TA 1679, Metamorphosis, S. 50
welche Höhle anders nichts andeutet/ als gleichsam eine Hinterkammer des Hertzens/ oder Gemüts/ worinnen alle diese Sorgfältigkeiten/ und böse Gedancken/ als gifftige Beulen des Gemüts/ verborgen ligen. Was die Furien vor Gestalten gehabt/ ist aus den Poeten zur Gnüge zu ersehen. Etliche derselben eignen ihnen auch Flügel zu.
Von dem Tityus.
UNter andern Höll-Einwohnern fande die Juno auch den Tityus/ der so groß war/ daß er/ mit seinem Leichnam/ neun Morchen Lands bedeckte. Dieser Tityus war/ wie Apollonius/ im ersten Buch/ und Apollodorus gleichfalls/ im ersten Buch seiner Bibliothecae, bezeugen/ ein Sohn des Jupiters/ und der Nymphen Elara/ des Orchomenus Tochter. Nachdem Jupiter diese geschwängert hatte/ verbarg er sie/ wegen des Eyfers und Feindschafft der Juno/ in das Ingeweide der Erden/ bis die Zeit der Geburt herbey nahete: da sie zwar eines Sohns/ von wunderbarer Grösse/ genesen/ sie aber darüber/ in der Arbeit/ den Geist aufgegeben/ worauf das Kind Tityus der Erden zu säugen gegeben worden. Dannenhero er der Erdgeborne/ oder Säugling der Erden/ genennet worden. Er ward/ mit der Zeit/ so stoltz und unkeusch/ (iedoch allein auf Anreitzung der Juno/ welche/ weiln er von einer ihres Manns Concubinen geboren war/ anders nichts/ dann sein Verderben suchte) daß er die Latona noht-zwingen wollen. Dannenhero er von dem Apollo/ und der Diana ihren Kindern/ mit guldnen Pfeilen getroffen/ und/ nach des Apollodorus Zeugnus/ getödtet worden. Allein Euphorion hält darfür/ daß Tityus solchen unzüchtigen Gewalt der Diana/ und nicht der Latona/ anlegen wollen. Und Pausanias schreibt/ in seiner Laconica/ daß er/ in einem Tempel/ gefunden eine Bildnus/ darinnen beydes Apollo und Diana ihre Pfeile auf den Tityus abgelöfet. Und dieses soll gewest seyn/ in einer Stadt in Beotien/ allda auch Pausanias meldet/ daß dieser Tityus/ bey einem Bach/ begraben läge/ dessen Grab ohnegefehr den dritten Theil eines Feldwegs (welches viertzig Werck-Schuch und vier Daumen seyn möchte) in der länge begriffe. Das aber deme/ was die Poeten/ als Homerus/ Virgilius/ Ovidius und Tibullus sagen/ wenig beykommt: Dann dieselbe schreiben/ daß sein Leichnam neun Juchart Lands bedecket habe. Nachdem er von dem Apollo und der Diana dergestalt übel zugerichtet worden/ ist er in der Hölle ersäufft/ und/ allda ausgestreckt/ so feste gebunden worden/ daß er sich nicht rühren mögen/ und zwey Geyer/ oder/ wie Hyginius wil/ zwo Schlangen/ ihn ohne Aufhören zerrissen/ und seine Leber gefressen/ welche iedoch allezeit/ mit Zunehmung des Monds/ wiederum zu wachsen pflegen/ auf daß/ wie Homerus/ im elfften Buche seiner Odysseen/ meldet/ seine ihme zugeeignete Straffe ewigwährend seyn möchte. Virgilius aber/ im sechsten Buche Aeneidos, giebt ihm nur einen Geyer: Da hingegen Homerus ihm auf iedweder Seite einen zueignet. Strabo erzehlt/
in seinem neundten Buche/ nach der gemeinen Meinung/ Historische Erklärung der Fabel von Tityus. für eine warhaffte Geschichte/ daß Apollo einsmals von Himmel auf die Erde kommen/ und die Menschen/ so anfänglich anders nichts/ dann Früchte von wilden Bäumen gegessen/ ihrer wilden Art befreyet habe. Tityus der König von Panope wurde/ als ein grausamer Tyrann/ von dem Apollo befochten/ und mit Pfeilen umgebracht: Gestalt dann hernach auch dem Python geschahe/ und damit solche Nichtsnützige/ andern zur Warnung/ im Gedächtnüs blieben/ ließ man ein Gerücht erschallen/ daß Tityus/ auf erzehlte Weise/ jämmerlich/ Lehrliche Auslegung. in der Hölle/ gepeiniget würde. Lucretius leget dieses Gedichte/ in seinen dritten Buch/ aus/ von den Lüsten und Begierden des Fleisches und Sorgfältigkeiten oder Bekümmerungen des Geistes/ die des Menschen leberfressende Geyer sind. Und wil er/ als ein Epicurer nicht gewolt/ daß die Menschen ihr Gehirn/ mit einiger Sorge/ beschweren sollen. Andere wollen/ mit diesem grossen Tityus/ zu erkennen geben/ daß keine menschliche Macht/ wie groß die auch seye/ etwas/ wider die Göttliche Gerichte vermöge/ sondern es werde die Mishandlung unfehlbar an ihren Wirckern gestrafft. Wiederum andere machen/ aus des Tityus Geyern/ die Erinnerungen/ der vorher begangenen sündlichen Mishandlungen/ welche die Seele inwendig zupeinigen pflegen. Darbey dann zu wissen/ daß diejenige Fabeln am sonderbarsten und preißlichsten seyen/ welche verschiedene Bedeutungen haben/ Natürliche Auslegung des Tityus. die menschliche Gebrechen zu straffen und zu bessern. Diese Fabel hat eine natürliche Auslegung/ nemlich/ daß durch den Tityus verstanden werde der Kornhalm: Dann Tityros im Griechischen einen Halm bedeutet. Tityus nun war ein Sohn der Elara des Flusses/ des Orchomenus Tochter; und Jupiter/ sein Vatter. Durch die Feuchtigkeit des Flusses/ ist zu verstehen die Milchsafftige Feuchtigkeit/ so in dem Korne verborgen; weil der Halm ohne die Fluß-Nymphe/ das ist/ ohne diese Feuchtigkeit/ so der erste Anfang zur Fortpflantzung ist/ nicht würde wachsen können/ und weil Jupiter/ wie anderswo gesagt worden/ die Lufft ist/ so befruchtet oder schwängert er diese Nymphe/ sintemal die Lufft/ zu gewisser Zeit/ den Samen aus der Erden erwecket/ und dann nicht das erstorbene mütterliche Korn; sondern ein Halm hervorkommet/ welcher ist der Tityus/ den die Erde nähret. Weswegen er der Erdgeborne/ oder Säugling der Erden ist. Sie erhebt ihn nach dem Himmel/ der Latona gleichsam Gewalt zu thun. Dann kommen Apollo und die Diana/ so ihn darnieder fällen; verstehe/ wann der Halm sein vollkommenes Wachsthum hat. Die Sonne und der Mond geben der Aehre ihre Reiffe/ da dann der Halm einer Sichel oder Sensen befohlen wird. Diese beyde/ nemlich Sonne und Mond/ sind die Leberfresser/ das ist/ die durch ihre Kräffte dem Korne die Reiffe geben/ und es beqväm machen/ Brod daraus zu bachen. Es bedeckt aber dieser Tityus nicht nur neun/ sondern viel tausend Juchart oder Morchen Lands/ die alle mit Korne oder dessen Gewächse/ bis zu beqvemer Zeit/ bedeckt sind/ das Korn aber/ als die Leber des Tityus/