen. Andere sagen/ es sey gewest ein höltzern Häußlein/ darinnen sie heimlich/ mit ihrem lieben Stier/ nach ihrem Willen/ gelebt habe. Nachdem aber Minos solches in Erfahrung gebracht/ habe er den Doedalus/ samt seinem Sohne/ dem Icarus/ in ewige Gefängnus gesetzt/ und zwar in eben dem Irr-garten / welchen er selbst sehr künstlich und herrlich gebauet hatte. Allhier müssen wir ein wenig von diesem Doedalus reden/ und dann wiederum zur Pasiphae kehren.

Vom Dädalus.

DAedalus war ein Athenienser aus königlichem Geblüte/ von dem Geschlechte/ welches man die Metioniden hieß; ein Sohn des Eupalamus/ oder Euphemus/ und der Alcippe: oder von dem Atheiniensischem Erechtheus/ und der Iphione. Ein ander sagt/ daß er ein Sohn des Palamaon gewest. Dieser war der aller vernünfftigste und behendeste Mann seiner Zeit/ ein Erfinder vieler nutzbaren Dinge: als der Bleywage der Zimmerleute/ des überaus nützlichst Instruments des Beils/ des Leins/ und anderer Dinge mehr/ so er alle erfunden und in Brauch gebracht. Er war/ zu der Zeit/ ein künstlicher Bildschnitzer und Baumeister: Dann er die Baukunst von der Minerva erlernet. Pausanias schreibt/ sein Bildwerck sey etwas plump gewesen/ und nicht wol ins Gesicht gefallen: iedoch hätten seine Wercke/ weis nicht was Göttliches an sich gehabt/ welches man im Ansehen alsbald erkennen können. In seinen Künsten/ war er sehr begierig: weswegen er auch seinen Enckel/ oder vielmehr seiner Schwester der Perdice Sohn/ den Sägen-Erfinder Teles/ oder Talus/ (wiewol etliche denselben auch Attalus und Acalus heissen) umgebracht: warum er auch aus Athen fliehen müssen/ von dannen er in Creta zum Minos kommen/ bey dem er/ wegen seiner Kunst/ und Geschickligkeit halber/ sehr wilkommen und angesehen war. Alhier hat er dem Minos einen seltsamen Irrgarten/ nach dem Gleichnüs dessen in Egypten in der Stadt der Crocodilen: worvon er auch den Abriß bey sich hatte. Von diesem Irrgarten mag man lesen im Herodoto/ in seinem Buche Euterpe: was vor ein ausbündig und vortrefflig künst- und herrliches Werck es gewesen/ und wie viel Umgänge/ gewölbte Sääle/ Kammern/ Ecken etc. es ober und unter der Erden gehabt habe. Nach dem Zeugnus aber derer/ so in Candia gewesen/ ist nichts besonders mehr zu sehen/ an dem Irrgarten/ der allda gewest/ als Hölen/ woran allerdings keine

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Kunst erscheinet. Dieser Doedalus nun ward/ samt seinem Sohne/ in sein eigen Gebäue/ aus obgezeigter Ursach/ in ewige Gefängnus geschlossen: welches ihm sehr verdrieslich fiel: dahero er endlich vom Minos bittlich erlangte/ daß ihm eine ziemliche Menge Federn und Wachs/ unter dem Vorwand/ als ob er etwas künstliches/ um dardurch des Königs Zorn zu versöhnen/ draus machen wolte/ ins Gefängnus gereicht wurde: worvon er aber sich/ und seinem Sohne/ Flügel zugerichtet/ und aus dem Irrgarten darvon geflogen. Sein Sohn Icarus aber ist/ wie unser Poet erzählt/ in der See ertruncken. Nachdem nun Pasiphae schwanger worden/ und die Zeit ihrer Geburt herbey kommen/ hat sie ein Kind geboren/ das ein halber Mensch/ und halber Stier gewest. Zezes schreibt vom Minos/ daß/ als die von Creta oder Candia wider ihn aufgestanden/ und ihn zu keinem Könige annehmen wollen/ Neptunus/ zu einem glücklichem Zeichen/ ihm zugeschickt/ nicht einen weissen Stier/ sondern einen Feld-Hauptmann/ Namens Taurus/ das ist/ ein Stier: welcher Hauptmann bey sich gehabt eine gute und schöne Armee/ worfür sich die Creter gefürchtet/ und also den Minos willig zu einem Könige angenommen hätten. Und dieser General Taurus solte der Stier gewest seyn/ in welchem sich die Königin Pasiphae so hefftig verliebt gehabt/ mit welchem sie/ durch des Doedalus Hülffe/ in einem verborgenem Häuslein/ gebuhlet. Aber damit wir etwas mehrere Erläuterung bekommen von diesem grimmigem Ungeheur/ dem Minotaurus/ so in dem Irrgarten/ verschlossen/ und mit Menschen-Fleisch und Blute gesättiget werden muste/ auch endlich von dem Theseus/ wie unser Poet schreibet/ gezähmet worden sey! ist von nöhten/ daß wir erstlich umständlichere Erklärung thun/ entweder von dem Gedichte selbst/ oder der Geschichte: da wir alsdann/ zueigentlicherm Verstande deroselben/ kommen werden. Wir haben zuvor erzehlt/ wie die Athenienser/ auf Einrahten des Oraeuls/ mit dem Minos sich verglichen: iedoch unter dem schweren Bedinge und Versprechen/ daß sie neun Jahr lang/ für einen Jährlichen Tribut in Creta senden solten/ sieben Junglinge/ von gutem Geschlechte/ und eben so viel Jungfrauen. Nachdem solche zum Könige Minos in sein Land kommen waren/ stellte er dieselben/ in einem Jährlichem Kampfffeste/ seinem todten Sohne Androgeos zu Ehren/ auf: und wer darinnen obsiegte/ empfinge diese Jugend von Athen zum Preise oder Kleinod. Dieweil nun Taurus/ einer aus seinen Hauptleuten/ die ersten zwey Jahr das Beste that/ wurden ihme die Atheniensische Jünglinge und Jungfrauen gegeben/ die zuvor in einem Gefängnus lagen/ daraus man nicht entrinnen konte: und solches war der Labyrinth oder Irrgarten. Taurus/ welches Wort/ als erwähnt/ einen Stier bedeutet/ ob er wol ein Mensch/ war er iedoch so wild/ grausam und bestialisch/ daß er wol mit Recht ein halber Mensch/ und halbes Thier/ oder/ wie ihr eigener Poet die Cretenser heisset/ schier gantz und gar eine Bestie genennet werden möchte. Nachdem er diese Jugend in seine Gewalt bekommen/ tractirte er sie sehr hart und grausamlich/ bis er sie durch unablässiges arbeiten/ und andere