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TA 1679, Metamorphosis, S. 92

Linke Spalte

solte/ bis er wiederum nach Athen kommen wäre. Im wieder-heim-reisen nach Athen aber/ kam er in eine Stadt/ Troezen genannt/ woselbsten dero Stiffter und Erbauer Pitheus/ der Sohn des mächtigen Königs Pelops wohnete: mit diesem begunte er sich über dieser Antwort zu berahten: dieweil die Oracula/ und wahrsagende Götter-Sprüche mehrmaln zweiffelhaffte Antworten zu geben pflegten. Als nun Pitheus dieses hörte/ und seine Freundschafft liebte/ brachte er/ durch Beredung und angewandte Mühe/ so viel zuwege/ daß Aegeus/ jedoch gantz unbewusst/ sich zu seiner Tochter Aethra verfügte/ und bey ihr schlieffe; Nachdem nun Aegeus befand/ daß es des Pitheus/ dessen Gesellschafft er genossen hatte/ Tochter wäre/ und sich besorgte/ sie möchte schwanger werden: ließ er ihr ein Schwert und Schuhe/ und verbarg selbige unter einen grossen Stein/ der unten eben so weit ausgehölet/ als nöthig war/ dieses drunter zu verbergen: darneben Die Geburt des Theseus. befahl er ihr/ daß/ im Fall sie ein Knäblein gebären/ und solches zu männlichem Alter kommen würde/ oder so starck wäre/ daß es diesen Stein aufheben/ und was er darunter gelegt habe/ nehmen könte/ sie selbigen mit diesen Kennzeigen zu ihm senden/ und keinem Andern hiervon etwas wissen lassen solte. Nachdem dieses geschehen/ reiste er fort nacher Athen. Hierauf genaß/ nach verflossener Zeit/ Aethra eines schönen jungen Sohns/ welchen sie/ nach Legung dieses Zeichens/ Theseus nennen ließ. Dann Tithenai legen bedeutet. Immittelst ließ des Theseus mütterlicher Ahnherr das Gerüchte aussprengen/ daß Theseus ein Sohn des Neptunus wäre. Und weiln die Troezener diesen Gott in grossen Ehren hielten/ und als einen Beschirmer der Stadt anbeteten: war Theseus gleichfalls in grossen Ansehen/ und erwieß/ alsobald in den ersten Jahren seiner Jugend/ eine wunderbare Stärcke des Leibes/ grosse Tapfferkeit und Hoheit des Gemühts/ und eine sonderbare natürliche Weisheit/ samt einem standhafftem und sittsamen Sinne. Endlich brachte ihn seine Mutter zu dem besagten Steine/ und eröffnete ihm die Warheit seiner Geburt/ und wer sein Vatter wäre; ließ ihm die Merkmähle/ welche sein Vatter zum Kennzeichen zurück gelassen hatte/ heraus nehmen/ und sagte ihm/ daß er selbigen zu Athen finden würde. Hierauf war Theseus sehr begierig/ den tapffern und heldenmütigen Thaten des Hercules/ der sein naher Anverwandter war/ nachzufolgen/ indem er selbigen allda zu Troezen/ mit seiner grossen Löwenhaut/ um den Leib gesehen hatte. Er hörte gerne/ von seinen Thaten/ erzehlen/ darvon ihm auch des Nachts zu träumen pflegte. Als er nun ietzo nach Athen reisen wolte/ wurde ihm gerahten/ seine Reise zu Wasser zu thun/ weil der Weg zu Lande gantz unsicher/ und von grausamen/ grossen/ schnellen und kühnen Strässenraubern sehr beschreyet war/ Nichts desto weniger resolvirte er sich/ diesen Weg für jenem zu erwehlen/ welches ihm auch weder sein Großvatter/ noch Mutter ausreden konten: Dann er seine Mannheit und Tapfferkeit/ an Theseus reiniget die Wege von Strassen-Raubern und Mördern. diesen Bößwichten/ zu prüfen/ und spüren zu lassen/ gedachte. Welches dann eine Ursach war/ daß durch ihn der Weg/ von den Ubelthätern/ gereiniget

