TA 1679, Metamorphosis, S. 143
und bringen ihn um. Die Clytemnestra war allbereit hin/ lag da auf dem Rücken/ so lang sie war/ ausgestreckt/ fast gantz nackend/ weis nicht auf was für einem Bette. Das Gesinde/ von einem so unvermuhtetem schrecklichen Falle erschrocken/ scheinet zum theil zu schreyen/ und Mord zu ruffen/ zum theil sich um zu sehen/ wo es ein Loch finden und entfliehen möchte. Was Lucianus mehrers hiervon schreibet/ gehen wir/ weil es uns nicht dienlich ist/ willig vorbey. Hyginus/ und Andere/ erzehlen/daß/ als Aegysthus den Agamemnon umbracht/ er auch im Sinn gehabt/ den Orestes/ des Agamemnons Sohn/ zu tödten/ die Electra aber/ habe ihn/ als ihren Bruder/ verborgen gehabt/ und in Phociden/ zu seinem Schwager dem Könige Strophius/ der mit Astyoche/ des Agamemnons Tochter / vermählet war/ gesandt. Einige sagen/ Arsinae/ des Orestes Säugamme habe ihn/ als sie gesehen/ daß der Vatter erschlagen worden/ weggebracht. Andere schreiben/ die Säugamme habe Laodama geheissen/ und den Orestes für der Grausamkeit des Aegysthus bewahret/ indem sie ihren eignen Sohn/ an dessen Statt/ umbringen und tödten lassen. Nachdem nun Orestes zwölff Jahre bey seinem Schwager sich aufgehalten; ward er sehr begierig sich am Aegysthus/ der seinen Vatter und Großvatter ermordt hatte/ zu rächen. Dieses nun ins Werck zu stellen/ schickte er seines Schwagers des Strophius Sohn/ den Pylades/ nach Argos/ oder Mycenen/ zu seiner Mutter Clytemnestra/ der sich muste stellen/ als ob er vorbey reisete/ oder ein Botte aus Aeolien wäre. Welches alles mit Vorbewust und Bewilligung der Electra/ die Aegysthus an einen Bauer verheyratet/ damit er sich nichts besorgen dörffte/ daß iemand ihm nach dem Reiche stehen möchte/ angelegt. Nachdem nun Pylades/ als ein Fremdling/ in verkleidetem Habit/ zu der Clytemnestra/ kommen. Brachte er/ wie er sich stellte/ Zeitung von dem Tode Orestes/ darneben auch in einem Sarg des Todten Gebeine: Da doch Orestes allda lebendig und verkleidt mit ihm gegenwärtig war. Aegysthus/ sehr erfreut über der guten Zeitung/ welche ihme diese Phocische Botten brachten/ ging mit seiner Gemahlin in eine der Pallas gewiedmete Capell den Göttern ihren Danck abzulegen/ daß sie nunmehro von aller Sorge befreyet wären/ und opfferten dem Jupiter/ für diese Erlösung/ die gewöhnliche Opffer. Dieser Gelegenheit nahm Orestes wahr/ ließ/ vor der Thür der Capellen/ seinen Schwester-Mann/ samt noch einigen seinen Freunden in den Waffen/ drunge/ mit wenigen vergesellschafftet/ hinein/ und tödtete mit eigner Hand seine Mutter/ samt ihren Buhlen/ wie ihme/ nach Euripidis Zeugnus/ in seinem Oreste/ vom Oraculum/ oder Geheimnus des Apollo/ befohlen gewest. Es sind zwar etliche welche schreiben/ daß Orestes diese Zeit über nicht bey seinem Schwager Strophius/ sondern aus seinem Vatterlande verjagt und seines Königreichs Mycenen beraubt gewest/ und anfänglich zu Argos seinen Aufenthalt gehabt/ hernach aber mit einem grossem Theil Arcadien/ durch Beyhülff des Phocidischen Volcks/ sich der Stadt Sparta bemeistert. Da ihme dann auch die Spartaner willigen Gehorsam
