Le Brun, Charles
Kunstwerk-Bezüge
Basis-Daten
Künstler, dessen Vita von Sandrart verfasst wurde.
Franz. Maler, geb. 1619 in Paris, gest. 1690 ebda., Schüler von Simon Vouet und François Perrier; vgl. Thieme-Becker, Bd. XXII, S. 510 f.
Während sich in der Teutschen Academie von 1675 nur eine kurze Notiz zu Charles Le Brun findet, ist die Vita in der lateinischen Ausgabe äußerst umfangreich; vgl. Sandrart, Academia 1683, S. 371.
Die Übersetzung der lateinischen Vita lautet:
»Er ist nun das vornehmste Licht ganz Frankreichs. Nachdem nämlich jener große Kardinal-Regent dieses Reiches sehr viele andere Dinge wieder in Ordnung gebracht hatte, wandte er sich auch den daniederliegenden Künsten zu, um dieselben wiederaufzurichten. Er schätzte nicht nur stets die würdigeren und in diesen Studien mehr als erfolgreichen Talente sehr hoch ein, sondern unterstützte auch junge Männer, die irgendeine Hoffnung auf zukünftige Leistung versprachen, auf eigene Kosten in sehr großer Zahl und schickte diese dann, mit allem Notwendigen versehen, nach Italien und besonders Rom. Dort sollten sie sich eifrig den Studien des Zeichnens, der höheren Malerei, der Plastik und Architektur nach allen hierfür erforderlichen Regeln widmen. Daher hat sich das Volk der Franzosen in all diesen Künsten weitaus höher entwickelt und seine Untertanen weitaus vornehmer erzogen als je zuvor. Derselbe Regent ließ auch, wo immer er einige vorzügliche antike Statuen oder ähnliche Münzen, zeichnerische Werke, seltene Bilder oder andere herausragende oder bemerkenswerte Dinge derselben Art irgendwie beschaffen konnte, diese für große Summen aufkaufen und allesamt nach Frankreich überführen, um sie in seinem Richelieu-Palast oder in Paris aufstellen zu lassen, so dass ganz Rom nach Frankreich geschafft schien. Durch diese Methode der Förderung der Jugend zu Höherem erfreut sich das Volk der Franzosen bis heute eines Vorzugs vor den übrigen Völkern, zumal genau diese von Richelieu eingeführte Sitte zum Vorteil des jüngeren Alters bis auf den heutigen Tag fortgeführt wird, weswegen jenes glorreiche Königreich jetzt solchen Überfluss hat an seltenen Begabungen.
Unter jenen also verdient besagter Charles Le Brun, der Vorsteher der königlichen Maler, besonderes Lob: Er lieferte nicht nur gleich von zarter Jugend an Kostproben seiner künftigen Vollkommenheit, sondern machte in seiner Heimat genau wie auch in Rom, in ganz Italien und schließlich besonders in Paris seinen großen Namen derart berühmt, dass er jetzt die engere Gunst des Königs genießt. Ein sehr weites Feld aber würde sich hier für Abschweifungen öffnen, wenn all seine Werke mit lobender Feder beschrieben werden müssten, welche er, um Beifall zu spenden, mit dem Pinsel gestaltete. Es kann aber genügen, wenigstens ein einziges zum Dank an ihn verfasstes Gedicht aufzuführen, welches in knapper Zusammenfassung die riesige Höhe seines Ruhmes beschreibt. Seine Worte lauten in französischer Sprache wie folgt:
Sonnet
Auf
Herrn Le Brun
Erster Maler des Königs
Für die Gemälde in der Kapelle zu Versailles
Und in der Kapelle zu Seaux
Mal’ tausend Dinge nur auf ein einzig(es) Bild,
dass die Täuschung mit Licht und mit Schatten geschickt
von nah, von fern uns zeige eine Gestalt,
und bring in eins zusammen Himmel, Erd’ und Meer
Le Brun zeigt weit mehr, was ein Pinsel vermag.
Ihr Kenner sagt nicht, dass das Bild der Natur
ist der Maßstab allein, der der Malkunst geziemt.
Dieses neuen Apelles harrt größerer Ruhm.
Er macht offen das Herz, er macht sichtbar die Seele.
Aus dem göttlichen Sein wird ein fühlbares Wesen.
Er gibt wieder die Gnade, zeigt treffend den Ruhm.
Was das Auge nicht sieht, seine Kunst drückt es aus.
Wie Paulus steigt hoch er den Himmel ganz hinauf.
Der sieht, wer dort lebt: Er macht mehr, er stellt’s dar.
Der Sinn dieser Verse in deutscher Sprache ist:
Male nur tausende Dinge, ganz klein und in bunten Gestalten,
täuschen mag Schatten und Licht wohl auf erfreuliche Art.
Kommen heran, wieder fliehen zurück dann mögen die Bilder,
Erde und Himmel und Meer mögen erscheinen vereint.
Größere Kräfte indes gibt Brunius mit seinem Pinsel,
eifert man nach der Natur, hält nur für wertlos er dies.
Er schließt das Herz auf genau, entriegelt mit Farbe die Seele.
Dadurch, dass er geht voran, trifft unsere Sinne Gott selbst.
