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TA 1679, Metamorphosis, S. 103

Spaltenübergreifend
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs- Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Neundtes Buch.
Linke Spalte

IN diesem neundtem Buche/ haben wir erstlich den Kampffstreit des Achelous mit dem Hercules/ zu Liebe und Ehren der schönen Dianira/ einer Tochter des Königs Oeneus: Darum ist alhier nöhtig/ zu wissen/ wer dieser Achelous gewest sey.

Vom Achelous.

AChelous ist gewest ein König von Aetolien; ein Sohn des Oceans und der Nymphe Nals oder Tethys; wie Plutarchus bezeuget. Er ertranck im Fluß Thoas/ welcher vom Berge Pindus in Thessalien ursprünglich herkommet/ die Lande Aetolien und Acarnanien voneinander scheidet/ durch Perrhaebien lauffet/ und endlich bey Maliac sich in die See ergeusst/ welche man Sinum Maliacum ehedessen/ hernach aber Golfo del Ziton, oder Volo, genannt. Dieser darinnen ertrunckene König aber benahm diesem Fluß seinen alten Namen. Achelous war ehlich verlobt/ mit der der wunder-schönen Dianira: und weil sie/ von ihrem Vatter/ auch dem Hercules versprochen war: als muste erst darum gekämpfft werden. Achelous veränderte sich in eine Schlange/ in einen Stier/ und endlich in einen Menschen/ mit einem Ochsen- oder Stiers-Haupte: darbey ihn Hercules fassete/ das rechte Horn herum drähete/ und ihn also verwundete. Das Horn/ sagt unser Poet/ wurde von Stund an mit Aepffeln und allerley wolriechenden Dingen angefüllt. Jedoch sind andere/ die da wollen/ Achelous habe sein Horn behalten/ und solches von dem Hercules gelöset/ mit dem Horn der Amalthaea/ des Haemons Tochter: immassen solches auch unser Poet berühret/ in dem Schreiben der Dianira/ wann er saget:

Achelous ließ sein zerbrochnes Horn dort hören.
Da das zerstossne Haupt/ in seinem Wieder- kehren/
Rechte Spalte
ins trübe Wasser hin er zu verbergen gieng/
in trauriger Gestalt.

Ursprung des Uberfluß Horns. Dieses Horn/ welches Achelous dem Hercules/ für das Seinige/ gab/ war von der Geiß/ welche die Rhea/ Ops oder Cybele/ wie man sie nennen will/ des Jupiters Mutter/ des Cretischen Königs Melissus Töchtern gegeben/ daß sie/ mit dero Milch/ heimlich ihren Jupiter auferziehen solten: Diese Töchter hiessen Melissa und Amalthaea. Nachdem nun Jupiter zu verständigem Alter kommen/ setzte er diese Geiß unter die Sternen/ und gab diesen seinen Pflegmüttern/ für ihre mit ihm gehabte Müh und Arbeit/ das eine Horn; deme er solche Krafft mittheilte/ daß der Besitzer oder Inhaber dessen/ alles/ was er wünschen oder begehren würde/ von Stunden an bekommen und haben solte/ es möchte seyn Essen oder Trincken/ etc. Andere sagen/ diese zwo Nymphen hätten geheissen Hega und Melice/ die Jupiter mit Honig und Milch auferzogen/ von einer ihrer Geissen/ die sie sehr geliebt/ bis einsmals selbige Geiß ohngefehr/ an einem Baume/ das eine Horn abgebrochen: worüber sie sehr betrübt worden. Und weil sie hierzu keinen Raht gesehen/ noch gewust/ was sie/ mit selbigem Horn/ thun solten/ hätten sie solches/ mit allerhand wolriechenden Blumen und Früchten/ angefüllt/ und ringsumher/ mit schönen grünen Blättern/ bekleidet/ über welchem ihr Pflegkind/ der junge Jupiter/ zu sehen war/ welches ihme dann wunderwol gefiele/ weswegen ers in grossen Ehren hielte/ und wolte/ daß es seiner Pflegmutter/ der Geiß/ zu Ehren/ ein Zeichen des Uberflusses seyn solte. Dahero es dann auch das Horn des Uberflusses oder Reichthums/ und/ das Horn der Amalthaea genannt ward. Pherecydes aber saget von keinem Geißhorne: sondern/ daß des Königs von Aetolia Tochter/ Namens Amalthaea/ ein Stiers-Horn gehabt/ so/ mit besagter Krafft und Eigenschafft/ begabt gewest. Unser Poet kommt/ in Beschreibung seines Horns/ überein mit dem Zeugnus des Apollodorus/ der da saget/ daß des Acheloi Horn/ von den Wasser-Nymphen/ mit allerley