Rechte Spalte

wurde/ indem er ihnen redlich/ und mit allem Recht vergalte/ was sie andern durch Unrecht angethan hatten. Der erste Mörder/ den er umbrachte/ war in der Landschafft der Stadt Epidaurus/ dieser trug gemeiniglich eine Keule von Kupffer/ weswegen er auch genennet wurde Corynetes/ (oder Coryneta) das ist/ Keulenträger. Diese Keule nahm Theseus zu sich/ und wolte sie allezeit tragen/ gleich wie Hercules seine Löwenhaut/ zu einem Kennzeichen des ersten Probstücks seiner Tapfferkeit. Bald darauf erschlug er noch einen/ in der Peloponnesischen Enge/ der Polypemon oder Pityocamptes hieß: weil er die Dannenbäume umbog/ die Menschen daran bande/ und also voneinander reissen ließ. Wie er dann auch noch andere unterschiedene Strassen-rauber und Mörder umgebracht: ingleichen ein grausames Thier/ so in Attica unglaubliches Ubel gestifftet und angerichtet hatte. Endlich/ als er nach Athen kam/ fand er die Stadt in einem Aufruhr begriffen/ insonderheit das Königliche Haus des Aegeus: weil die Medea aus Corintho verbannt dahin kommen war/ und ihre Zuflucht zur Stadt Athen/ in des Königs Aegeus Behausung genommen hatte/ welchem sie (ungeachtet er nunmehro schon sehr alt war) dannoch/ durch die Krafft einiger Artzney-Träncke/ versprochen/ zu verschaffen/ daß er noch Kinder bekommen solte/ weil nun Medea des Theseus Ankunfft wuste und erkandte/ der gute alte Aegeus aber nicht wuste/ wer er wäre/ der Sachen nachdachte/ und doch nicht traute/ spielte sie/ die Medea/ es dahin/ daß ihm Aegeus zu Gaste bitten solte/ wie man etwan einem reisendem Frembdlinge zu thun pfleget: Er aber ihm an der Taffel vergeben solte/ worzu sie dann bereits eine Spinne bereitet hatte. Nachdem nun Theseus geladen war/ wolte er nicht unterlassen zur Mahlzeit sich einzustellen/ iedoch nicht zu erkennen geben/ wer er wäre: sondern gedachte dem Aegeus sonsten ein Merckzeichen zu geben/ ihn dardurch zu erkennen. Nachdem man nun die Speisen aufgetragen hatte/ zog Theseus sein Schwert aus der Scheide/ als ob er darmit essen wolte; und zeigte es zugleich dem Aegeus/ welcher dieses Schwert von Stund an erkannte/ und die Spinne/ die für ihn bereitet war/ mit dem Giffte zugleich hinweg warff. Nachdem er ihn nun durch Fragen gnugsam ausgeforscht und erkannt hatte/ bekannte er/ in offentlicher Versammlung/ daß er sein Sohn/ Erb/ und Nachfolger im Königreich wäre. Hiernach hatte Theseus Krieg/ Streit und Sieg wider den Pallas/ den Sohn des Pandions/ dessen angenommener Sohn auch Aegeus war. Dieser Pallas hatte vestiglich gehofft die Atheiniensische Cron/ nach dem Tode des Aegeus/ zu bekommen: Hernach erhub er sich/ den grimmigen Stier von Marathon zu bestreiten/ der in der Landschafft Tetrapolis sehr viel Böses that: und nachdem er selbigen lebendig gefangen/ brachte er ihn in die Stadt/ daß ihn iedweder sehen mochte: Darauf opfferte er solchen dem Apollo von Delphos/ oder der Diana von Marathon.

Nachdem er nun viel tapffere Thaten gethan/ und viel wunderbare Begebenheiten ausgestanden hatte; geschahe zu Athen das grosse Frohlocken/