Höher entrückt noch, Paulus, als du: Den Himmel durchstreifend
sahst viele Wunder du dort: Dieser macht sichtbar sie uns.«
Unter seinen zahllosen für den König angefertigten Werken aber sind nicht die schlechtesten jene ziemlich großen Ölgemälde nach Vorgabe der königlichen Gobelins, die auch nach den soeben genannten Vorstellungen hergestellt wurden und ausgebreitet im privaten Schlafzimmer des Königs zu sehen sind. Hier sind die Taten Alexanders des Großen mit solchem Genie dargestellt und mit so großer Kenntnis der Antike in Bezug auf die Sitten und Gebräuche jener Zeiten und Völker vor Augen geführt, dass der Betrachter glaubt, in die Vorgänge selbst verwickelt zu sein. Bald nämlich sieht man Kriegsheere auf dem Marsch, bald die Schlachten selbst, mit Fußsoldaten und Reiterei, und mitten unter den Kriegsscharen bewundert man die riesigen Untiere von Elefanten, die zum Kriegseinssatz abgerichtet wurden. Bald wird man von der Furcht der Flüchtenden, bald von der Wildheit der Siegenden erschreckt, nimmt doch das Abschlachten, Erdolchen, Plündern und Gefangennehmen kein Ende. An einer Stelle sieht man ganze Heere durch Flüsse schwimmen, andernorts unerwartete Angriffe, schließlich Dareios selbst, in der Schlacht besiegt, und an einer anderen Stelle seine Mutter und seine Gattin, mit einem Zug wunderschöner junger Frauen, die von Alexander mit größter Freundlichkeit empfangen werden; schließlich kann man den äußerst aufwendigen Triumph Alexanders in der Stadt Babylon und Ähnliches betrachten, mit Pinselstrichen ansprechender gemalt, als der Stift des Plutarch dies alles beschrieben hat.
Es gibt nun fünf Bilder, welche unser Künstler alle in Fontainebleau, meistens unter der Aufsicht des Königs selbst, sehr erfindungsreich und mit viel Sorgfalt geschaffen hat, so dass sie alle menschliches Maß übertreffen, wie dieselben auch von Gerhard Edelinck und Girard Audran auf großen, in der Mitte faltbaren Papierbögen in Kupfer gestochen wurden. Sie haben jeweils das zum Gegenstand, was wir nun der Reihe nach beschreiben werden:
Bild I: Es zeigt den Kampf Alexanders am Granikos, hat eine Länge von 30 Fuß, eine Breite (Höhe) von 16 Fuß; auf diesem Bild greift Alexander der Große, nachdem er sein Heer durch den Fluss Granikos geführt hat, die zahlenmäßig unvergleichlich überlegenen Perser an und schlägt mit großem Mut diese seine zahllosen Feinde in die Flucht.
Bild II: Es gehört in den Zusammenhang des Kampfes Alexanders bei Issos: Nach dem erneuten Sieg über Dareios bei der Bergenge in Kilikien hat Alexander auch das Lager der Perser als sehr große Beute eingenommen, ebenso sind die Gattin des Dareios, seine Mutter, sein Sohn und zwei Töchter mit der gesamten Dienerschaft gefangen worden; dennoch werden diese von Alexander freundlich aufgenommen, um ein Beispiel seiner außerordentlichen Zurückhaltung und Milde zu geben.
Bild III: Es enthält den Kampf Alexanders bei Arbela, die Höhe beträgt 16, die Länge 39 Fuß und fünf Daumen; auf dem Bild kämpft Alexander bei Gaugamela mit Dareios in zwar offener, doch sehr schwerer Schlacht und siegt. Diesen Sieg verdankte Alexander teils seiner Tapferkeit, teils dem Schicksal, und gerade durch diesen Sieg beseitigte er die gesamte Herrschaft der Perser.
Bild IV: Der Triumph Alexanders in Babylon; das Bild hat eine Höhe von 16 und eine Breite von 21 Fuß; es stellt dar, wie Alexander mit große Pomp in Babylon einzieht, unter dem Klang verschiedener Musikinstrumente und großem Beifall des Volkes.
Bild V: Es zeigt den Sieg gegen Poros: Alexander zieht gegen Poros zu Felde, den mächtigen König der Inder, welcher ein gewaltiges Heer gesammelt hatte und 130 Elefanten mit sich führte. Dennoch siegt Alexander unter großer Anstrengung und Gefahr und lässt Poros nach der Gefangennahme pflegen und gibt ihm sein Reich zurück, sogar sehr vergrößert.
Aus all dem geht ganz klar hervor, dass die Macht einer schmuckvollen Zeichnung und eines vollkommenen Bildes sich weiter erstreckt, als die meisten Leute meinen. Daher muss unser Künstler verdientermaßen unter die größten gezählt werden, da seine Werke bei den verschiedenen Leuten, die ihm nacheifern, ein Licht entzünden, was andernfalls im Dunkel des Vergessens versenkt geblieben wäre. Obschon aber die Werke unseres Mannes ziemlich neu sind und ich mich bis jetzt mit großem Eifer um ein Bildnis bemüht habe, ist dennoch vor dem Druck unseres vorliegenden Bandes noch nichts an mich geschickt worden. Daher beabsichtige ich, wenn ich in dieser Sache irgendetwas weiter erreicht haben werde, dies dem geneigten Leser durch einen Anhang mitzuteilen.«
(Übersetzung von Peter Pauly)
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Katholisch
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Vorkommen im Text
Vita:
TA 1675, II, Buch 3 (niederl. u. dt. Künstler), S. 369
TA 1675, II, Buch 3 (niederl. u. dt. Künstler), S. 366
TA 1675, II, Buch 3 (niederl. u. dt. Künstler), S. 369
Marginalspalte oder Fußnote
TA 1675, Register, nach S. 376 [III]
Erwähnungen in Kommentaren
Sandrart erwähnt in seiner kurzen Notiz zu Charles Le Brun die…