geleistet/ dieweil sie ihn (als des Tyndarus Nefen) sie zu beherrschen würdiger achteten/ als den Nicostratus/ oder Megapenthes/ welche Menelaus (als er vor Troja war) mit einer Sclavin gezeugt hatte. Worzu sie annoch fügen/ daß Orestes die Hermione/ des Menelaus Tochter/ zur Gemahlin genommen/ mit welcher er gezeugt haben soll seinen Nachfolger im Reich/ den Sisam/ oder Tisam und Pyrrhus des Achilles Sohn (welcher ihm/ weil er von Haus gewest/ die Hermione/ unter dem Vorwand/ als ob sie ihme versprochen gewest/ entführt/ getödtet. Man schreibt auch/ daß Orestes zu Athen/ durch die Erinnys/ vors Gerücht sey citirt worden/ und Erigone/ die Tochter des Aegysthus und der Clytemnestra/ seine Gegenparthey gewest/ da dann einhellig bestimmt worden/ daß der nicht wehrt wäre länger zu leben/ so Vatter/ oder Mutter umgebracht; dargegen aber habe das Gesetz obgesiegt/ welches vermochte/ daß einem Sohne frey stünde/ einen/ der seinen Vatter umgebracht/ wieder zu tödten/ und daß er also an seiner Vatter-mörderischen Mutter nur seines Vatters unschuldigen Tod gerochen habe. Einige wollen auch/ daß Orestes/ wegen dieses an seiner Mutter begangenen Mords/ von den schwartzen Furien geqvält werden/ inzwischen solte er eine Stadt/ die er nach seinem Namen Oresta genannt/ erbauet haben/ welche aber nunmehro Adrianopel hiesse. Nachdem er aber/ aus Unsinnigkeit und Raserey/ einen seiner Finger abgenaget/ wären die Furien weis/ und er frey/ auch wiederum gesund worden. Auch schreibet man/ daß Orestes/ von wegen begangenen Mords an seiner Mutter/ von niemanden gerne beherbergt worden/ und habe kein Mensch mit ihm essen wollen; weswegen er/ als er das Oracul rahtgefragt/ wie er von seiner Unsinnigkeit möchte befreyet werden ? nach Taurida/ (oder vielmehr Taurica)einer Landschafft von Scythien reisen müssen/ von dannen er der Diana Bildnus und seine Schwester Iphigenia/ von dero zu vor geredet worden/ in Griechenland bringen/ und sich dann in dem Fluß/ der in sieben Flüsse sich endigte/ waschen solte. Nachdem er sich nun gewaschen/ kam er/ mit seinem getreuen Freunde/ dem Pylades/ in Taurida; allda sie stracks beyde gefangen/ und vor den König Thoas gebracht worden/ daß sie daselbst/ nach des Lands Gewonheit der Dianen (dann man sie mit Menschen-Blut versöhnete) geopffert würden. Thoas nun fragte/ welcher von ihnen beyden Orestes hiesse/ dann selbiger sterben müste. Pylades sagte/ aus treuer Freundschafft/ er hiesse Orestes. Orestes zeugte darwider/ daß er es selbsten wäre/ deswegen er der Iphigenia gelieffert wurde/ aufgeopffert zu werden. Dann Iphigenia war dahin geschickt gewest aufgeopffert zu werden/ um damit die Göttin Diana zu versöhnen: Dieweil ihr Vatter ohngefehr einen der Diana gewidmeten Hirschen getödtet hatte. Und als sie der listige Ulysses von ihrer Mutter/ der Clytemnestra/ zu dem Ende abgeholt hatte/ unter dem Vorwand/ daß sie eine Braut werden und den Achilles nehmen solte/ und nun bereit ward zum Opffer/ stellte die Diana/ aus Mitleiden zu ihr/ an ihre Statt eine Hinde/ und brachte sie in