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TA 1675, II, Buch 3 (niederl. u. dt. Künstler), S. 330

Sandrart (Fortsetzung von vorheriger Seite)Informat. zur Quellenmarkierung:
Diese Vita wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 25).Christina Posselt, 06.08.2010Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 556
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mehrers aufmuntern/ und was zu dem völligen Verstand ferner erfordert würde/ ergreiffen möchte/ weil ich nun ein verträglichs Wesen und annehmliche Freundlichkeit bey ihme vermerket/ nahm ich ihn zu mir in meine Behausung/ damit ich seinem schönen Geist mit nöthiger Handleitung desto bäßer forthelfen möchte/ da er dann/ durch fleißige Besuchung der Academien/ bald ein guter Zeichner/ und ferner durch löblich-angewendte Unverdroßenheit ein schöner Copist allerhand grosser Historischen Tafeln ins Lebens-Größe worden.

Als er nun diese Studien/ in die 5. Jahre/ Seine Reisen in Italien. theils in Holland/ theils in Teutschland continuiret/ verreißte er/ den Schatz mehrerer Erfahrung zu gewinnen/ in Italien/ und stillte sein eifriges Verlangen mit höchst ergötzlicher Beschauung der fürtreflichen Werke in Venedig/ allwo er auch in etlichen Jahren/ als eine fleißige Ameis/ einen grossen Vorraht zusammen getragen/ mit welchem er sein Kunstbegieriges Gemüt abspeisen möchte. Von dannen begab er sich ferner nach Florenz und Rom/ betrachtete mit höchster Vergnügung die Antiche-Statuen/ und konte seine Begierde niemals sättigen mit copiren des Weltberühmten Raphaels d’Urbino, und anderer Antichen und Modernen fürtreflicher Werke: Absonderlich aber machte er sich die Preißwürdigste Italiänische Gebäude zu Nutzen/ weil seine inclination ihn zu der Architectura stark anreitzte/ als worinn die gütige Natur sich ihme jederzeit sehr günstig erzeiget. Darauf zoge er fürters nach Neapel/ und truge auch daselbst alles was merkwürdig zusammen: Als ihn aber sein Verlangen wieder zuruck nach Rom gezogen/ übersahe er von neuem die Zierde der Römischen Kunststücke/ und bildete dieselbe gleichsam in seine Gedanken/ damit er aus diesem Schatz-Haus auf erheischenden Fall etwas zierliches herfür langen möchte: Er besuchte auch zugleich die Academien mit unverdroßnem Fleiß/ und kame durch seine annehmliche conversation, bey dem Römischen Adel und andern hohen Personen/ in so gute Bekantschaft/ daß sie ihn sehr geliebet haben/ auch gerne bey sich behalten hätten/ wo er nicht dem inständigen Zuruckfordern seiner lieben Anverwandten in Augstburg hätte Gehör gegeben/ und des Italiänischen Kunst-Gartens Lieblichkeit/ die Liebe zu seinem wehrten Vatterland überwinden laßen.

Seine Werke. Da er nun wider in Augstburg ankommen/ und von seinen lieben Freunden und guten Bekandten empfangen worden/ verwechselte er den ledigen mit dem ehlichen Stande/ durch eine gute Heurat/ und schüttelte darauf aus dem Cornucopiae seiner zierlichen Wißenschaften allerhand annehmliche Früchten aus: Wie man dann bald von seiner Kunstreichen Hand unterschiedliche gute und wolgleichende

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Contrafäte/ schöne und der Natur wol nachfolgende Landschaften/ als auch wol colorirte Historien/ gesehen/ welche alle zu erzehlen der geliebten Kürze dieses Werks widerstreben würden. Nur etlicher zu gedenken/ so geben die in der Evangelischen Kirche zu S. Ulrich befindliche vier Stuck sattsam zu erkennen die Artigkeit ihres Meisters in kleinen Bildern Heute lässt sich von Johann Sigmund Müller nur noch eine »Taufe Christi« (1690) an der Südwand über der Empore nachweisen, vgl. Link 2009, S. 59 f. und S. 394–396, Kat.-Nr. 13. In Darstellungen der Kirche von 1693 sind weitere, heute verlorene Arbeiten an der Süd- und Westwand im Altarbereich zu sehen, auf die sich Sandrart möglicherweise bezieht, vgl. Link 2009, S. 395. An der Ostwand befinden sich unter der Empore zudem noch von Johann Ulrich Mayr in situ von Süd nach Nord die Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Die Werke werden in das letzte Viertel des 17. Jhs. datiert, vgl. Breuer 1958, S. 52.Christina Posselt, 13.04.2010/ hingegen der in S. Jacobs Kirche über die beyde Thor aufgemachte S. Johannes Baptista/ und in Zusammenschreibung seiner Sendbriefe tief-occupirte S. Paulus die Fürtrefligkeit des Mahlers in Lebens-großen Stucken/ als worinn lauter Geist/ Fleisch und Leben zu finden/ auch der Unterscheid hohen und mittelmäßigen Alters/ neben vielen andern Zierlichkeiten natürlich zu sehen. Mit diesen schönen Werken streiten nicht unbillich um das Ehren-Kränzlein die mit gleichlauffender Kunst sehr natürlich in Lebens-Größe gebildete S. Benedictus, Maurus und Placidus, welche der Kunstliebende Herr Praelat zu Lampach von ihme hat.

Nicht weniger hat er auch seiner Wißenschaft in der Architectur ein schönes Denkmal aufgerichtet/ indem er der Erbarn alten Meistersinger Gesellschaft Anleitung gegeben/ ihre gewohnliche Schaubühne zu erweitern/ bequäm- und zierlicher auf zubauen/ wie dann daselbst nach seinem Modell und Anordnung ein solch lustiges und auf Italiänische Art eingerichtes Theatrum aufgeführet worden/ daß viel hundert Personen/ Stands-Gebühr nach/ bequämlich können accommodiret werden/ daß also diese Augstburgische wochentlichübliche Theatralische Spiellust durch diesen unsern Künstler treflich befördert worden/ und noch täglich durch verständige gute Vorschläge verbässert wird. Weil dann nun dieser unser Herr Müller sich in allem seinem Thun sehr expedit, vernünftig und manirlich erzeigt/ auch durch sothane Seine Ehrenämter. gute Qualitäten/ Wißenschaft unterschiedlicher Sprachen/ und sittliche conversation, nicht allein bey gemeiner Burgerschaft/ sondern auch bey einem Hoch-Wol-Löblichen Magistrat, einen schönen Ruhm erlangt/ als hat derselbe ihn aus seinem Mahl-Zimmer zu andern Ehren-Aemteren erhoben/ und zu einem Beysitzer des Löblichen Stadt und Eh-Gerichts bestättiget; er wird auch von sämtlichen Herrn Obern geliebet/ von den geringern geehret/ und von männiglich für einen wolqualificirten Mann gehalten: Der Höchste wolle ihn ferner von oben herab mit reichem Segen überschütten/ gesunde Tage/ und ein ruhiges Alter verleihen/ damit er in selbst-verlangtem Wolstand unsere Kunst mit seiner zierlichen Hand noch ferner bereichern/ und die wolbekante Müllerische familie mit unvergänglichem Lob bekrönen möge.SandrartInformat. zur Quellenmarkierung
Diese Vita wurde von Sandrart verfasst (vgl. Sponsel 1896, S. 25).Christina Posselt, 06.08.2010Der Beginn des hier hervorgehobenen Textabschnittes befindet sich auf Seite 556